Der Mythos von Camp David ist Teil einer amerikanisch-israelischen Desinformationskampagne

Um das Massaker an palästinensischen Männern, Frauen und Kindern durch die israelischen Streitkräfte (IDF) zu rechtfertigen, müssen die pro-zionistischen amerikanischen Medien außerordentliche propagandistische Anstrengungen unternehmen. Lügen sind zur Norm geworden in dem Versuch, die Wirklichkeit auf den Kopf zu stellen und Opfer des Staatsterrors als Schuldige und Kriegsverbrecher als Opfer hinzustellen.

Ein Herzstück dieser Propagandakampagne ist eine grob verfälschte Darstellung des israelisch-palästinensischen Gipfels, der im Juli 2000 in Camp David stattfand. Die amerikanischen Medien wiederholen endlos die Behauptung, dass Jassir Arafat dort ein großzügiges Angebot eines Palästinenserstaats des damaligen Premierministers Ehud Barak abgelehnt und damit den Ausbruch der Gewalt heraufbeschworen habe, die seit nunmehr 18 Monaten andauert.

So enthält das Wall Street Journal vom 15. April einen Artikel von Daniel Pipes und Jonathan Schanzer, der sich gegen einen Abzug des israelischen Militärs aus den besetzten Gebieten wendet. Sie schreiben:

"Im Juli 2000 überzeugte Premierminister Ehud Barak Präsident Clinton, einen Gipfel mit Jassir Arafat und ihm selbst abzuhalten. Dort, in Camp David, bot er außerordentliche Zugeständnisse an, in der Hoffnung das palästinensische Kapitel ebenso abzuschließen, wie er soeben das libanesische beendet hatte. Das Problem war aber, dass Hisbollah und Palästinenser aus diesem Rückzug die entgegengesetzten Schlussfolgerungen zogen. Die Hisbollah jubelte, dass islamische Kräfte in dem,kleinsten arabischen Land' Israel zu einem Rückzug,mit Schimpf und Schande' gezwungen hätten.

Was Arafat anging, so nahm er sich nicht etwa ein Beispiel an der israelischen Großherzigkeit, sondern hielt Israel für schwach und demoralisiert. Inspiriert vom Erfolg der Hisbollah verloren er und die palästinensische Politikerkaste jedes Interesse an der Diplomatie und ihrem möglichen Ergebnis, einer teilweisen Erfüllung ihrer Ziele. Stattdessen hielten sie sich an das Modell der Hisbollah, Gewalt anzuwenden, um den totalen Sieg zu erlangen.

Es war dann auch nicht überraschend, dass Arafat Herrn Baraks unglaublich großzügiges Angebot ablehnte und sich nicht einmal die Mühe machte, einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Natürlich ist mit dem totalen Sieg hier die Zerstörung Israels gemeint und nicht die Koexistenz mit ihm. Was weniger konnte Arafat wollen, nachdem er ein so wunderbares Angebot in Camp David abgelehnt hatte?"

Solche Behauptungen werden im vollen Bewusstsein aufgestellt, dass sie falsch sind. Seit die Gespräche in Camp David am 25. Juli 2000 endgültig scheiterten, sind zahlreiche Beweise aufgetaucht, welche die Anstrengungen der Israelis und der USA widerlegen, die palästinensische Delegation für das Scheitern des Gipfels verantwortlich zu machen.

Die Propaganda entwirrt sich

Als US-Präsident verkündete Clinton, dass die Gespräche an der Frage von Jerusalem gescheitert seien, und machte die Palästinenser dafür verantwortlich, indem er sagte: "Die Israelis haben sich mehr von ihrer ursprünglichen Position wegbewegt als sie."

Die Palästinenser sagten zu dieser Zeit nichts, weil sie ihre Hoffnungen immer noch auf weitere Verhandlungen setzten. Damit überließen sie der extremen israelischen Rechten das Feld, die Barak als naiven Dummkopf hinstellte, der nicht verstanden habe, dass mit Arafat keine Kompromisse möglich seien, da dieser nichts anderes wolle als die Zerstörung Israels.

Erst ein knappes Jahr später, als der Konflikt schon zehn Monate lang tobte, erschienen mehrere Artikel, welche die Propaganda der Zionisten widerlegten. Als erster ergriff Robert Malley das Wort, unter Clinton Nahost-Experte im Nationalen Sicherheitsrat der USA und Mitglied des amerikanischen Teams in Camp David.

Ein erster Artikel von Malley erschien in der New York Times vom 8. Juli 2001 unter der Überschrift "Märchen über das Scheitern von Camp David". Er widerlegte darin einige Mythen, darunter die Behauptung, Barak sei nahe daran gewesen, die Sicherheit Israels aufs Spiel zu setzten, als er angeboten habe, "die meisten, wenn nicht alle legitimen Forderungen der Palästinenser zu erfüllen."

Malley schrieb: "Es stimmt, was auf dem Tisch lag, war weitreichender als alles, was ein israelischer Führer in der Vergangenheit diskutiert hatte - ob nun mit den Palästinensern oder mit Washington. Aber es war nicht das Traumangebot, als das es dargestellt wurde, zumindest nicht aus palästinensischer Sicht.

Um die Siedler zu beruhigen, sollte Israel neun Prozent der Westbank annektieren, als Ausgleich sollte der Palästinenserstaat Souveränität über Teile des israelischen Kernlandes bekommen, von einem Neuntel der Größe des annektierten Landes. Ein Palästinenserstaat mit 91 Prozent der Westbank und Gaza war mehr, als die meisten Amerikaner und Israelis für möglich gehalten hätten, aber wie hätte Herr Arafat seinem Volk den Landtausch im Verhältnis neun zu eins erklären sollen?

In Jerusalem hätte Palästina Souveränität über viele arabische Viertel im Ostteil der Stadt sowie moslemische und christliche Viertel in der Altstadt erhalten. Während es den Haram al Scharif verwalten sollte, in dem die drittheiligste moslemische Stätte [die Al Aqsa Moschee] steht, hätte Israel die Oberhoheit über dieses Gebiet behalten, das von den Juden als Tempelberg bezeichnet wird."

Malley gab auch zu, dass die Palästinenser größere Zugeständnisse gemacht hatten:

"Die Palästinenser traten für einen Palästinenserstaat ein, der in den Grenzen vom 4. Juni 1967 neben Israel bestehen sollte. Sie akzeptierten, dass Israel das Territorium der Westbank mit Siedlungsblöcken annektieren würde. Sie akzeptierten das Prinzip der israelischen Souveränität über die jüdischen Viertel in Ostjerusalem - Viertel die vor dem Sechstagekrieg von 1967 nicht Teil des Staates gewesen waren. Und während sie darauf bestanden, dass das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr anerkannt wird, waren sie bereit, es in einer Weise umzusetzen, die Israels demographische Zusammensetzung und Sicherheitsinteressen berücksichtigt, und deshalb die Anzahl der Rückkehrer zu beschränken. Keine andere arabische Partei, die mit Israel verhandelt hatte - Ägypten unter Anwar el-Sadat, Jordanien unter König Hussein, ganz zu schweigen vom Syrien Hafez el-Assads - kam je auf die Idee, solche Kompromisse auch nur in Erwägung zu ziehen."

Dem Artikel folgten weitere Enthüllungen, die von rechten israelischen Medien als "Camp David Revisionismus" beschimpft wurden.

Am 23. Juli gab Ahmed Qureia, der Chefunterhändler der Palästinenser in Camp David, eine Pressekonferenz, in der er Malleys Bemerkungen zustimmte und die Behauptung, dass "Barak alles anbot [und] die Palästinenser alles ablehnten", als "die größte Lüge der letzten drei Jahrzehnte" verurteilte. Auch die New York Review of Books, die New York Times und die palästinensische Verhandlungsdelegation veröffentlichten Material über Camp David, das die Behauptungen der zionistischen Märchenerzähler widerlegte.

Was geschah in Camp David?

Barak kam im Juli 1999 ins Amt und versprach, mit den Palästinensern Verhandlungen über den endgültigen Status von Palästina zu führen. Die Verhandlungen begannen im März 2000 im Geheimen, wobei Barak einige erste Versprechungen machte. Mitte Mai jedoch ließ man die Kernpunkte der Gespräche an israelische Zeitungen durchsickern, worauf eine wütende Kampagne des Likud und anderer rechter Parteien und israelischer Medien folgte. Als Reaktion setzte sich Barak vehement für einen Gipfel unter dem Schirm der USA ein, gegen den Rat von Arafat und der Palästinenser, die fürchteten, es gebe zu wenig Vorbereitungen. Clinton überredete Arafat, trotz seiner Bedenken teilzunehmen, und der Camp David Gipfel begann.

Die New York Review of Books veröffentlichte am 9. August 2000 eine ausführliche Darstellung der Gespräche unter dem Titel: "Camp David: Die Tragödie der Fehler". Verfasser waren Malley und Hussein Agha, der in den israelisch-palästinensischen Beziehungen eine aktive Rolle spielte.

Ihrer Darstellung zufolge weigerte sich Barak, eine Reihe von Zwischenschritten zu verwirklichen, zu denen Israel aufgrund verschiedener Abkommen verpflichtet war, "darunter einen dritten Teilrückzug von der Westbank, die Übergabe dreier an Jerusalem angrenzender Dörfer unter palästinensische Kontrolle und die Freilassung von Palästinensern, die wegen Taten eingesperrt waren, die vor dem Oslo-Abkommen begangen worden waren."

Obwohl die Autoren in ihren Formulierungen sehr diplomatisch sind, machen sie deutlich, dass Barak so vorging, um die Palästinenser vor ein Ultimatum zu stellen: Entweder Friede zu Israels Bedingungen oder, so die implizite Drohung, neue Gewalt. Der Kern von Baraks Plan war, sich die Unterstützung der Clinton-Regierung und Europas zu sichern, um Arafat zu isolieren und ihn unter enormen Druck zu setzen.

Laut der Darstellung von Malley und Agha wurden die westlichen Länder aufgefordert, "Arafat Konsequenzen für seine Sturheit anzudrohen: die Schuld würde man den Palästinensern anlasten und die Beziehungen mit ihnen würden eingeschränkt werden". Der Artikel fährt fort: "Außerdem beschwor Barak die USA während Camp David die ganze Zeit, keine Alternativmöglichkeiten oder weitere Verhandlungschancen für den Fall anzudeuten, dass der Gipfel scheitern würde."

Unter Bedingungen, unter denen die Oslo-Vereinbarungen keine Verbesserung der sozialen Lage gebracht hatten und die Enttäuschung und Verärgerung der Palästinenser zunahm, brachte dies Arafat in eine unmögliche politische Situation. Die zwei Autoren schreiben: "Von Gaza und der Westbank aus gesehen las sich das Vermächtnis von Oslo wie eine Aufzählung aufgeschobener oder unerfüllter Versprechen. Sechs Jahre nach den Verträgen gab es mehr israelische Siedlungen, weniger Bewegungsfreiheit und eine schlechtere wirtschaftliche Lage."

Sie gelangen zum Schluss: "Camp David scheint Arafat in die schlimmsten Albträume versetzt zu haben. Es war ein Gipfeltreffen unter Hochspannung, das die Palästinenser unter Druck setzte, einer schnellen Vereinbarung zuzustimmen oder andernfalls erhöhte politische und symbolische Kosten zu tragen.... Dass die USA die Einladungen [zu Camp David] aussprachen, obwohl sich Israel weigerte, seine früheren Verpflichtungen zu erfüllen, und obwohl sich Arafat mehr Zeit für Vorbereitungen erbeten hatte, musste seinen Eindruck einer amerikanisch-israelischen Verschwörung verstärken."

Um Arafat nach Camp David zu bekommen, hatte ihm Clinton versprochen, dass die Palästinenser nicht für ein Scheitern verantwortlich gemacht würden - ein Versprechen, das sich als wertlos erweisen sollte.

Was die Angebote von Barak angeht, so weisen die Verfasser darauf hin, dass er nie etwas schriftlich niederlegte. Tatsächlich seien die Palästinenser aufgefordert worden, sich mit einigen vagen Versprechungen zufriedenzugeben, die jederzeit wieder zurückgenommen werden konnten. Die Autoren schreiben: "Strenggenommen gab es niemals ein israelisches Angebot. Entschlossen, die Position Israels im Fall des Scheitern zu erhalten und den Palästinensern keinen Vorteil durch einseitige Kompromisse zu verschaffen, blieben die Israelis immer einen bis mehrere Schritte vor einem Angebot stehen. In Camp David wurden die Vorschläge nie schriftlich niedergelegt, sondern immer nur mündlich übermittelt.... Sie waren auch nicht sehr detailliert. Die amerikanischen Ideen in Camp David hätten auf Papier nicht mehr als ein paar wenige Seiten umfasst. Barak und die Amerikaner bestanden darauf, dass Arafat sie als allgemeine,Verhandlungsgrundlage' akzeptieret, bevor sie tiefer in die Gespräche einstiegen."

Baraks Vorschläge

Baraks Vorschläge waren alles andere als "unglaublich großzügige" Zugeständnisse an palästinensische Forderungen. Sein Angebot wäre keine lebensfähige Grundlage für einen Palästinenserstaat, sondern für ein von Israel abhängiges und ihm untergeordnetes arabisches Ghetto gewesen.

Die Oslo-Vereinbarungen gründeten sich darauf, dass die Palästinenser die israelische Souveränität über 78 Prozent des historischen Palästina anerkannten, weil sie davon ausgingen, selbst die Souveränität über die restlichen 22 Prozent auszuüben. Im Gegensatz dazu kam Baraks angebliche Großzügigkeit in Camp David einer Zurückweisung der UNO-Resolutionen 242 und 338 gleich, die als Grundlage für die Oslo-Verträge von 1993 akzeptiert worden waren.

Zu den wichtigsten Punkten seines Angebots gehören die folgenden:

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Baraks Vorschlag teilte Palästina in vier voneinander getrennte Kantone, die von Israel eingeschlossen sind: die nördliche Westbank, die zentrale Westbank, die südliche Westbank und Gaza. Ein Netzwerk von israelisch kontrollierten Straßen und Militärposten sollten diese Kantone wiederum unterteilen. Kein Teil Palästinas sollte an den anderen angrenzen, und die Israelis sollten die Bewegungen der Bewohner und Güter kontrollieren, im Inneren wie nach außen. Dadurch wäre sichergestellt worden, dass die palästinensische Wirtschaft ihrem mächtigeren Nachbarn vollständig unterworfen ist.

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Israel sollte fast neun Prozent der besetzten Gebiete annektieren und bot im Austausch dafür nur ein Prozent von seinem eigenen Territorium an.

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Israel sollte die Kontrolle über weitere zehn Prozent der besetzten Gebiete in der Form einer "langfristigen Pacht" von unbestimmter Dauer erhalten.

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Die Palästinenser sollten jeden Anspruch auf Ostjerusalem aufgeben, das sie als künftige Hauptstadt eines Palästinenserstaats vorgesehen hatten. Die palästinensische Verhandlungsdelegation gab zu, dass das in späteren Gesprächen modifiziert wurde, mit einem Vorschlag, den Palästinensern Souveränität über isolierte arabische Viertel in Ostjerusalem einzuräumen. Diese Viertel sollten jedoch von israelisch kontrollierten Vierteln umgeben und nicht nur voneinander, sondern auch vom Rest des Palästinenserstaates getrennt sein. Als kalkulierte Verhöhnung boten die Israelis an, Tunnel zu bauen, damit Arafat die palästinensischen Viertel besuchen könne, ohne einen Fuß auf israelisches Territorium setzen zu müssen.

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Israel sollte die Kontrolle über 69 zionistische Siedlungen in der Westbank behalten, wo 85 Prozent der Siedler leben. Seit die Verträge von Oslo unterschrieben wurden, war der Bau von illegalen Siedlungen um 52 Prozent gestiegen, und die Zahl der Siedler, einschließlich derer in Ostjerusalem, hatte sich mehr als verdoppelt.

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Die Palästinenser sollten jedes Recht auf Rückkehr nach Israel für diejenigen aufgeben, die seit seiner Gründung 1948 geflüchtet waren.

Und all das wurde eher als Drohung denn als Vorschlag unterbreitet. Wie die palästinensischen Unterhändler anmerken: "Vor dem Eintritt in die ersten Verhandlungen über dauernde Statusfragen hat Premierminister Barak öffentlich und wiederholt den Palästinensern gedroht, dass sein,Angebot' Israels bestes und letztes sein werde, und dass im Falle der Ablehnung Israel ernsthaft über eine,unilaterale Trennung' (ein Euphemismus für eine aufgezwungene statt einer ausgehandelten Regelung) nachdenken würde."

Malley und Agha stellen die Sache so dar, dass die Palästinenser ständig den Eindruck hatten, über den Tisch gezogen zu werden, was die amerikanische Pose des "ehrlichen Maklers" in Mitleidenschaft gezogen habe. Aber die Beispiele, die sie anführen, beweisen, dass Clinton aktiv mit Barak zusammenarbeitete, um die Palästinenser zu zwingen, eine Lösung ähnlich den Bantustans unter dem südafrikanischen Apartheidregime zu akzeptieren.

Zum Beispiel schreiben sie, dass, als der palästinensischer Unterhändler Abu Al'a vor Baraks Vorschlägen zurückschreckte, "der Präsident [Clinton] tobte: ‚Das ist Betrug. Kein Gipfel. Ich lasse nicht zu, dass die Vereinigten Staaten Verhandlungen decken, die nicht ernsthaft sind. Gehen wir!' Gegen Ende des Gipfels sagte ein wütender Clinton zu Arafat:,Wenn die Israelis Kompromisse machen können und Sie nicht, sollte ich heimgehen. Sie waren vierzehn Tage hier und haben zu allem nein gesagt. So etwas hat Folgen, ein Scheitern wird das Ende des Friedensprozesses bedeuten... Lassen wir die Hölle losbrechen und die Konsequenzen tragen."

Eine ultimative Drohung hing über den Köpfen der Palästinenser - entweder ihr unterschreibt Baraks Angebot und verabschiedet Euch damit von jeder Aussicht auf einen lebensfähigen Staat, oder ihr seid nicht nur dem Zorn Israels, sondern auch dem der Vereinigten Staaten ausgesetzt.

Scharon verwirklicht die militärische Option

In ihrer Ausgabe vom 26. Juli 2001 veröffentlichte die New York Times einen ausführlichen Artikel von Deborah Sontag mit dem Titel "Und doch so weit", der einige interessante Zusatzinformationen zu Camp David enthält und vor allem darstellt, was danach geschah. Sie schreibt über die Ereignisse nach Camp David:

"Wenige Israelis, Palästinenser oder Amerikaner wissen, wie viel diplomatische Aktivitäten noch stattfanden, nachdem Camp David scheinbar zu nichts geführt hatte. Israelische und palästinensische Unterhändler konnten auf etwas aufbauen, was sich als nützliche Grundlage erwies, und trafen sich im August und September zu mehr als fünfzig Verhandlungen, meist im König David Hotel in Jerusalem...

Im August und September entwarfen [der palästinensische Chefunterhändler Saeb] Erekat und Gilad Sher, ein ranghoher israelischer Unterhändler, zwei Kapitel einer dauerhaften Friedensvereinbarung. Sie wurden vor allen außer den Führern geheimgehalten - laut Herrn Erekat sogar vor anderen Unterhändlern.

Gleichzeitig erarbeiteten amerikanische Vermittler den permanenten Friedensvorschlag von Herrn Clinton. Er erschien im Dezember, aber Martin Indyk, der frühere amerikanische Botschafter in Israel, enthüllte vor kurzem, dass er den Parteien auch schon im August oder September hätte vorgelegt werden können."

Sontags Artikel ist wichtig, weil er nicht nur den Mythos der palästinensischen Kompromisslosigkeit entlarvt - selbst nach dem Scheitern des Ultimatums von Camp David gab es weitere intensive Verhandlungen -, sondern auch darauf hinweist, wovon die pro-zionistischen Medien so ungern sprechen: dass nämlich Ariel Scharon, und nicht Arafat, absichtlich jede Möglichkeit einer Verhandlungslösung vereitelte.

Sie merkt an, dass "Scharons schwer bewachter Besuch auf dem Platz vor der Al Aqsa Moschee zum Zweck der Demonstration jüdischer Souveränität über den Tempelberg wütende palästinensische Demonstrationen auslöste. Die Israelis unterdrückten sie mit brutaler Gewalt. Der Teufelskreis der Gewalt nahm seinen Anfang..."

Selbst dann gab es noch weitere Gespräche bis Dezember. "Die Verhandlungen wurden jedoch von Israel abgebrochen, weil die Wahlen vor der Tür standen und,der Druck der israelischen öffentlichen Meinung gegen die Gespräche zu groß war', wie der damalige israelische Außenminister Schlomo Ben-Ami sagte."

Sontag schließt: "Bei den israelischen Wahlen im Februar [2001] erlitt Barak gegen Scharon eine vernichtende Niederlage. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Friedensbemühungen auf Eis gelegt - und nicht sechs Monate vorher in Camp David."

Es ist fraglich, inwieweit die Verhandlungen nach Camp David auf Seiten Baraks noch mit ehrlichen Absichten geführt wurden. Die Clinton-Regierung bestellte die Unterhändler für den 27. September 2000 nach Washington ein. Am 28. September unternahm Scharon seinen bewusst provozierenden Besuch in Ostjerusalem. Barak hat Scharons Vorgehen nie kritisiert. Arafat behauptet, dass Barak sich direkt mit Scharon verschworen habe, "um den Friedensprozess zu zerstören". Er habe den Tempelberg/Haram al Scharif als Mittel genutzt, "um das durchzusetzen, wofür sie sich entschieden hatten: den militärischen Plan".

Siehe auch:
Die palästinensischen Selbstmordanschläge
(16. April 2002)
Europäische Regierungen lassen Scharon freie Hand gegen die Palästinenser
( 13. April 2002)
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