Bush will strengere Blockade, Castro drängt auf Annäherung an USA

Nur drei Tage, nachdem der ehemalige Präsident Jimmy Carter am Ende seiner Reise nach Kuba die Aufhebung des vierzigjährigen Embargos Washingtons gegen die Inselnation und engere Wirtschaftsbeziehungen gefordert hatte, kündigte Präsident Bush an, die Blockade noch zu verschärfen.

"Ohne entscheidende Schritte zur Öffnung des politischen und wirtschaftlichen Systems würde der Handel mit Kuba nicht dem kubanischen Volk helfen, sondern lediglich Castro und seine Entourage bereichern und seine Diktatur stärken", erklärte Bush am 20. Mai in einer Rede im Weißen Haus. Er reiste im Laufe des Tages nach Miami, wo er die gleiche Hardliner-Botschaft vor exilkubanischen, Castro-feindlichen Organisationen wiederholte.

Bushs Rede und Carters Reise zeigen, dass in der herrschenden amerikanischen Elite tiefe Meinungsverschiedenheiten herrschen, welche Politik Kuba gegenüber einzuschlagen sei. Die rechten kubanisch-amerikanischen Organisationen üben schon seit langem einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf Republikaner und Demokraten aus, ja sie bestimmen mehr oder weniger die Kuba-Politik Washingtons.

Das war nie offensichtlicher als unter der Bush-Regierung, die sich bei der Präsidentschaftswahl 2000 vor allem der Unterstützung der Cuban American National Foundation und anderer Castro-feindlicher Gruppen bediente, von denen sich viele am Terror, den die CIA gegen die Insel ausübt, aktiv beteiligen. Der Bruder des Präsidenten, der Gouverneur von Florida Jeb Bush, hofft darauf, Ende des Jahres mit Hilfe dieser Gruppen wiedergewählt zu werden.

Die Regierung hat sich für diese Unterstützung durch die Berufung zahlreicher Kuba-Amerikaner aus dem Umfeld der Castro-feindlichen Gruppen in hohe Positionen im Außenministerium und in anderen US-Behörden erkenntlich gezeigt.

Andererseits sprachen sich vierzig Kongressabgeordnete - zu gleichen Teilen Demokraten und Republikaner - während Carters Kuba-Aufenthalt für eine Lockerung des Embargos aus. Führer des Repräsentantenhauses und des Senats erklärten, eine Mehrheit befürworte die effektive Aufhebung der Sanktionen gegen US-Bürger, die die Insel als Touristen besuchen.

Die Agrarwirtschaft, die Tourismusbranche, amerikanische Pharmakonzerne und andere Teile der amerikanischen Wirtschaft laufen gegen eine Fortsetzung des Embargos Sturm, das sie als Hindernis für das Erzielen großer Profite in einem Markt betrachten, der gegenwärtig ihren europäischen, kanadischen und japanischen Rivalen vorbehalten ist.

Fidel Castro setzt für die Rettung der Inselwirtschaft und seines eigenen Regimes auf das Bestreben dieser Teile des US-Kapitals, nach Kuba zurückzukehren. Der Carter-Besuch, auf dem der Ex-Präsident die Erlaubnis erhielt, dem kubanischen Präsidenten und dem kubanischen Volk in einer vom nationalen Fernsehen übertragenen Rede einen Vortrag über die Notwendigkeit von "Demokratie" und "freiem Unternehmertum" zu halten, ist nur die letzte einer Reihe von außergewöhnlichen Maßnahmen, mit denen das kubanische Regime versucht, die Gunst Washingtons zurückzugewinnen.

Mehr als 43 Jahre nach seiner Machtübernahme in einer nationalistischen Revolution, deren erklärtes Ziel die Befreiung Kubas von jahrzehntelanger, halbkolonialer amerikanischer Herrschaft war, hat Castro einen Kurs der Annäherung an Washington und der Öffnung der Insel für amerikanischen Handel und Investitionen eingeschlagen.

Diese Wendung nahm Anfang des Jahres eine besonders groteske Form an, als Castro erlaubte, den US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay als Gefängnislager für vermutete Taliban- und al-Qaida-Kämpfer zu nutzen, die während der Invasion Afghanistans gefangengenommen wurden.

Während Menschenrechtsgruppen auf der ganzen Welt Washingtons Weigerung verurteilten, die Bestimmungen der Genfer Konvention zu beachten, und die schlimmen Bedingungen kritisierten, unter denen Hunderte Gefangene gehalten wurden, gab das Castro-Regime dem Vorgehen der USA seinen Segen.

Raul Castro, der Bruder des Präsidenten und Oberbefehlshaber der Armee, der von vielen als der wahrscheinliche Nachfolger Fidels angesehen wird, sagte Reportern, er sei zuversichtlich, dass die USA die Gefangenen "menschlich" behandeln werden, und sicherte Washington zu, dass jeder, der von der Basis entkommen und kubanischen Boden erreichen sollte, festgenommen und den US-Behörden überstellt werde.

Fidel Castro selbst bezeichnete die Zustimmung der kubanischen Regierung zur Nutzung ihres Territoriums als Konzentrationslager als "Geste des guten Willens" und fügte hinzu, dass es, wenn das Militär der beiden Länder in dieser Weise zusammenarbeiten könne, doch auch möglich sein müsse, engere politische und wirtschaftliche Beziehungen herzustellen.

Die Position der beiden Castro-Brüder war eine deutliche Wende in der Politik Kubas. Ursprünglich hatten andere hohe Regierungsvertreter die Verbringung von Gefangenen nach Guantanamo verurteilt. "Ich denke, es wäre ein weiterer Fehler der Amerikaner, dieses besetzte Gebiet zu nutzen," erklärte Bildungsminister Fernando Veciono Alegret. "Ich denke, das wird auf der ganzen Welt kritisiert werden."

General Ramon Espinosa, der Kommandant der Ostsektion der kubanischen Revolutionsarmee, zu der auch Guantanamo gehört, sagte: "Natürlich sind wir damit nicht einverstanden, weil es kubanisches Territorium ist, auch wenn die Amerikaner es besetzt halten."

Doch sobald die Castros gesprochen hatten, erstarb jede Kritik.

Es ist in doppelter Hinsicht bezeichnend, dass das kubanische Regime ausgerechnet diese Frage wählte, um sich bei Washington einzuschmeicheln. Die Existenz der 45 Quadratmeilen großen Basis Guantanamo Bay ist eng mit der historischen Vorherrschaft des US-Imperialismus über die Insel verbunden. Sie wurde nach dem sogenannten Platt-Abkommen an die USA abgetreten, einem Kuba aufgezwungenen Verfassungszusatz, der es den USA erlaubte, nach Belieben militärisch dort zu intervenieren und Militärbasen nach Bedarf einzurichten. Diese Basis ist nach wie vor das deutlichste Symbol dafür, dass die USA in der Zeit vom spanisch-amerikanischen Krieg 1898 bis zur kubanischen Revolution von 1959 die unbeschränkte Herrschaft über das politische und wirtschaftliche Leben Kubas ausgeübt hatten.

Ironischerweise wurde die Nutzung von Guantanamo als Gefangenenlager auch von den Castro-gegnerischen Gruppen in Miami begrüßt, die sie als eine Stärkung der US-Militärpräsenz auf Kuba und als Ausdruck des wiedererwachten Interesses an einem Stützpunkt sehen, der in letzter Zeit als strategisch bedeutungslos galt.

Es ist wahrhaftig ein deutliches Signal, wenn Castro, der jahrzehntelang seinen "Internationalismus" und seine Unterstützung für die Revolutionen der "dritten Welt" beteuert hatte, dem US-Militär erlaubt, Hunderte afghanischer, pakistanischer, arabischer und anderer Staatsbürger illegal auf kubanischem Boden festzuhalten, wo sie in Tierkäfige gesperrt und von CIA-Agenten verhört werden. Für wirtschaftliche Zugeständnisse ist das kubanische Regime bereit, sich mit dem amerikanischen Militarismus im Ausland zu arrangieren.

Die Castro-Regierung möchte zweifellos erreichen, dass die amerikanische Blockade aufgehoben wird. Fast 30 Jahre lang konnte Kuba die Auswirkungen dieses Embargos - das von Washington als Reaktion auf die Enteignung amerikanischer Unternehmen verhängt worden war, die versucht hatten, Sozialreformen zu sabotieren - dadurch ausgleichen, dass es seine Wirtschaft auf die Sowjetunion und den Comecon stützte.

Subventionen der Sowjetunion in Höhe von bis zu fünf Mrd. Dollar pro Jahr hielten die Wirtschaft der Insel über Wasser. Als Gegenleistung für außerordentlich günstige Handelskonditionen mit dem Sowjetblock ordnete Castro Kubas Politik den diplomatischen Manövern der Moskauer Bürokratie mit Washington unter. Im Ergebnis blieb die Abhängigkeit Kubas vom Zuckerexport erhalten, mit dessen Erlös Industriegüter eingeführt wurden - die historische Grundlage der halbkolonialen Rückständigkeit und Abhängigkeit des Landes.

Das US-Embargo lieferte Castro während der ganzen Zeit den Vorwand, sich als Verteidiger der kubanischen Souveränität und wichtigster Gegner des US-Imperialismus darzustellen.

Mit der Auflösung der UdSSR vor mehr als einem Jahrzehnt stand Kuba vor dem Abgrund. Die Wirtschaft schrumpfte um 35 Prozent und das Land verlor drei Viertel seiner Importe. Die Castro-Regierung öffnete daraufhin das Land für ausländische Kapitalinvestitionen, und der Lebensstandard der kubanischen Arbeiter begann zu sinken.

Ende letzten Jahres hatte die kubanische Regierung die Genehmigung für 405 Joint Ventures - im Wesentlichen mit europäischen und kanadischen Firmen - erteilt, die insgesamt fünf Mrd. Dollar Investitionen nach sich ziehen sollen.

Mitte der neunziger Jahre löste der Tourismus den Zuckerexport als größter Devisenbringer ab. Angesichts fallender Weltmarktpreise spielen die beiden wichtigsten Exportgüter des Landes, Zucker und Nickel, in der Wirtschaft des Landes eine geringere Rolle. Außer dem Tourismus sind die Geldüberweisungen von kubanischen Exilanten an zurückgebliebene Verwandte die zweitwichtigste Devisenquelle; sie werden inzwischen auf mehr als 800 Millionen Dollar pro Jahr geschätzt.

Die Folge ist eine wachsende soziale Polarisierung zwischen denen, die über Dollars verfügen - sei es aus dem Tourismussektor oder aus den Überweisungen von Verwandten in den USA - und denen, die keine haben. Wer von Gehältern der Regierung oder von sinkenden Subventionen abhängig ist, hat es immer schwerer, zurecht zu kommen, und versucht im Tourismussektor unterzukommen. So kommt es, dass ausgebildete Ingenieure und Ärzte als Taxifahrer, Straßenverkäufer und Fremdenführer arbeiten. Außerdem ist die Prostitution wieder auf dem Vormarsch, eine typische Geißel des vorrevolutionären Kuba.

Ohne Zweifel hat die amerikanische Wirtschaftsblockade Kubas Wirtschaftsprobleme vergrößert; die Aufhebung des Embargos könnte aber nur in der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Vorherrschaft der USA auf der Insel enden.

In einem der UNO unterbreiteten Dokument, das die Auswirkungen des Embargos verurteilt, schätzt die Castro-Regierung, dass ohne die Blockade 1,45 Millionen amerikanische Touristen im Jahr die Insel besuchen würden. Ebenso macht das Dokument deutlich, dass der Zuckerexport des Landes in die USA gehen und amerikanische Konzerne den Import der Insel dominieren würden.

Die Strategie Castros scheint also zunehmend darauf hinauszulaufen, Kuba in die Abhängigkeit von den USA zurückzuführen und dabei gleichzeitig die eigene Machtposition und die letzten Reste der durch die Revolution von 1959 errungenen Sozialreformen zu erhalten.

Die Bush-Regierung und ihre Stützen unter den fanatischen, kubanischen, Castro-feindlichen Exilanten in Florida sind gegen einen solchen Übergang; sie streben stattdessen den Sturz des Regimes und die Rückkehr der reaktionären politischen Elemente an, die die soziale Basis der vor über vier Jahrzehnten gestürzten Batista-Diktatur gebildet hatten.

Siehe auch:
Vierzig Jahre Castro - Die Sackgasse des kleinbürgerlichen Nationalismus
(5. Februar 1999)