Westliche Interventionen machen Somalia noch instabiler

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hat mehrere Berichte über die prekäre Lage von 3.500 bis 5.000 somalischen Flüchtlingen veröffentlicht, die in der Umgebung der Stadt Mandera im nordöstlichen Zipfel von Kenia in Zeltlagern hausen. Sie sind aus Bulo Hawa in der Gedo-Region im Südwesten Somalias geflüchtet, um den Kämpfen zwischen rivalisierenden somalischen Klans zu entgehen.

Somalia hat schon seit 1991 keine Zentralregierung und wird von Konflikten rivalisierender Warlords zerrüttet, doch die jüngste kriegerische Eskalation ist ein Ergebnis der wachsenden Einflussnahme der Westmächte, insbesondere der Vereinigten Staaten, seit den Terroranschlägen vom 11. September.

Die Kämpfe von April und Mai in der Gedo-Region im Südwesten von Somalia brachen zwischen den Truppen des Warlords dieser Region, Abdurisak Issak Bihi, und einer andern Fraktion aus, die mit dem Somalischen Wiederversöhnungs- und Wiederaufbaurat (SRRC) verbündet ist. Der SRRC ist eine lose Koalition aus südlichen somalischen Klanfraktionen und wurde mit Hilfe von Äthiopien im März 2001 gegründet. Er sieht sich selbst als Alternativregierung zur Nationalen Übergangsregierung (TNG) in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Bihi unterstützt die TNG.

Flüchtlinge, die Augenzeugen der Kämpfe geworden waren, berichteten in der BBC über eine direkte Einmischung äthiopischer Truppen in der Südregion. In einem weiteren Bericht sagte eine Gruppe somalischer Soldaten aus, sie seien von der äthiopischen Armee ausgebildet worden, um die TNG zu bekämpfen.

Den Kämpfen in der Gedo-Region gingen monatelange scharfe Spannungen zwischen Äthiopien und der TNG voraus. Die äthiopische Regierung behauptet, dass die islamisch-fundamentalistische Organisation Al-Itihaad Al-Islamija nach wie vor in Somalia aktiv sei und die TNG infiltriert habe. Die Bush-Regierung versucht seit langem, eine Verbindung zwischen Al-Itihaad und der Al-Qaida sowie Osama bin Laden nachzuweisen. Die Internetsite Stratfor.com berichtete am 10. Januar, dass die USA "Äthiopien ermutigt haben, an ihrer Stelle in Südsomalia einzugreifen, um terroristische Gruppen zu bekämpfen, die in Verbindung mit Al-Qaida stünden."

Während Äthiopien Operationen innerhalb Somalias bestreitet, bestätigt die wachsende Anzahl von Flüchtlingen, die nach Kenia fliehen, dass es seine Intervention in Wirklichkeit verstärkt hat. Das UNHCR berichtet, es habe dringende Appelle an die Regierung Kenias gerichtet, den Flüchtlingen zu erlauben, sich aus den Lagern um Mandera - auch als Border Point 1 bekannt - zu entfernen und eine sicherere Gegend innerhalb Kenias aufzusuchen. Das Lager liegt nur 500 Meter von der Grenze entfernt, wo die Länder Somalia, Kenia und Äthiopien aufeinandertreffen und die am heißesten umkämpfte Zone bilden.

Am 15. Mai wurden bei bewaffneten Zusammenstößen mindestens vier Flüchtlinge im Lager durch verirrte Kugeln getötet und sieben weitere verletzt. Seit dem 2. Juni sind 17 Menschen, fast alles Kinder, an Hunger und Krankheit im Lager gestorben. In einem UNHCR-Pressebericht heißt es: "Alle Flüchtlinge in der Nähe der Grenze zeigten sichtbare Anzeichen von Hunger und Unterernährung." Sanitäter vor Ort berichten, dass verseuchtes Wasser und Mangel an Lebensmitteln zahlreiche Fälle von Durchfall und Bindehautentzündung hervorgerufen haben.

Die kenianische Regierung hat somalische Einwanderer wiederholt beschuldigt, an der verschlechterten wirtschaftlichen Lage im Land schuld zu sein, und versucht, Fremdenfeindlichkeit gegen sie anzustacheln. Flüchtlinge, die letzten Monat das Mandera-Lager erreichten, wurden gezwungen, zurück nach Somalia zu fliehen. Laut einem BBC-Bericht vom 21. Mai sind bis zu 6.000 Flüchtlinge aus dem Lager nach Somalia zurückgekehrt, nachdem sie von der kenianischen Polizei bedroht, eingeschüchtert und zum Verschwinden aufgefordert worden waren.

Frühere westliche Bemühungen, in Somalia und am Horn von Afrika ein gewisses Maß an Stabilität herzustellen, haben sich auf Friedenskonferenzen beschränkt, die von der Organisation Inter Governmental Authority und Development (IGAD) organisiert wurden. Diese Kongresse wurden in Kenia abgehalten und bemühten sich um die Errichtung einer breiter basierten Regierung in Somalia. Eine solche Konferenz sollte im April stattfinden, aber Äthiopien und Djibouti weigerten sich, Vertreter zu schicken, und so wurde sie verschoben.

Die Interimsregierung TNG wurde im August 2000 nach monatelangen Gesprächen der Vereinten Nationen in Arta, Djibouti errichtet, nachdem zwölf vorangegangene Initiativen gescheitert waren. Sie hat außerhalb Mogadischus wenig Macht und kontrolliert nicht einmal die ganze Hauptstadt. Äthiopien weigerte sich, die TNG als legitime Regierung Somalias anzuerkennen, und reagierte verbittert auf die Intervention der früheren französischen Kolonie Djibouti, die seinen eigenen regionalen Ambitionen in die Quere kommt. Laut einem Bericht der International Crisis Group hat Äthiopien Somalia lange Zeit als "Sprungbrett für die arabische und islamische Vorherrschaft über das Horn von Afrika" betrachtet. Der somalische Botschafter, der die TNG bei der UN repräsentiert, hat zu Sanktionen gegen Äthiopien aufgerufen und dessen Regierung beschuldigt, sie versuche, ein "balkanisiertes Somalia mit kleinen Klanherrschaften, die es leichter kontrollieren kann", zu schaffen.

Äthiopien ist auch in der halb-autonomen Region von Puntland im Norden von Somalia aktiv. Es unterstützt Oberst Abdullahi Jusuf Ahmed, der mit Oberst Jama Ali Jama um die Präsidentschaft von Puntland im Clinch liegt. Der militärische Konflikt dieser zwei Milizenchefs, bei dem Jama von Djibouti und Libyen unterstützt wird, ist nicht beigelegt.

Im nördlichen Teil Somalias befindet sich auch die Republik Somaliland, das sich 1991 abgespalten hat, aber als unabhängiger Staat nie internationale Anerkennung gewinnen konnte. Es ist eng mit Äthiopien verbunden und opponiert gegen die TNG. Als diese Region noch unter den Kolonialmächten aufgeteilt war, war dies das britische Somaliland.

Laut Stratfor.com haben die USA einen Vertrag mit seinen Machthabern abgeschlossen, um den Hafen und die Luftlandebahn seiner Hauptstadt Berbera zu nutzen. Der Tiefseehafen gilt als einer der besten im Indischen Ozean und der Flughafen hat eine der längsten Startbahnen Nordafrikas.

Im Südwesten erklärte im April die von Äthiopien unterstützte Widerstandsarmee Rahanwein (RRA), sie habe eine neue autonome Region gegründet - den Südweststaat Somalia - mit ihrem Führer, Oberst Hassan Muhammad Nur Schatigadud als Präsidenten. Die RRA ist Teil der SRRC, obwohl es Konflikte zwischen ihr und anderen Klans über die Kontrolle der Regionen Bay und Bakool in Südzentralsomalia gibt. Im Dezember trafen sich amerikanische Sicherheitskräfte in der Stadt Baidoa mit der RRA, angeblich um im Kampf gegen Terrorismus zusammenzuarbeiten.

Djibouti ist zum größten Aufmarschgebiet deutscher Truppen seit dem zweiten Weltkrieg geworden, und an der Küste von Somalia patrouillieren zahlreiche Kriegsschiffe, die in Djibouti und Berbera vor Anker gehen. Um nicht übergangen zu werden, hat die TNG im April eine Spitzendelegation aus den USA nach Mogadischu eingeladen und sich außerdem für den Kampf gegen die terroristische Gefahr zur Verfügung gestellt.

In vielen Berichten wird die Rolle von Al-Itihaad in Somalia bestritten und ihr Einfluss auf die somalische Politik als minimal bezeichnet. Somalia-Experten haben darauf hingewiesen, dass äthiopische Truppen diese Organisation 1997 militärisch vernichtet hätten. Dennoch bestehen die USA und andere westliche Regierungen weiterhin auf einer möglichen Al-Qaida-Präsenz.

Siehe auch:
Bereiten die Vereinigten Staaten eine Invasion in Somalia vor?
(8. Dezember 2001)
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