Washingtons Vorwand für eine Invasion im Irak

Am 24. Juni bekräftigte Vizepräsident Richard Cheney vor einem republikanischen Publikum in Portland, Oregon, die Absicht der Bush-Regierung, einen Präventivschlag gegen den Irak unter dem Vorwand zu führen, den Einsatz von "Massenvernichtungswaffen" zu verhindern.

Er beschrieb angebliche Versuche der Regierung Saddam Husseins, solche Waffen herzustellen, als eine "zunehmende Gefahr" und sagte, dass einem "Regime, das Amerika hasst, niemals erlaubt sein darf, Amerikaner mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen".

"Kriege werden nicht in der Defensive gewonnen," fügte Cheney hinzu, indem er an eine Rede Bushs Anfang des Monats in West Point anknüpfte, in der dieser eine globale Politik präventiver Aggression entwickelt hatte. "Wir müssen den Kampf in des Feindes Land tragen."

Die Bush-Regierung hat mit Unterstützung führender demokratischer Kongressabgeordneter einen Plan entwickelt, durch CIA-Aktionen den irakischen Präsidenten zu stürzen oder zu ermorden und so einen "Regimewechsel" herbeizuführen. Wie die Washington Post kürzlich berichtete, plant sie den "möglichen Einsatz von Gruppen der CIA und der Special Forces, ähnlich denen, die nach den Terrorangriffen vom 11. September erfolgreich in Afghanistan aktiv waren. Solche Gruppen wären autorisiert, Hussein in Selbstverteidigung zu töten."

Der Plan sieht vor, irakische Oppositionsgruppen mit Geld, Waffen und Aufklärungsinformationen zu versorgen und sie auszubilden, sowie die Spionageaktivitäten gegen die irakische Regierung und das irakische Militär zu verstärken.

Es scheint, dass die Regierung die kriminellen und geächteten Methoden der CIA der 60er und 70er Jahre wiederaufleben lässt, als der Spionagedienst als eine Art "Mord AG" funktionierte. Damals war die CIA berüchtigt wegen ihrer erfolgreichen Mordanschläge auf den kongolesischen Premierminister Patrice Lumumba, auf den chilenischen Präsidenten Salvador Allende, den Präsidenten der Dominikanischen Republik, Rafael Trujillo, auf Che Guevara, sowie wegen zahlloser fehlgeschlagener Attentate auf den kubanischen Präsidenten Fidel Castro.

Nachdem eine Untersuchungskommission des Senats die kriminellen Aktivitäten 1976 aufgedeckt hatte, erließ der damalige Präsident Gerald Ford einen Regierungserlass, der allen amerikanischen Behörden Mordanschläge untersagte. Seither hat jede Regierung Lippenbekenntnisse zu diesem Verbot abgelegt, auch wenn die Morde ohne Zweifel weitergingen.

Jetzt aber macht die Bush-Regierung keinerlei Anstalten mehr, ihre Absichten zu verheimlichen. Es wäre verfehlt, den Plan zum Sturz des irakischen Regimes eine verdeckte Operation zu nennen, hat die Regierung doch selbst dafür gesorgt, dass die Details dieser Operation groß auf der ersten Seite der Washington Post und anderer nationaler Tageszeitungen erscheinen.

CIA Direktor George Tenet hat die Regierung mehrfach gewarnt, dass die Erfolgschancen einer CIA-Operation gegen Hussein höchstens 20 bis 30 Prozent betragen. Einige Regierungsvertreter haben inoffiziell eingeräumt, dass der "verdeckte" Krieg lediglich das Vorspiel für eine US-Invasion wäre, an der sich eine viertel Million amerikanischer Truppen beteiligen würde.

Das Ziel eines Angriffs auf den Irak wäre nicht die Beseitigung biologischer, chemischer oder nuklearer Waffenprogramme, sondern die Stärkung der Kontrolle Washingtons über die Ölfelder des Persischen Golfs.

Die Bush-Regierung weiß sehr wohl, dass alle Waffenprogramme des Irak aus der Zeit vor dem Golfkrieg von 1991 aufgegeben wurden, nachdem die Infrastruktur des Landes durch umfangreiche Bombardierungen zerstört worden war. Die Zerstörung erstreckte sich nicht nur auf militärische Ziele, sondern auch auf die Elektrizitätsversorgung, die Wasseraufbereitung und das Gesundheitswesen, was enorme Opfer unter der Bevölkerung forderte. Einige Schätzungen besagen, dass die Zahl der Todesopfer infolge von Krankheiten und Unterernährung, die direkt auf den Krieg der USA zurückzuführen ist, über 1,5 Millionen beträgt - die meisten davon irakische Kinder.

Ende 1998 wies der Irak die Waffeninspektoren der UNO aus, nachdem die Provokationen eskaliert waren und sich das Inspektionsteam immer deutlicher als ein trojanisches Pferd der USA für den Sturz der Regierung Husseins entpuppt hatte.

Kein neues UNSCOM

Gegenwärtig verhandeln Vertreter der Vereinten Nationen mit Bagdad über ein Abkommen zur Wiederaufnahme der Inspektionen. Der irakische Außenminister und der UNO-Generalsekretär wollen sich Anfang Juli zu einer dritten Verhandlungsrunde über die Rückkehr der Inspekteure treffen.

Die Bush-Regierung ist entschlossen, eine solche Vereinbarung zu blockieren und jede multinationale Operation zu verhindern, die ihre unbegründete Behauptung einer Bedrohung durch den Irak in Frage stellen könnte. Das ist der wichtigste Grund, warum man Details der Pläne für einen verdeckten Krieg und die Ermordung des irakischen Präsidenten durchsickern lässt, so die Meinung eines Experten, der mit den hinterhältigen Plänen der USA in der Region bestens vertraut ist.

Scott Ritter, ein ehemaliger amerikanischer Marinesoldat, führte das UNSCOM-Team im Irak an. Er hat bezeugt, dass zu dem Zeitpunkt, als UNSCOM 1998 vom Irak ausgewiesen wurde, Iraks Waffenprogramme zerstört gewesen seien und das Land praktisch entwaffnet war. Er hat auch enthüllt, das UNSCOM als Instrument für Provokationen diente, um den Vorwand für weitergehende Interventionen der USA zu liefern.

In einer Kolumne, welche die Los Angeles Times Anfang des Monats veröffentlichte, behauptet Ritter, dass der Plan, Hussein zu ermorden und verdeckte Gruppen der CIA und Special Forces im Irak einzusetzen, absichtlich den Medien zugespielt wurde, um die Wiederaufnahme der Waffeninspektionen zu verhindern. Er bestätigte auch den Verdacht der Iraker, dass das Inspektionsteam durch die US-Spionage missbraucht wurde.

"Ich erinnere mich aus meiner Zeit im Irak an Dutzende gut durchtrainierter ‚Raketenexperten' und ‚Logistikspezialisten', die sich in meinem Inspektionsteam und auch in anderen herumtrieben," schreibt er. Diese "Experten" seien aus amerikanischen Einheiten wie der Delta Force oder aus paramilitärischen CIA-Einsatzgruppen, wie der Abteilung für Sondereinsätze, rekrutiert worden. Mit anderen Worten, es handelte sich um ausgebildete Killer.

Ritter zufolge hatte die irakische Regierung schon lange den Verdacht, dass die Inspektionen "nichts anderes waren, als ein aufwendiger Versuch, ihren Führer zu eliminieren". Nach dem Bekanntwerden des "geheimen" Aktionsplans der Bush-Regierung würden, so fügte er hinzu, "die Iraker nie wieder einem Inspektionsplan zustimmen, der sich schon einmal als Vehikel für die Infiltration und Manipulation des Irak durch Geheimdienste erwiesen hat.... Das tatsächliche Ziel des angeblichen Aktionsplans der CIA ist vielleicht gar nicht Hussein, sondern das Waffeninspektionsprogramm selbst."

Ein Schlüsselelement in der Vorbereitung eines Kriegs gegen den Irak, der unter dem Vorwand geführt werden soll, die von Massenvernichtungswaffen ausgehenden Gefahren zu beseitigen, ist die Verhinderung von UN-Inspektionen, aus denen hervorgehen könnte, dass weder solche Gefahren noch solche Waffen überhaupt existieren.

Washingtons eigene "Massenvernichtungswaffen"

Demgegenüber gibt es viele Gründe für die Annahme, dass Washington seine eigenen "Massenvernichtungswaffen" entwickelt, darunter biologische Waffen, die eine direkte Bedrohung für die Bevölkerung der USA darstellen.

Die Befürworter eines Kriegs gegen den Irak in der Bush-Regierung stürzten sich letztes Jahr als erste auf die Milzbrandanschläge und versuchten eine Verbindung zum Irak herzustellen. Diese Unterstellung fiel rasch in sich zusammen, weil alle Hinweise auf eine inländische Quelle der Anschläge hindeuteten, in erster Linie auf einen rechten Wissenschaftler mit Verbindungen zu Washingtons eigenem Biowaffenprogramm.

Mehr als neun Monate, nachdem per Post an demokratische Politiker und an Medien geschickte Milzbrandbriefe fünf Menschenleben, zwei von ihnen Postbedienstete, gefordert hatten, behauptet das FBI, immer noch keinen Hauptverdächtigen gefunden zu haben. Der Verband amerikanischer Wissenschaftler, der eine gründliche Untersuchung der Milzbrandfälle vornahm, kam zu dem Schluss, dass nicht mehr als zehn mögliche Verdächtige in den USA die erforderlichen Fähigkeiten, den Zugang zu den in Frage kommenden Milzbrandstämmen, die Kenntnis der notwendigen Verbreitungsmethoden und den notwendigen Impfschutz gegen ihre Auswirkung hätten, um diese Anschläge durchführen zu können.

Der Verdächtige soll noch als Wissenschaftler beim US Medical Research Institute of Infectious Deseases (USAMRIID) in Fort Detrick, Maryland, beschäftigt, oder bis vor kurzem beschäftigt gewesen sein.

Mit der Untersuchung vertraute Personen haben die Vermutung geäußert, dass das FBI es ablehnt, eine Verhaftung durchzuführen, weil die Person, die die Anschläge ausgeführt hat, zu viel über Washingtons eigene geheimen Biowaffenprogramme wissen könnte.

Es gibt eine weitere noch bedrohlichere Möglichkeit - dass die Milzbrandattentate von Elementen im Regierungsapparat ausgeführt wurden, um die Bevölkerung so weit einzuschüchtern, dass sie den "Krieg gegen den Terrorismus" ohne weitere Fragen unterstützt.

Der frühere, inzwischen im Ruhestand befindliche Kommandeur des USAMRIID Programms, Oberst David Franz, kommentierte im April die Ergebnisse der Milzbrandattentate mit einiger Befriedigung: "Ich denke, sie haben eine Menge Gutes bewirkt. Vom biologischen oder medizinischen Standpunkt sind zwar fünf Menschen tot, aber wir haben 6 Mrd. Dollar für unser Budget gegen den Bioterrorismus ergattert."

Barbara Hatch Rosenberg, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Biowaffen der Vereinigung amerikanischer Wissenschaftler, hält in einer Erklärung am 19. Juni zu der Untersuchung ein Verschleierungsmanöver für möglich. "Entweder," schriebt sie, "steht das FBI unter dem Druck des Verteidigungsministeriums oder der CIA, weil der Verdächtige zu viel weiß und unter Kontrolle gehalten werden muss, falls er festgenommen wird; (ist es für das Wohl des Landes wirklich wichtiger, geheim zu halten, was er weiß, als der Gerechtigkeit genüge zu tun?); oder das FBI sympathisiert mit den Ansichten der Clique in der Biowaffenverteidigung; oder das FBI ist tatsächlich so inkompetent, wie es den Anschein hat."

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