Die Kongresswahlen in den USA und das Debakel der Demokratischen Partei

Der Erfolg der Republikaner bei den Kongresswahlen vom 5. November leitet eine enorme Verschärfung der sozialen und politischen Krise in den USA ein. Die Darstellung der Medien, das Wahlergebnis sei eine Bestätigung für George W. Bush und Ausdruck der Unterstützung seiner Politik in der Bevölkerung, ist nichts als Propaganda.

Schon der Ausdruck, die Republikaner hätten den "Wahlkampf" gewonnen, ist an sich irreführend, denn die Partei, die dem Namen nach die Opposition darstellt, hat überhaupt keinen ernsthaften Wahlkampf geführt.

Es war ein politisches Debakel für die Demokraten. Sie verloren auf allen Ebenen: Sie büßten ihre Mehrheit im Senat ein, sie verloren Sitze im Repräsentantenhaus und sie unterlagen in den meisten Gouverneurswahlen, die zeitgleich in einer Reihe Bundesstaaten abgehalten wurden. Die Republikanische Partei stellt jetzt nicht nur den Präsidenten, sondern verfügt auch zum ersten Mal seit der Wahl von Dwight Eisenhower (1952) in beiden Kammern des Kongresses - Senat und Repräsentantenhaus - über die Mehrheit. Nimmt man den Obersten Gerichtshof als dritte Hochburg der Rechten hinzu, dann beherrschen jetzt die Republikaner zum ersten Mal seit der Regierung Hoover, die in den dreißiger Jahren amtierte, alle drei Säulen der Staatsmacht - Exekutive, Legislative und Judikative.

Die Bush-Regierung hat keine Illusionen über die tatsächliche Unterstützung für ihre Politik in der Bevölkerung. Sie wird sich aber den Zusammenbruch jeglicher Opposition innerhalb des politischen Establishments zunutze machen, um die Arbeiterklasse stärker anzugreifen als jemals zuvor.

Nachdem Senat und Repräsentantenhaus grünes Licht gegeben haben, wird allgemein damit gerechnet, dass das Weiße Haus in den nächsten Monaten den Krieg gegen den Irak beginnt, der für die Bevölkerung im Nahen Osten, in Amerika und auf der ganzen Welt unabsehbare Folgen haben wird.

Schon geraume Zeit vor dem Einmarsch dürften sich die innenpolitischen Auswirkungen der Kriegsvorbereitungen bemerkbar machen. Der Kongress wird zusammentreten und, da die Republikaner ohnehin in beiden Häusern die Mehrheit haben, ohne weitere Debatten die Mittelzuteilungen für sämtliche staatlichen Vorhaben und Dienstleistungen absegnen. Da die Militärausgaben stark ansteigen, während die Steuereinnahmen aufgrund der Rezession und der Börsenflaute sinken, sieht die Bush-Regierung deutliche Einschnitte bei den Sozialausgaben vor. Dies ist allerdings nur das Vorgeplänkel für massive Kürzungen, die anstehen, sobald sich die Kosten des Kriegs am Persischen Golf - und anderswo - wirklich bemerkbar machen.

Die erste Aufgabe des neuen, flügellahmen Kongresses wird darin bestehen, das Gesetz zur Schaffung des Ministeriums für Heimatschutz zu verabschieden. Bisher war es blockiert worden, weil die Demokraten Bushs Ansinnen widersprochen hatten, den Mitarbeitern des neuen Ministeriums die üblichen Schutzbestimmungen für Staatsangestellte und das Recht auf gewerkschaftliche Tarifverhandlungen vorzuenthalten. Nun allerdings wird der Kongress das Gesetz umgehend absegnen und damit festschreiben, dass bestimmte Arbeiter und Angestellte in den USA im Namen des "Kriegs gegen den Terrorismus" auf ihre demokratischen Rechte verzichten müssen.

Im Grunde stand das Ergebnis der Wahlen am 5. November schon vor Wochen fest, nachdem die Führung der Demokraten im Kongress entschieden hatte, Bush weitreichende Vollmachten für den Krieg gegen den Irak zu erteilen. Schließlich kann keine Partei einen ernsthaften Wahlkampf gegen eine Regierung führen, deren Autorität sie soeben durch ein politisches Vertrauensvotum gestärkt hat.

Bushs Berater entschieden, die Kampagne der Republikaner als Referendum über die Kriegspolitik der Regierung darzustellen, und die Demokraten fügten sich kleinlaut. Das war nicht einfach ein wahltaktischer Fehler. Es war eine vernichtende Selbstentblößung.

Die Demokraten begründeten ihre Unterstützung für einen imperialistischen Angriffskrieg mit der Behauptung, alles andere wäre politischer Selbstmord. Wenn erst die Kriegsfrage aus dem Weg wäre, dann könnten sie sich auf die Opposition gegen Bushs Innenpolitik konzentrieren. Mit dieser Argumentation setzten sie sich einfach über die Ergebnisse zahlreicher Meinungsfragen hinweg, aus denen hervorging, dass immer größere Teile der Bevölkerung den Krieg mit Sorge betrachteten und die Unterstützung für Bushs Militarismus sank.

In Wirklichkeit stellten sich die Demokraten, indem sie den Krieg unterstützten, hinter die gesamte Regierungspolitik. Man kann Bushs raubgierige Außenpolitik nicht von seiner inneren Politik der Unterdrückung und sozialen Reaktion trennen. Beide dienen nicht der Bevölkerung, sondern den Interessen der Konzern- und Finanzoligarchie in Amerika.

Am Ende waren die Demokraten weder willens noch fähig, auch nur eine ernsthafte Maßnahme vorzuschlagen, um die wachsende Arbeitslosigkeit oder die zunehmende Krise in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung oder Wohnungsbau zu bekämpfen. Sie wagten es nicht, Bushs Steuergeschenken an die Reichen, seinen Angriffen auf Sozialleistungen oder seinem Rekordhaushalt für das Militär entgegenzutreten. Sie kapitulierten auf der ganzen Linie.

Der Zusammenbruch der Demokraten tritt noch deutlicher hervor, wenn man seine Umstände genauer betrachtet. Die Regierung der Republikaner gilt weithin als illegitim, da sie ihre Macht der Fälschung von Wahlergebnissen und einer Willkürentscheidung des Obersten Gerichtshofs verdankt. Überdies ist ihr Führungspersonal in Riesenskandale wegen der Bilanzfälschungen großer Konzerne verstrickt.

Doch im Gegensatz zu den Jahren 1998 und 2000 erreichten die Demokraten keine nennenswerte Mobilisierung in den Wahlkreisen, in denen vorwiegend Angehörige von Minderheiten oder Arbeiter wohnen, obwohl sie dort früher immer ihr größtes Wählerpotenzial hatten. Die Demokraten lieferten den unterdrückten Schichten der Bevölkerung keinen einzigen Grund, sie zu unterstützen.

Hier liegt der wirkliche Grund für den Sieg der Republikaner, nicht in Massenunterstützung für Bush und sein rechtes Programm. Das von den Medien gezeichnete Bild einer Bevölkerung, die in Kriegszeiten begeistert ihrem Führer folgt, ist absurd. Die arbeitende Bevölkerung in Amerika hat nicht plötzlich und unvermittelt entschieden, dass sie sich nichts sehnlicher wünscht als Steuersenkungen für die Reichen, Vergünstigungen für die Wirtschaft, Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau.

Die Wahlen am 5. November sind ein Wendepunkt. Sie kündigen die Auflösung des amerikanischen Zweiparteiensystems an - eines Systems, das der Arbeiterklasse keine Möglichkeit bietet, ihre Interessen zum Ausdruck zu bringen. Die beiden Parteien, die Medien und die bestehende Wahlmaschinerie sind voll und ganz den engen und egoistischen Interessen einer kleinen, privilegierten Elite unterworfen. Die Entfremdung der Massen von diesem politischen System zeigt sich in der erbärmlich geringen Wahlbeteiligung - mit 38 oder 39 Prozent die zweitniedrigste der Geschichte.

Die Tatsache, dass die Republikaner sämtliche Hebel der Staatsmacht für sich beanspruchen können, obwohl allgemein eingestanden wird, dass die Wählerschaft beider Parteien gleich groß ist, bezeugt den undemokratischen Charakter eines politischen Systems, das nicht mehr funktionsfähig ist.

Das Debakel der Demokratischen Partei beendet die Periode, in der die sozialen Belange der Arbeiterklasse im Rahmen eines Systems vermittelt werden konnten, das ausschließlich aus den beiden kapitalistischen Parteien bestand. Die herrschende Elite in Amerika ist nicht mehr in der Lage, eine glaubwürdige Reformpartei aufrechtzuerhalten, die gleichzeitig den Interessen der Wirtschaft dient.

Millionen arbeitende Menschen verlieren ihre Illusionen in die Demokratische Partei, sehen aber noch keine Alternative.

Das gähnende politische Vakuum auf der Linken lässt die Republikaner wie Riesen erscheinen. Doch dieses Trugbild wird sich noch als Vorspiel zu einer gewaltigen sozialen und politischen Krise erweisen. Gerade weil das politische System der USA das wirkliche Empfinden der amerikanischen Bevölkerung nicht mehr zum Ausdruck bringen kann, werden sich ihr Unmut und ihre Enttäuschung in heftigen Erschütterungen Luft machen. Schwere soziale Kämpfe werden in den USA nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die Diskreditierung der traditionellen Reformpartei des amerikanischen Kapitalismus bedeutet, dass die wachsende soziale Krise die Arbeiterklasse auf den Weg eines unabhängigen politischen Kampfs drängt. Das muss man erkennen und zur Grundlage einer neuen politischen Strategie machen.

Nach dem 5. November führt kein Weg mehr zurück. Es ist Zeit, dass sich die amerikanische Arbeiterklasse der schwierigen Aufgabe zuwendet, ihre unabhängige politische Partei aufzubauen. Die Erfahrung mit der Demokratischen Partei zeigt, auf welcher programmatischen Grundlage eine solche Partei basieren muss. Sie beweist, dass es keine ernsthafte Opposition gegen politische Reaktion und Krieg geben kann, die sich nicht auf Opposition gegen das kapitalistische System stützt. Die Kongresswahlen haben in aller Deutlichkeit gezeigt, dass der Aufbau einer sozialistischen Massenpartei als Alternative zu den beiden Wirtschaftsparteien nicht länger hinausgeschoben werden kann.

Die Socialist Equality Party und die World Socialist Website arbeiten am Aufbau dieser Alternative. Unsere Leser und Anhänger in den USA und auf der ganzen Welt können darauf vertrauen, dass wir unsere Bemühungen um den Aufbau einer sozialistischen Massenpartei der Arbeiterklasse nun verstärken werden.

Siehe auch:
Die Bush-Harvard-Enron-Connection
(23. Oktober 2002)
Weshalb die Demokratische Partei Bushs Kriegspläne gegen den Irak unterstützt
( 17. Oktober 2002)
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - Januar/Februar 2003 enthalten.)
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