Britischer Außenminister nennt Öl als Kriegsgrund im Irak

Der britische Außenminister Jack Straw hat zugegeben, dass Öl für Großbritannien ein wichtiges Motiv darstellt, sich an einem Krieg der USA gegen den Irak zu beteiligen.

Straw äußerte sich vergangene Woche im Rahmen einer Zusammenkunft britischer Botschafter in London. Zur selben Zeit gab seine Regierung die Entsendung von Reservisten und einer Sondereinheit der Marine bekannt, die sich den amerikanischen Truppen am Golf anschließen sollen. Der Irak beherbergt die zweitgrößten Ölvorkommen der Welt.

Auf der zweitägigen Konferenz in London wurden die Ziele der britischen Außenpolitik für die kommenden zehn Jahre besprochen.

Strategische Priorität genießt dabei u. a. die "stärkere Sicherung der britischen und weltweiten Energieversorgung", wie Straw den gut 150 versammelten Diplomaten erläuterte. Weitere Ziele sind die Verringerung der terroristischen Bedrohung, die Einwanderungskontrolle, der Schutz der wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens und die Aufrechterhaltung eines "stabilen internationalen Systems, das sich auf die UN, die Herrschaft des Gesetzes und die multilaterale Zusammenarbeit stützt".

Nach außen hin führt die Regierung als Grund für ihre Konfrontation mit dem Irak die Befürchtung an, dass dieser "Massenvernichtungswaffen" besitze oder entwickeln wolle. An dieser Behauptung hält sie fest, obwohl die UN-Waffeninspektoren bei ihrer gründlichen Durchsuchung des ganzen Landes keine Beweise dafür gefunden haben.

Unter ihresgleichen geben Regierungsvertreter allerdings offen zu, dass Öl der wirkliche Grund ist. Der "Guardian" schrieb in seinem Bericht über das Botschaftertreffen: "Einige Minister und Staatsdiener des britischen Regierungsapparats sagen im privaten Gespräch, das Öl spiele in den Überlegungen eine wichtigere Rolle als Massenvernichtungswaffen. Diese Minister und Staatsdiener verweisen auf die Unzuverlässigkeit der gegenwärtigen Bezugsquellen für Öl - den Nahen Osten, den kaspischen Raum und Algerien - und auf die Notwendigkeit sicherer Alternativen."

Da die britische Ölförderung in der Nordsee zurückgeht, hält man nach künftigen Versorgungsmöglichkeiten Ausschau. Experten gehen davon aus, dass Großbritannien in 50 Jahren völlig von Energieimporten abhängig sein könnte. Andere Länder haben dasselbe Problem - Schätzungen zufolge muss der Ölbedarf Europas in dreißig Jahren zu 92 Prozent und der Gasbedarf zu 81 Prozent importiert werden.

Allerdings ist der Energiebedarf nicht der einzige Grund für die Sorgen des britischen Außenministeriums um die Ölversorgung.

Das Land oder die Länder, die sich die Kontrolle über diesen lebenswichtigen Rohstoff sichern, werden einen erheblichen Vorteil gegenüber ihren Rivalen auf Weltebene genießen. Das ist das Hauptmotiv für die Politik der USA im Nahen Osten. Durch die Besetzung des Irak und die Eroberung seiner Ölquellen hoffen die USA eine unangefochtene Vormachtstellung gegenüber Europa und Japan einzunehmen.

Dies hat die Regierung Blair zu dem Entschluss veranlasst, dass die Frage der Ölversorgung mit Waffengewalt gelöst werden muss. Im Jahr 1998 gab sie eine Studie zum Thema "Der künftige strategische Hintergrund der Verteidigungspolitik" in Auftrag. Darin sollten die wichtigsten Herausforderungen ermittelt werden, die Großbritannien in den nächsten Jahrzehnten erwarten, und die militärischen Mittel entsprechend zugeteilt werden.

Die Studie nannte die Ölversorgung als eines der wichtigsten Probleme, die "die grundlegenden Interessen oder die Sicherheit der westlichen Nationen" gefährden. Energievorkommen unter dem Meeresgrund, so warnte sie, "werden wahrscheinlich immer mehr zur Quelle internationaler Auseinandersetzungen und potenzieller Konflikte" und beinhalten "das Potenzial für einen aggressiven Konkurrenzkampf um Ressourcen" zwischen verschiedenen Nationen. Diese Tatsachen müsse die britische Verteidigungspolitik berücksichtigen, insbesondere, weil die Ölvorkommen "für die absehbare Zukunft am Golf konzentriert" bleiben würden.

Diese Überlegungen unterstreichen den wirklichen Grund, weshalb Premierminister Tony Blair sich mit seiner Regierung so fest an den Kriegskurs der USA gebunden hat, obwohl die Bevölkerung dagegen ist.

Blair strebt eine Art Tauschhandel mit den USA an. Als Gegenleistung dafür, dass es die Eroberung des Nahen Ostens seitens der USA unterstützt, soll das britische Kapital ein ansehnliches Stück vom Kuchen der irakischen Ölreserven erhalten.

Nichts anderes deutete der Premierminister während einer Rede an, die er vergangenen April in der George Bush Senior Presidential Library in Texas hielt: "Wer das Öl und Gas erschließt, welches die neuen potenziellen Versorgungsquellen sind, ist eine entscheidende strategische Frage", erklärte der Premierminister vor den versammelten Regierungsvertretern und Würdenträgern der USA.

Die USA und Großbritannien, sagte er weiter, hätten "die besten Energieunternehmen der Welt", doch müssten die beiden Länder eine kollektive Strategie schmieden, um zu gewährleisten, dass "Politik und Unternehmen zusammenarbeiten", um ihre Interessen zu schützen.

Ähnlich äußerte sich Lord Browne, der Vorstandsvorsitzende von British Petroleum, einem der größten Ölkonzerne der Welt. Die Bush-Regierung müsse dafür sorgen, dass nach der Eroberung des Irak durch die USA "ein gerechtes Auswahlverfahren für Ölunternehmen" geschaffen werde, drängte Browne vergangenen Oktober. Gerade war bekannt geworden, dass Vertreter der amerikanischen Ölindustrie in Washington geheime Treffen mit Führern der irakischen Opposition abgehalten hatten, um zu besprechen, wie nach dem Krieg die Ölförderung aufgeteilt werden soll.

Siehe auch:
Rot-grün schwenkt auf Kriegskurs ein
(10. Januar 2003)
Vor dem Krieg der USA gegen Irak: politische Aufgaben im Jahr 2003
( 7. Januar 2003)
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