75.000 demonstrieren in Amsterdam gegen den Krieg

Etwa 75.000 Menschen aus ganz Holland und den benachbarten Regionen versammelten sich am Samstag in der Amsterdamer Innenstadt, um sich den internationalen Protesten gegen einen Krieg im Irak anzuschließen. Die Masse der Demonstranten, die Menschen jedes Alters und verschiedener nationaler Herkunft umfasste, bekräftigte mit ihrem stundenlangen Protestmarsch, dass die überwältigende Mehrheit der Holländer einen Krieg im Irak strikt ablehnt: Nach jüngsten offiziellen Umfragen stehen 89 Prozent der niederländischen Bevölkerung in Opposition zum Kriegskurs der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeten.

Die Demonstration richtete sich auch gegen die Haltung der amtierenden niederländischen Regierung unter Jan-Peter Balkenende, die den aggressiven Kurs der Bush-Regierung unterstützt. Die Balkenende-Regierung hat unter anderem zugesagt, eigene Truppen an der türkischen Grenze zum Irak zu stationieren, und dem amerikanischen Militär neben der Nutzung ihrer Basen für die Kriegsführung erlaubt, in den Niederlanden Exil-Iraker auszubilden, die eine von den Vereinigten Staaten im Nachkriegs-Irak installierte Regierung stützen sollen.

Die Großdemonstration begann und endete mit Kundgebungen, die die "Platform tegen de nieuwe oorlog" (Plattform gegen den neuen Krieg), eine Sammelbewegung von 216 Gruppen und Parteien aus dem linken politischen Spektrum, organisiert hatte. Die Kundgebungen der Plattform waren dominiert von den Vertretern etablierter und staatstragender Parteien wie der Sozialistischen Partei (SP) und den holländischen und deutschen Grünen (GroenLinks und Bündnis 90/Die Grünen); zudem hatte man christlichen Sprechern und Kulturgruppen einen Platz im Programm eingeräumt.

In den Redebeiträgen wurde zwar unter dem Schlagwort "Kein Blut für Öl" wiederholt auf die Interessen der amerikanischen Wirtschaft und Ölindustrie hinter einem Krieg gegen den Irak und der geplanten Besetzung des Landes hingewiesen, doch die Sprecher waren auch bemüht, die Veranstaltung auf einen rein pazifistischen Protest gegen den Krieg zu beschränken, keine weiter gehenden politischen und sozialen Fragen zur internationalen Lage und der Situation in Holland aufkommen zu lassen und die Demonstration in einen Appell an die rechte Balkenende-Regierung zu verwandeln.

In Opposition gegen eine solche politische Orientierung griff die World Socialist Web Site in den Protest ein und trat für die unabhängige Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse gegen Krieg, Sozialabbau, die Beschneidung demokratischer Rechte und das kapitalistische System als Ganzes ein. Unterstützer der WSWS verteilten Tausende Flugblätter, verkauften marxistische Literatur und führten Diskussionen mit Teilnehmern der Demonstration.

Das Interesse an der Erklärung der WSWS zu den internationalen Massenprotesten gegen den Krieg mit dem Titel "Vor welchen Aufgaben steht die Bewegung gegen den Krieg?", die in Niederländisch, Englisch und Deutsch verteilt wurde, war so groß, dass den Verteilern die Flugblätter regelrecht aus der Hand gerissen wurden. Viele Demonstranten kannten bereits die World Socialist Web Site und verfolgen sie regelmäßig.

Anna, eine 43-jährige Krankenschwester, sagte gegenüber einer Reporterin der WSWS : "Es geht bei diesem Krieg nur um Öl, nicht um Menschenrechte oder Demokratie. Es gibt viele Diktatoren auf der Welt, für die sich niemand interessiert oder die von unseren Regierungen sogar unterstützt werden. Also, warum zieht Bush gegen Saddam Hussein in den Krieg? Weil er auf riesigen Ölvorräten sitzt... Die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung ist gegen diesen Krieg, aber es müssen noch viel mehr Menschen über diesem Krieg aufgeklärt werden und sich den Protesten anschließen."

Marijke, eine 56-jährige Tischlerin, sagte: "Dieser Krieg ist unmoralisch, so wie jeder Krieg, der für wirtschaftliche Interessen geführt wird. Die Regierung Balkenende unterstützt ihn, obwohl sie kein Recht dazu hat, denn 90 Prozent der Niederländer lehnen den Krieg vollständig ab. Ich bin mit meiner Freundin und Zehntausenden Menschen hier, um der Welt zu zeigen, dass die Regierung nicht in unserem Namen handelt."

Cecille, eine 28-jährige Studentin aus Amsterdam, erklärte: "Dieser Krieg wird nicht zum Wohl der irakischen Bevölkerung geführt. Man muss sich nur Afghanistan ansehen, um zu wissen, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten keine Kriege zum Wohl der Menschen führen. Die internationale Bewegung für Frieden wächst und wächst, und das gibt mir Hoffnung. Diese internationale Bewegung sollte sich auch anderen Fragen zuwenden, wie der nach Umweltschutz, Arbeitsrechten und demokratischen Werten."

Hassan, ein 52-jähriger Lehrer, sagte: "Ich komme aus dem Irak und lebe seit 25 Jahren in Holland. Natürlich ist Saddam Hussein ein Diktator und viele Iraker wollen ihn loswerden. Aber der Diktator Hussein ist ein Geschöpf der USA, sie haben ihn groß gemacht, seinen Krieg gegen den Iran unterstützt und ihm Massenvernichtungswaffen geliefert. Herr Rumsfeld war in den 1980-er Jahren selbst im Irak, um Saddam Hussein zu helfen.

Die Folgen des Golfkriegs von 1991 und der Wirtschaftssanktionen sind katastrophal und haben fast eine Million Iraker das Leben gekostet. Ein neuer Krieg wird das Leid vervielfachen. Die Bush-Regierung ignoriert, dass der Irak eine eigene Geschichte hat, dass wir starke politische und kulturelle Traditionen haben. Vielleicht finden sie jetzt einige oppositionelle Iraker, die verzweifelt genug sind, um Bushs Pläne zu unterstützen. Aber die irakische Bevölkerung wird eine Rekolonialisierung ihres Landes nicht dulden, sie wird sich schnell gegen die amerikanischen Besatzer und ihre Helfershelfer erheben."

(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - März/April 2003 enthalten.)
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