Die Partei für Soziale Gleichheit in der hessischen Landtagswahl

Sozialistisches Programm stößt auf reges Interesse

Die Partei für Soziale Gleichheit, die deutsche Sektion der Vierten Internationale, hat mit einer eigenen Landesliste an der hessischen Landtagswahl vom 2. Februar 2003 teilgenommen. Sie erhielt 1331 Stimmen, rund doppelt so viel wie bei der Bundestagswahl 1998, als die PSG in Hessen ebenfalls mit einer Landesliste antrat.

Wahlhelfer der PSG, die den Wahlaufruf "Nein zum Krieg! Für soziale Gleichheit" verteilten, stießen auf reges Interesse. Sie diskutierten in Frankfurt, Gießen, Rüsselsheim und anderen Städten, vor den Werkstoren von Opel und Hoechst, vor Arbeitsämtern, in Einkaufszentren und Schulen mit Arbeitern und Jugendlichen über Programm und Perspektiven der Vierten Internationale.

Zentrales Diskussionsthema war der drohende Krieg gegen den Irak. Die PSG machte deutlich, dass der Widerstand gegen den Krieg untrennbar mit der Verteidigung von demokratischen Rechten und sozialen Errungenschaften im Innern verbunden ist. Sie warnte davor, auf die rot-grüne Bundesregierung zu vertrauen, die mit ihren Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung den Weg für Rechte wie Roland Koch ebne. Nur die Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten auf der Grundlage eine internationalen sozialistischen Programms könne den Krieg verhindern.

Diese Perspektive stieß besonders bei Jugendlichen auf großes Interesse. Am Rande einer Antikriegsdemonstration in Gießen äußerten Schüler des Herder-Gymnasiums, die sich der Demonstration spontan angeschlossen hatten, ihre Zustimmung: "Eine internationale Partei, die den Menschen die Möglichkeit gibt, selbst aktiv zu werden, das ist nicht schlecht", sagte Jan W., Mitglied der Schülervertretung. "Dabei könnten die Interessen der Bevölkerung viel besser zum Ausdruck kommen. Die SPD vertritt nicht die Interessen der Bevölkerung."

Zwar überlegten einige der Schüler, ob man nicht doch die SPD unterstützen müsse, um Roland Koch zu bekämpfen - sie berichteten von den viel zu großen Schulklassen und der Vernachlässigung der großen Masse der Schüler bei gleichzeitiger Eliteförderung, wie sie in Hessen unter Koch zur Zeit betrieben wird. "Auch unsere Schule war früher eine Gesamtschule, die erst vor kurzem in Gymnasium und Haupt- und Realschule aufgeteilt wurde," berichteten die Schüler. Aber wirkliches Vertrauen, dass sich unter der SPD irgend etwas ändern würde, hatten sie nicht.

Jan sagte: "Schröder hat zum Glück erklärt, dass er gegen den Krieg sei. Es ist aber ziemlich klar, dass sie sich nicht wirklich raushalten können. Zum Beispiel werden jetzt Bundeswehrsoldaten zum Schutz der US-Kasernen abgestellt. Man tut so, als wäre man gegen den Krieg, aber in Wirklichkeit unterstützen sie ihn passiv." Felix vom SV-Vorstand erklärte: "Wir sind absolut gegen Krieg, im Irak und überall auf der Welt. An unserer Schule sind über achtzig Prozent dagegen, und wir werden die Frage jetzt in Sozialkunde diskutieren."

Henry und Faissal
Henry und Faissal
An einem Informationsstand in der Frankfurter Nordweststadt ließen sich zwei Freunde als ein "Beispiel für eine arabisch-amerikanische Freundschaft" fotografieren: Henry, der einen amerikanischen Pass hat, und sein Freund Faissal aus Marokko. "Der Krieg gegen den Irak ist ganz unnötig," sagte Henry, und Faissal fügte hinzu: "Dieser Krieg wird wohl auf jeden Fall stattfinden. Bush wartet doch nur darauf, loszuschlagen. Aber es wäre falsch, die ‚Amerikaner‘ schlechthin zu beschuldigen. Es sind längst nicht alle Amerikaner dafür, nur die Clique um Bush will den Krieg. Im Moment werden auch in den USA selbst viele Menschen angegriffen. Ich möchte nicht in den USA leben, da werden doch jetzt alle Araber pauschal verdächtigt und benachteiligt."

Auch vor den Werkstoren der Adam Opel AG in Rüsselsheim stieß die Wahlkampagne der PSG auf lebhaftes Interesse und Unterstützung. Fast alle Arbeiter nahmen den Handzettel mit, viele gaben ihrer Abscheu über den bevorstehenden Krieg Ausdruck. "Hier bei uns sind alle gegen den Krieg", sagte zum Beispiel ein türkischer Arbeiter. "Da werden im Kampf ums Öl Millionen Unschuldiger verheizt." Sein Kollege stimmte zu, dass die Arbeiter sich gegen den drohenden Krieg international zusammenschließen müssten. Er bedauerte, dass selbst in einem multinationalen Konzern wie GM, zu dem Opel gehört, kein Kontakt unter den Arbeitern bestehe: "Leider haben wir hier überhaupt keinen Kontakt zu Arbeitern von General Motors in Detroit," sagte er. "Die sind doch sicher auch nicht alle dafür."

Am Portal 45 der Opelwerke Rüsselsheim
Am Portal 45 der Opelwerke Rüsselsheim
Auf die Frage nach ihrer Meinung zur bevorstehenden Hessenwahl äußerten viele Arbeiter Unsicherheit, wen man überhaupt noch wählen könne. Einer sagte: "Die SPD wird in Hessen massiv verlieren. Ich selbst habe jahrelang SPD gewählt, aber diesmal wähle ich sie nicht mehr. Der Grund? Das Soziale und die hohe Arbeitslosigkeit. 27 Jahre arbeite ich jetzt schon bei Opel, habe nie gefehlt. Früher waren hier viel mehr Leute beschäftigt. Die SPD müsste sich schon was einfallen lassen, um die vielen Leute wieder in Brot und Arbeit zu bringen."

In Rüsselsheim waren Ende der siebziger Jahre über 43.000 Menschen bei Opel beschäftigt, heute sind es noch 20.000, davon 8.000 im Internationalen Technischen Entwicklungszentrum des Konzerns und 6.000 in einer neuen Produktionsanlage. Allein im vergangenen Jahr wurden erneut 1.600 Arbeitsplätze abgebaut.

Die soziale Misere kam besonders krass in den Berichten arbeitsloser Besucher des Frankfurter Arbeitsamtes zum Ausdruck. So bezeichnete sich ein arbeitsloser Busfahrer selbst als "politikverdrossen": "Mich könnte man einen Politikverdrossenen nennen," sagte er. "Mittlerweile fühle ich mich von jeder Partei verarscht. Die Arbeitsmarktpolitik der Regierung mit Ich-AG und Hartz-Kommission und was nicht alles - das ist doch alles Unsinn. Wenn der Arbeitsmarkt keine Arbeitsplätze hergibt, kann man sie auch so nicht herbeizaubern."

Er berichtete über seine Erfahrungen als Busfahrer. Die Stadt trete einige Busstrecken an Subunternehmer ab, die wesentlich schlechtere Löhne bezahlten. Er selbst habe zum Beispiel bei einem Subunternehmer für die städtischen Verkehrsbetriebe nur 8,50 Euro pro Stunde verdient, viel weniger als die städtischen Busfahrer bei genau gleicher Arbeit. Jetzt sei ihm vom Arbeitsamt ein Dreißig-Stunden-Job angeboten worden, von dem er seine Familie jedoch nicht ernähren könne. "Davon kann ich nicht leben, da bräuchte ich schon zwei solche Jobs, um auf mein Geld zu kommen," sagte er. "Dann müsste ich sechzig Stunden die Woche arbeiten."

Eine andere Arbeitslose, eine junge Frau aus der ehemaligen DDR, berichtete, sie sei als gelernte hauswirtschaftlich-technische Helferin aus Dresden nach Frankfurt abgeworben worden und habe in der Altenpflege schließlich einen Stundenlohn von zwei Euro neunzig verdient: "Dies kam so zustande, dass ich von Montag früh bis Sonntag sieben Tage die Woche im Einsatz war und dafür 1.600 Euro brutto erhielt. Davon musste ich nicht nur Steuern und Abgaben, sondern auch mein ganzes Fahrgeld plus die Unterkunft selbst bezahlen - Zimmer, Küche und Dusche gemeinsam mit anderen, für 15 Euro pro Tag. Da blieb netto für mich nichts mehr übrig."

Sie zeigte Interesse am Aufbau einer neuen, internationalen Arbeiterpartei, und sagte über die etablierten Politiker: "Sich selbst erhöhen sie die Diäten und uns armen Schluckern die Steuern. Auch die Preise und Lebenshaltungskosten werden immer teurer. Wir kleinen Arbeiter und Arbeitslosen, die sowieso schon kaum was haben, dürfen alles bezahlen."

"Es bräuchte eine gewaltige Steuerreform. Die Reichen müssten viel stärker besteuert werden," meinte Günter P., ein Aldi-Filialleiter und Familienvater dreier Kinder in Gießen. "Viele werden diesmal überhaupt nicht zur Wahl gehen. Das ist die Quittung für die Politik der letzten Jahre. Meine Frau kann zum Beispiel wegen der Kinder nicht arbeiten, und ich bin als Alleinverdiener der Familie vierzehn Stunden auf Achse. Man kennt die Kinder kaum noch. Wenn Koch die Wahl gewinnt, dann nicht weil ihn so viele unterstützen, sondern aus dem einfachen Grund, dass viele gar nicht mehr hingehen. Man fragt sich doch: Für was? Ich gehe davon aus, dass die SPD noch mehr verlieren wird. Aber wen soll man überhaupt noch wählen? Jeder der dran kommt, macht Politik in seine eigene Tasche - es ist im Grunde schade."

Der Spitzenkandidat der Partei für Soziale Gleichheit, Helmut Arens, hatte während der Wahlkampagne mehrmals Gelegenheit, im Fernsehen und Radio aufzutreten, das Programm der Vierten Internationale zu erklären und die Internet-Publikation der Vierten Internationale, die World Socialist Web Site, einem breiteren Publikum bekannt zu machen. So beantwortete er am 28. Januar Fragen eines Moderators des Wiesbadener Lokalsenders "Rheinwelle" nach Ziel und Inhalt der Kampagne. Am 30. Januar trat er in der sogenannten Außenseiterrunde des Hessischen Rundfunks auf.

Siehe auch:
Was verkörpert Roland Koch in der CDU?
(31. Januar 2003)
Wahlaufruf der Partei für Soziale Gleichheit zur Hessenwahl
( 20. Dezember 2002)
Die Partei für Soziale Gleichheit in der "Außenseiterrunde"
( 6. Februar 2003)
Weitere Artikel zur Hessenwahl 2003
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - März/April 2003 enthalten.)
Loading