Mannesmann-Vodafone-Fusion

Staatsanwälte erheben Anklage gegen Manager und IG-Metall-Chef Klaus Zwickel

Die Anklage der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen fünf Topmanager der deutschen Wirtschaft und den Gewerkschaftsführer Klaus Zwickel hat für beträchtlichen Wirbel in den Medien gesorgt.

Letzte Woche bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass es sich bei den sechs Angeklagten um folgende Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder des Mannesmann-Konzerns handelt: Den Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann, den Vorsitzenden der IG Metall Klaus Zwickel, den früheren Vorstandschef Klaus Esser, seinen Vorgänger Joachim Funk, den ehemaligen Gesamtbetriebsratschef Jürgen Ladberg, sowie den ehemaligen Personalvorstand Dieter Droste. Ihnen wird in einer 460-seitigen Anklageschrift schwere Untreue in mehren Fällen vorgeworfen, eine Straftat, die bis zehn Jahre Haft vorsieht.

Erstmals landet damit auch in Deutschland ein Paradefall aus der sogenannten "New Economy" vor Gericht. Die Übernahmeschlacht des Telekommunikationskonzerns Vodafone um den Mannesmann-Konzern hatte im Frühjahr 2000 wochenlang die Schlagzeilen beherrscht. Man einigte sich schließlich "friedlich". Vodafone schluckte Mannesmann für die Rekordsumme von 180 Milliarden Euro (bezahlt in eigenen Aktien).

Zuvor hatten sich hochrangige Manager und Aufsichtsräte von Mannesmann gegenseitig Abfindungen und Prämien in Millionenhöhe zugeschoben, was nun von der Staatsanwaltschaft als Untreue gewertet wird. Die Belegschaft musste dagegen den Preis für die Übernahme bezahlen. Die beschäftigungsintensiven Industriebereiche von Mannesmann wurden nämlich nach der Fusion liquidiert oder abgestoßen. Vodafone war nur an der Mobilfunksparte (D2) interessiert, in die der traditionsreiche Stahlkonzern einige Jahre zuvor eingestiegen war und die nun, dank des Booms am Neuen Markt, den größten Teil des Unternehmenswerts ausmachte.

Die Finanz- und Wirtschaftselite reagierte mit Empörung und Verachtung auf die zweijährigen Ermittlungen und die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Die Deutsche Bank ließ sofort verlauten: "Ein weiterer Sargnagel für den Standort Deutschland - wer ist denn noch bereit, ein Aufsichtsratsmandat anzunehmen, wenn er damit rechnen muss, dafür in den Knast zu wandern".

Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser rechtfertigte sich mit dem Argument, er habe schließlich dafür gesorgt, dass bei dem Übernahmepoker der Aktienwert des Unternehmens um über 100 Milliarden Euro angestiegen sei. Die 30 Millionen Euro, die er sich selbst genehmigte, seien daher völlig normal. Für Neid und Missgunst von Seiten schlecht bezahlter Ermittler habe er deswegen wenig Verständnis.

Der Chef der Deutschen Bank, Ackermann, äußerte der Presse gegenüber sein völliges Unverständnis über die scharfe Kritik an der Höhe der Bonuszahlungen. In seinem Heimatland, der Schweiz, und auch in anderen Ländern seien millionenhohe Gehälter und Prämien für Manager eine "Selbstverständlichkeit".

Die Ermittler ließen sich von diesen Argumenten wenig beeindrucken, und auch das Düsseldorfer Justizministerium, das die Anklage hätte stoppen können, gab den Staatsanwälten grünes Licht. Eine Intervention des Justizministers hätte zu sehr nach Kumpanei zwischen der regierenden SPD und ihren Freunden in den Chefetagen der Gewerkschaften und der Banken gerochen.

Politisches Interesse

Hinzu kommt, dass es ein politisches Interesse gibt, all zu offensichtlichen Auswüchsen des Spekulationsbooms der neunziger Jahre einen Riegel vorzuschieben. Die ungenierte und hemmungslose Bereicherung einiger Manager ist für die Regierungen in Bund und Ländern angesichts sinkender Einkommen, steigender Arbeitslosigkeit und drastischem Sozialabbau in höchstem Grade peinlich.

Angesichts der sozialen Schieflage fürchten Teile der herrschenden Elite eine breitere gesellschaftliche Bewegung, die den Kapitalismus als ganzen in Frage stellen könnte. Das Ausmaß der Antikriegsdemonstrationen vom 15. Februar hat derartige Sorgen sicherlich verstärkt. Zu diesen Bedenkenträgern gehören offensichtlich auch die Düsseldorfer Justizbehörden, die zur Auffassung gelangt sind, es sei jetzt an der Zeit, einigen allzu geldgierigen Spitzenmanagern auf die Finger zu klopfen. Ihr Bemühen, wenigsten den Schein von sozialer Gerechtigkeit zu bewahren, ist unverkennbar.

Politische Rückendeckung erhalten sie von Teilen der Medien und von vereinzelten Politikern aus SPD und CDU/CSU. So schrieb der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine kürzlich in seiner regelmäßigen Bild- Zeitungs-Kolumne: "Die Gehälter und Abfindungen in den Vorstandsetagen sind, wie das Beispiel Mannesmann zeigt, organisierte Kriminalität. Das sie noch mit sinkenden Spitzensteuersätzen belohnt wird, ist ein Skandal." Er verlangte, dass Millionenabfindungen verboten werden und Vorstandmitglieder großer Unternehmen jederzeit gefeuert werden können.

Selbst der CSU-Vorsitzende und bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber äußerte seine Bedenken gegenüber derart hohen Spitzengehältern und wies auf die Gefahr für die Akzeptanz der Marktwirtschaft hin.

Am rasanten Sozialabbau wird dies allerdings nichts ändern, ja in gewisser Hinsicht dient der Prozess gegen die Mannesmann-Verantwortlichen sogar als Feigenblatt für verschärfte Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung.

Auch die rot-grüne Bundesregierung hatte ihre Politik anfangs auf die trügerische Hoffnung gestützt, der Aktien- und Bereicherungsboom der neunziger Jahre möge möglichst lange anhalten. Dementsprechend begrüßten Kanzler Schröder und der damalige Ministerpräsident von NRW, Wolfgang Clement, die Mannesmann-Vodafone-Fusion und bedienten die Wirtschaft mit milliardenschweren Steuergeschenken.

Mit dieser kurzsichtigen, neoliberalen Politik haben SPD und Grüne kompletten Schiffbruch erlitten. Das Ergebnis sind fünf Millionen Arbeitslose, rasant steigende öffentliche Schulden und die Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme. Der Shareholder-Kapitalismus hat eine kleine Schicht von Superreichen geschaffen, und den Rest der Gesellschaft dafür bezahlen lassen.

Obwohl ein Großteil der Bevölkerung diese Zustände als unerträglich empfindet und daher die SPD bei den jüngsten Landes- und Kommunalwahlen in die Wüste schickte, reagiert die Bundesregierung mit verschärften Angriffen auf die sozial Schwachen auf die Zuspitzung der Krise.

Die Rolle der IG Metall

Besonders pikant an der Düsseldorfer Anlageschrift ist, dass auch der IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und sein Gewerkschaftskollege, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg mit einbezogen sind. Sie hatten im vierköpfigen Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten die exorbitanten Abfindungen und Bonuszahlungen - insgesamt sollen es über 250 Millionen Mark gewesen sein - an Manager und an längst pensionierte Vorstandsmitglieder mit abgenickt.

Die Staatsanwälte äußern sich in ihrer Anklageschrift fest davon überzeugt, dass ein Großteil der Finanz-Transaktionen, die in aller Eile noch vor der Übernahme stattfanden, "allein der Bereicherung der Begünstigten" dienten und damit "eine bewusste Schädigung des Gesellschaftsvermögens" darstellten. Den Beteuerungen von Mannesmann-Chef Esser, er habe die Prämien (insgesamt erhielt er 60 Millionen Mark) für seine Leistungen in Anspruch genommen, schenken die Ermittler wenig glauben. Sie werfen ihm und seinem Vorgänger Funk "Käuflichkeit" vor. Beiden hätten sich die "freundliche" Übernahme durch Vodafone vergolden lassen.

Doch nicht nur Esser und Funk, der 11,3 Millionen Mark kassierte, wurden fürstlich entlohnt. Laut einem Protokoll wurden "neben verschiedenen, nicht dem Vorstand angehörigen Herren" folgende Vorstandmitglieder beschenkt: "Dr. Kurt Jürgen Kinzius 3, 7 Mio DM, Peter Gerard 2,7 Mio DM, Albert Weismüller, 2,0 Millionen DM, Lars Berg 1.5 Mio DM". Achtzehn längst ausgeschiedene Vorstandsmitglieder erhielten über 61 Millionen Mark. Der Ausschuss rechnete einfach die ohnehin großzügigen Pensionen bis zur erwartenden Restlebenszeit hoch, und bezahlte diese Summe samt üppigen Aufschlägen im voraus.

Ohne das Einverständnis von Zwickel und Ladberg wäre diese Bereicherungsorgie nicht so einfach über die Bühne gegangen. Die Ermittler stellten auch fest, dass sich alle Beteiligten fest darauf verlassen hätten, dass alles geheim bleibe. Dies gelte besonders für Zwickel. Ausgerechnet Esser bestätigte den Ermittlern, dass es bei den Gewerkschaftsvertretern einen Unterschied zwischen der kämpferischen öffentlichen Darstellung und dem einsichtigen Verhalten im Aufsichtsrat gebe. Das sei seit fünfzig Jahren bestens gelaufen.

Ein Bezirksleiter der Gewerkschaft, der im Stern die Anklage gegen Klaus Zwickel kommentierte, gelangte zum selben Schluss: "Der Zwickel kriegt wegen dieser Sache schon deshalb keinen Ärger in der IG-Metall, weil wir alle Schmutz an den Händen haben... jeder von uns hat schon mal irgendwelche Schweinereien mitgetragen, um beim nächsten Mal selbst etwas durchsetzen zu können. So funktioniert das nun mal."

Unzählige Arbeiter und Angestellte erfahren dies täglich am eigenen Leib, wenn sie ihre Arbeitsplätze verlieren, ihre Löhne gesenkt und Sozialleistungen gekürzt werden. Die Gewerkschaften arbeiten dabei mit den Unternehmen und der rot-grünen Regierung Hand in Hand. Ab und an murren sie kurz auf, wie jetzt wieder beim Abbau des Kündigungsschutzes, nur um kurzer Zeit später Regierungs- und Wirtschaftsvertretern erneut ihre Unterwürfigkeit zu versichern.

Siehe auch:
Vodafone schluckt Mannesmann
(10. Februar 2000)
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel in Millionendeal bei Mannesmann verwickelt
( 25. August 2001)
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