10.000 demonstrieren in Berlin gegen Irakkrieg

Etwa 10.000 Menschen marschierten am 12. April von der Parteizentrale der CDU in Westberlin zu einer Abschlusskundgebung am zentral gelegenen Brandenburger Tor, um gegen den Irakkrieg zu demonstrieren.

Die Zahl der Teilnehmer war weitaus geringer als von den Organisatoren erwartet. Manche wurden sicherlich abgehalten durch voreingenommene Medienberichte über ein Ende des Kriegs und die amerikanischen Truppen begrüßende Iraker. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass die Organisatoren durch ihre Fehlorientierung und völlige Anpassung an die politische Linie der Regierung Verwirrung gestiftet hatten.

Das Flugblatt, mit dem die Veranstalter - Achse des Friedens - für die Demonstration mobilisiert hatten, erklärte, dass die deutsche Regierung die amerikanisch-britischen Militäroperationen wesentlich erleichtert hätte durch die Gewährung von Überflugrechten und der unbegrenzten Nutzung der US-Basen in Deutschland. Im gleichen Absatz hieß es jedoch, das Verhalten der deutschen Regierung habe dazu "beigetragen, die US-geführte ‚Koalition der Willigen‘ international zu isolieren". Keiner der Sprecher der Kundgebung, die verschiedenen Protestgruppen sowie der Kirche angehörten, konnte erklären, wie eine Regierung, die den Krieg gegen den Irak aktiv unterstützt, gleichzeitig die Verbündeten isolieren kann.

Statt die rot-grüne Regierungskoalition wegen ihrer Unterstützung des Kriegs der USA politisch zu kritisieren, leiteten die Veranstalter den Demonstrationszug an der CDU-Zentrale vorbei, damit die Demonstranten ihren Ärger an der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel auslassen konnten, die offen für die Position von Bush eintritt.

Auf einer kurzen Kundgebung vor der Demonstration übte ein Sprecher der 'Amerikaner in Berlin gegen den Krieg' ebenfalls Kritik an der CDU, ließ jedoch SPD und Grüne ungeschoren. Nach ihm sprach ein Vertreter von Pax Christi, der zu einer Schweigeminute für die Opfer der Angriffe aufrief, zu den Zielen des Krieges aber nichts sagen konnte.

Die Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor war von musikalischen Darbietungen geprägt. Gegen Ende der Kundgebung griffen Organisatoren zusammen mit der Polizei ein, um eine kleine Gruppe von Anarchisten, die Parolen gegen die Regierung riefen, zum Verlassen der Kundgebung zu zwingen.

Ralph gehörte zu den älteren Teilnehmern. Er war enttäuscht, dass so wenige gekommen waren und dass die Organisatoren die Komplizenschaft der deutschen Regierung nicht eindeutig verurteilt hatten:

"Ich habe Erinnerungen an einige Jahrzehnte des Nachkriegs-Berlin nach dem zweiten Weltkrieg. Für mich ist klar, dass wir es mit einem völlig anderen Amerika und einer anderen amerikanischen Regierung zu tun haben als zu der Zeit, in der ich aufwuchs. Ich will nicht sagen, dass es nur Altruismus war, doch Amerika hat Deutschland nach dem Krieg wirklich geholfen. Meine Generation schuldet Amerika viel und wir sollten das nicht vergessen, damit sich heute keine Form von Anti-Amerikanismsu breit machen kann.

Doch das Amerika von heute und die Regierung von George Bush sind etwas völlig anderes. Mir scheint, sie halten nichts von der Tradition des Miteinander und der Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn. Bush stützt sich vielmehr auf eine ganz andere Tradition - Aggressionskriege, Recht schaffen durch Macht, Verachtung für die Verbündeten. Wir kennen das aus der deutschen Geschichte und wissen, dass es zur Katastrophe führte.

Ich bin sehr enttäuscht von der deutschen Regierung. Fischer und Schröder sind verantwortlich dafür, dass bewaffnete B-52-Bomber über unsere Köpfe hinwegfliegen. Man stelle sich vor, es gibt ein technisches Versagen. Ich glaube nicht, dass die deutsche Regierung den Leuten hier oder in Amerika einen Gefallen tut, indem sie indirekt Schützenhilfe für den Krieg leistet. Es gibt bereits Hinweise darauf, dass Bush und seine Leute andere Länder schon im Visier haben."

Proteste in Mannheim und Ludwigshafen

Etwa 250 Menschen demonstrierten am 12. April im Stadtzentrum von Mannheim gegen den US-geführten Irakkrieg. Aufgerufen hatte das Friedensplenum Mannheim. Gleichzeitig demonstrierten in Ludwigshafen etwa 150 Personen. Beide Demonstrationen trafen sich später auf der Brücke, die beide Städte verbindet, und bildeten dort eine Menschenkette.

Der Sprecher der Mannheimer Schüler gegen Rechts, Sebastian Lorenz, wies die Kritik zurück, die Schüler seien politikverdrossen und würden nur demonstrieren, weil es gerade Mode sei: "Wir müssen dafür sorgen, dass diese Mode ein Dauerzustand wird." Er kritisierte auch, dass das Oberschulamt Baden-Württemberg Demonstrationen von Schülern verboten hatte.

Der Krieg im Irak würde "nicht Frieden und Freiheit (bringen), sondern Verwüstung und Zerstörung", sagte Lorenz. Er drückte die Stimmung vieler Teilnehmer aus, als er sagte: "Niemand weiß, was jetzt kommt. Ich habe keine Antwort darauf. Aber wir müssen weitermachen." Man müsse an die Politiker appellieren, nicht Bomben zu werfen, sondern Diplomatie und Geduld anzuwenden.

Eine Sprecherin von Attac Mannheim kritisierte die rot-grüne Regierung und wies darauf hin, dass der Krieg nach außen begleitet werde vom Krieg im Innern - dem Abbau des Sozialstaates. Sie wies den Gewerkschaften, die Streiks und Demonstrationen organisieren müssten, eine wichtige Rolle beim Widerstand gegen den Krieg zu. Sie ignorierte dabei die Tatsache, dass die Gewerkschaften praktisch nichts unternommen haben, um ihre Mitglieder gegen den Krieg zu mobilisieren.

Vertreter des WSWS verteilten das Flugblatt "Politische Lehren aus dem Irakkrieg" und diskutierten mit Teilnehmern der Kundgebung. Die vorherrschende Stimmung war Frustration und Ratlosigkeit, weil der Krieg trotz millionenfacher Proteste nicht verhindert werden konnte. Viele brachten den Mangel an einer politischen Perspektive zum Ausdruck, indem sie darauf beharrten, man müsse nun weiter Druck auf Politiker, Parteien und die UNO ausüben.

Demgegenüber betont die Erklärung des WSWS, zu den wichtigsten Lehren aus dem Irakkrieg gehöre es gerade, dass die etablierten Institutionen ihre völlige Unbrauchbarkeit für den Kampf gegen den Krieg bewiesen haben, und dass dazu eine internationale, sozialistisch orientierte Massenbewegung der Arbeiterklasse aufgebaut werden müsse.

Siehe auch:
Hunderttausende demonstrieren in Rom
(15. April 2003)
Protest in Kopenhagen gegen Bushs und Rasmussens Krieg im Irak
( 15. April 2003)
Kundgebung gegen den Krieg in Rotterdam
( 15. April 2003)
Weitere Berichte über die weltweiten Antikriegsdemonstrationen
Loading