54. Internationale Filmfestspiele Berlin - Teil 3

Das Erbe der sechziger Jahre: Filme von Fernando Solanas und Theo Angelopoulos

Die Sektion Retrospektive der diesjährigen Berliner Filmfestspiele widmete sich dem "Neuen amerikanischen Kino" der sechziger und siebziger Jahre. Viele Kommentare und Diskussionen, die die Filme begleiteten, hatten allerdings die Tendenz, diese Werke durch den relativ engen Blickwinkel des Filmemachers (oder Kritikers) zu betrachten.

Typisch in dieser Hinsicht ist der Film Easy Riders, Raging Bulls: How the Sex, Drugs and Rock 'N' Roll Generation Saved Hollywood (Regie: Kenneth Bowser). Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, der auf einem gleichnamigen Buch basiert; liebevoll blickt er auf das "Neue amerikanische Kino" als eine Art Goldenes Zeitalter zurück. Politische und gesellschaftliche Entwicklungen tauchen allerdings in seinen Recherchen nur als Randerscheinungen auf.

Zweifellos machte die US-Filmindustrie in den sechziger Jahren eine Phase der Verwandlung und der Krise durch. Aber das Auftreten einer neuen Generation von Filmemachern kann nicht einfach auf die Krise des Studiosystems in Hollywood, auf bewusstseinserweiternde Drogen oder den inspirierenden Einfluss des europäischen Neue-Welle-Kinos auf amerikanische Regisseure reduziert werden.

Die sechziger Jahre waren eine Zeit der politischen Umwälzung auf beiden Seiten des Atlantiks, als die kapitalistischen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ihre erste große Krise nach dem Zweiten Weltkrieg durchlebten. Vielen Regisseuren, sowohl US-amerikanischen als auch europäischen, bot das Kino ein Medium, das ihnen half, die bestehenden Werte und Institutionen in Frage zu stellen und den Prozess der politischen Veränderung zu bewältigen. Die neuesten Arbeiten einer Reihe alt-gedienter Regisseure auf dem Berliner Festival zeigten diese Beziehung zwischen politischem Engagement und Kino und machten gleichzeitig einige der Schwächen des Kinos der 60er Jahre deutlich.

Geschichte einer Plünderung von Fernando Solanas

Der langjährige argentinische Regisseur Fernando Solanas erhielt in Berlin für sein filmisches Lebenswerk den Goldenen Ehrenbären. Bemerkenswerterweise war der Hauptredner während der Verleihungszeremonie der deutsche Außenminister und Vorsitzende der Grünen Partei, Joschka Fischer, der erklärte, er habe auf persönliche Bitte von Solanas hin zugestimmt, an der Preisverleihung teilzunehmen. Fischer, der selbst oft Menschenrechtsfragen auf zynische Weise benutzt, um politische Vorteile zu erzielen, rühmte Solanas für seine Verdienste um die Menschenrechte und den südamerikanischen Film.

Aus seinen Tagen als radikaler Student in Deutschland erinnert sich Fischer zweifellos an den Film, mit dem Solanas international bekannt wurde: sein erstes Werk La Hora de los hornos (Die Stunde der Hochöfen, 1966-1967). Solanas politischer Dokumentarfilm untersuchte die damalige argentinische Gesellschaft, indem er auf dynamische Weise Szenen der krassen Gegensätze der argentinischen Gesellschaft mit Titel und Textbrocken kombinierte, z.B. mit Zitaten von Soziologen und Philosophen wie Franz Fanon und Jean-Paul Sartre, die damals in radikalen Kreisen kursierten.

Auf ultra-radikale und geschmacklose Weise schwelgt der Film in einer Art von hysterischer Schilderung der Klassenbeziehungen, die typisch war für einen Großteil der anarchistisch und maoistisch beeinflussten Agit-Prop-Filme. Die Stunde der Hochöfen zeigt Szenen mit den Söhnen und Töchtern der argentinischen Bourgeoisie mit Beatles-Frisuren, die sich auf einer Party amüsieren und sich die letzten Hits der Popmusik anhören. Die nächste Einstellung zeigt Szenen aus einem Schlachthof - Bullen, mit durchschnittener Kehle, Blut, das in Strömen an den Wänden und auf dem Boden herunterfließt. Die Szenenfolge deutet darauf hin, dass Solanas einen Schlachthof als angemessenen Bestimmungsort für die Nachkommen der argentinischen herrschenden Klasse betrachtete.

Da er während der Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) nicht mehr in Argentinien arbeiten konnte, suchte er Zuflucht in Frankreich und kehrte erst 1984 in sein Heimatland zurück. Aufgrund seiner Filmproduktionen und weil er die politische Korruption während der Amtszeit von Carlos Menem aufs Korn nahm (1989-1999), wurde Solanas 1991 Opfer eines politischen Mordanschlags, bei dem er schwer verwundet wurde; sechs Kugeln trafen sein Bein. Die Verantwortlichen wurden nie vor Gericht gestellt. In den neunziger Jahren ging Solanas selbst in die Politik und war maßgeblich an der Gründung der zentristischen Partei "Frente del Sur" beteiligt, die er zwischen 1993 und 1997 im Parlament vertrat.

In vieler Hinsicht erinnert Solanas neuer Film Geschichte einer Plünderung (Memoria Del Saqueo) an seine früheren Werke. In Geschichte einer Plünderung setzt Solana wieder dynamische Titel ein, aber glücklicherweise verzichtet er auf viele der radikalen, polemischen Exzesse aus Die Stunde der Hochöfen. Bemerkenswert ist, dass Solanas in seiner Darlegung der katastrophalen Auswirkungen des Neo-Liberalismus auf die argentinische Wirtschaft jetzt als Insider prominente Wirtschaftsexperten und politische Persönlichkeiten interviewen kann.

Geschichte einer Plünderung ist eine durchdringende Anklage gegen die Wirtschaftspolitik der argentinischen Regierung seit dem Sturz der Militärdiktatur. Wie Solanas aufzeigt, sterben heute in Argentinien jedes Jahr 35.000 Menschen an den Folgen von Hunger, genau so viele, wie während der gesamten achtjährigen Herrschaft des Militärs ermordet wurden. Trotzdem weist die Geschichte einer Plünderung deutliche Schwächen auf.

Zu Beginn des Films wird das wirtschaftliche und politische Chaos vom Dezember 2001 dargestellt. Als Folge von Massendemonstrationen, bei denen Zehntausende auf die Straße gingen und mit Töpfen- und Pfannenschlagen ihren Protest zum Ausdruck brachten, wurde Präsident Fernando de la Rúa zum Rücktritt gezwungen. 37 Menschen starben während der Unruhen. Der Zusammenbruch des Bankensystems im Dezember 2001 war die direkte Folge der Politik der Regierung von Carlos Menem, der auf einer Welle von Populismus und aufgrund von Versprechungen an die Macht kam, den verarmten Massen Arbeit und Wohlstand zu verschaffen. Innerhalb weniger Wochen nach seiner Wahl hatte Menem eine Koalition aus Vertretern des argentinischen Finanzkapitals und der Großindustrie zusammengestellt, die sich daran machte, die argentinische Wirtschaft auszuplündern.

Solanas zeigt diesen Prozess in allen Einzelheiten, aber als Menems wichtigstes Verbrechen bezeichnet er den Verrat am Peronismus - diesem reaktionären und nationalistischen Programm, das die argentinische Politik während der Nachkriegszeit dominierte. Geschichte einer Plünderung zeigt sich dem Peronismus gegenüber unkritisch und schweigt auch über die Mithilfe, die die argentinische Kommunistische Partei und zentristische Organisationen geleistet haben, um Menem den Weg an die Macht zu ebnen.

In einem Interview mit dem Spiegel drückte Solanas erwartungsgemäß, aber auch mit einem Unterton von Verzweiflung, seine Hoffnung auf eine positive Veränderung des Landes nach der Wahl von Nestor Kirchner aus, einem Mann, der die Unterstützung des früheren Präsidenten Eduardo Duhalde und dessen mächtiger politischer Maschinerie des Peronismus in Buenos Aires genießt.

In Presseverlautbarungen zu seinem Film wiederholt Solanas auch die Grundidee von Attac, der Antiglobalisierungs-Bewegung, und äußert die Hoffnung, dass angesichts der "entmenschlichten Globalisierung eine andere Welt möglich ist". Solanas Beharren auf der Anwesenheit von Joschka Fischer bei seiner Preisverleihung lässt darauf schließen, dass seine eigene Version einer Allianz gegen neoliberalistische Wirtschaftspolitik breit genug ist, den deutschen Außenminister (und vielleicht sogar Nestor Kirchner) mit einzuschließen.

Dass Solanas in Berlin zusammen mit Fischer auf einer Bühne stand, ist kein Zufall. In ihren jeweiligen Metiers sind sie einen ähnlichen Weg gegangen - von heißblütigen Radikalen in den Sechzigern zu Vermittlern bürgerlicher politischer Interessen im einundzwanzigsten Jahrhundert. Eine ehrliche Bewertung des Erbes des peronistischen Nationalismus und des stalinistisch beeinflussten Radikalismus bleibt eine Grundvoraussetzung für eine Erneuerung sowohl der südamerikanischen Politik als auch des südamerikanischen Films.

Ein weiterer Film in Berlin, der sich mit der sozialen Krise in Argentinien beschäftigt, war der ausdrucksstarke Dokumentarfilm Der weiße Zug. Der "weiße Zug" bringt die Armen der Stadt jeden Tag von den Vororten Buenos Aires' in das Zentrum der Stadt. Die Inneneinrichtung des Zuges wurde herausgenommen, um für die riesigen Karren und Körbe auf Rädern, die das Handwerkszeug der Mitfahrer sind, Platz zu machen. Jeden Tag reisen sie in die Stadt, um die Abfalltonnen und Müllhalden nach allem zu durchkämmen, was verkauft oder wiederverwertet werden könnte.

Eine Reihe von Interviews mit den "cartoneros" (Pappkartonmenschen) gibt einen flüchtigen Einblick in das Schicksal von Millionen von Arbeitern, allein erziehenden Müttern und Kindern in Argentinien, die durch die Wirtschaftskrise in extreme Armut geworfen wurden. Viele von ihnen begründen das, was sie tun, indem sie erklären, dass das Müllsammeln wenigstens noch Arbeit sei - besser als zu betteln oder kriminell zu werden. Im heutigen Argentinien ist das Durchsuchen von Müll zu einem Mittel geworden, seine Menschenwürde zu bewahren.

Die Erde weint von Theo Angelopoulos

Theo Angelopoulos ist der zweite Regisseur mit einer künstlerischen und politischen Vorgeschichte, die bis in die sechziger Jahre reicht. Angelopoulos wurde 1935 in Athen geboren und wuchs in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Kleinbürgerfamilie auf. Nachdem er sein Jura-Studium abgebrochen hatte, setzte er sich gegen seine Eltern durch und ging nach Paris, um von 1964 bis 1966 Film zu studieren.

Um Geld zu verdienen (und mehr Filme zu sehen) arbeitete er als Platzanweiser in der berühmten Cinémathèque Française (sie erscheint in Bernardo Bertoluccis neuestem Film, The Dreamers). Angelopoulos erklärte, nachdem er von der Filmschule verwiesen worden sei, weil er seine Lehrer kritisiert hatte, sei seine politische Erziehung in Griechenland ein Stück voran gebracht worden, als ihn 1964 bei einer Demonstration der Schlagstock eines Polizisten traf. Auf Dauer nach Griechenland zurückgekehrt, schloss sich Angelopoulos der politischen Linken an und begann, Kritiken für die links-stehende Zeitschrift Democratic Change zu schreiben, bis sie von der Militärjunta eingestellt wurde.

Angelopoulos wird oft als ein führender europäischer Filmregisseur mit ausgeprägtem Stil beschrieben, der seine eigene Filmästhetik entwickelt und zu einem großen Maße die Kontrolle über die Produktion seiner Filme bewahrt hat. Sein neuer Film Die Erde weint ist der erste Teil einer von Angelopoulos geplanten Film-Trilogie, die sich mit den grundlegenden Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigt.

Der erste Teil beginnt 1919 mit einer Gruppe von Exil-Griechen, die in ihr Heimatland zurückkehren, nachdem sie aus der Hafenstadt Odessa geflohen sind, die von den Soldaten der Roten Armee eingenommen wurde. Der Film handelt von der Beziehung zwischen den Jugendlichen Alexis und Eleni, deren Liebe durch enormen familiären und sozialen Druck auf die Probe gestellt wird. Der Film endet damit, dass das Paar durch Bürgerkrieg, Weltkrieg und Diktatur auseinander gebracht wird.

Der Film beginnt mit einer langen Einstellung, die mehrere Minuten dauert und sich langsam von der Gruppe von Flüchtlingen entfernt, um - aus der Vogelperspektive - den Mikrokosmos eines gesamten Dorfes zu zeigen, das seinen üblichen Geschäften nachgeht. In den Filmen von Angelopoulos gibt es selten Nahaufnahmen. Man verfolgt die Handlung oft, während die Hauptpersonen der Kamera den Rücken zudrehen. Der Regisseur hat seine eigene Ästhetik entwickelt, die auf psychologische Effekte verzichtet, um zwischen Kamera/Publikum und der Handlung des Films selbst Abstand zu schaffen. Der Regisseur hat schon mehrmals darauf hingewiesen, dass er in dieser Hinsicht Bertold Brecht verpflichtet sei, der seine eigenen "Verfremdungs"-Effekte für das Theater entwickelt hatte.

Mit seinen sorgfältig inszenierten Kameraschwenks, seinem großen Interesse an Details (Angelopoulos wartet oft wochenlang auf das regnerische, trübe Wetter, dass er für viele seiner Filme bevorzugt), und seinen gut einstudierten Standardszenen ist Angelopoulos in der Lage, auf der Leinwand eine besondere Art von beeindruckenden und sogar faszinierenden Bildern zu schaffen, die manchmal an eine filmische Wiedererschaffung alter Meister erinnert.

Die früheren Filme von Angelopoulos können als Generalprobe für sein augenblickliches Projekt gesehen werden. In den siebziger Jahren stellte er eine Trilogie fertig, die der griechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gewidmet war. Themen (wie z. B. die Rolle der klassischen antiken Sagen), Szenen und sogar einzelne Figuren aus seinen früheren Filmen tauchen in Die Erde weint wieder auf. Die Hauptfigur in seinem neuen Film, Eleni, hat denselben Namen wie die Heldin seines ersten Films Reconstruction (1970), der während der Zeit der griechischen Militärherrschaft entstanden ist. Eleni (Helena) ist natürlich auch eine berühmte Figur der griechischen Mythologie. In Die Erde weint spielt Alexis Akkordeon in einer umherreisenden Band - die auch schon in Voyage to Cythera aufgetreten ist.

Stilisierter Tanz, politische Demonstrationen, weiße Blätter, die im Wind tanzen, das langsame Vorüberziehen von Booten auf dem Wasser, besetzt mit schwarz-gekleideten Passagieren, die an das Übersetzen der Toten über den legendären Fluss Styx erinnern - all diese Bilder aus seinen früheren Filmen tauchen in Die Erde weint wieder auf.

Die Folgen des Zusammenbruchs der radikalen linken und der stalinistischen Bewegungen, die in den sechziger Jahren so aktiv waren und seine eigene Schule politischer Erziehung darstellten, sind ebenfalls ein zentrales Thema in Angelopoulos Arbeiten. Die Figur des desillusionierten politisch links-stehenden Aktivisten und Künstlers taucht immer wieder in seinen Filmen auf (The Beekeeper, Eternity and a Day, Ulysses' Gaze).

In Ulysses' Gaze stellt der Filmemacher in einer Szene anschaulich dar, was er als Ende des Sozialismus betrachtet: ein Lastkahn transportiert eine riesige zerbrochene Statue Lenins auf der Donau; sie ist auf dem Weg in den Besitz eines reichen deutschen Geschäftsmanns. (Das Bild hat offensichtlich einige Faszination für Filmemacher. Eine ähnliche Szene gibt es in einem Film des jugoslawischen Regisseurs Dusan Makavejev, Gorilla Bathes at Noon, und sie taucht noch einmal auf in dem deutschen Kassenschlager Good Bye Lenin).

In einem Interview mit Angelopoulos von 1985 drückt er seine Enttäuschung über linke Politik aus und warum er eine Zuwendung zu inneren Werten vorzieht: "Es gibt immer eine politische Interpretation von allem, aber man sollte es nicht übertreiben... Seit die Normalisierung [in Griechenland] eingesetzt hat, sehen wir uns nach neuen Ansätzen um, und ich habe das Gefühl wir nähern uns einer Art Existentialismus ... Die Welt ist ein Schachbrett, und darauf ist der Mensch nur eine der Figuren; seine Möglichkeit, den weiteren Weg zu beeinflussen, ist unbedeutend."

Ein paar Jahre später, in einem anderen Interview, war seine Sicht der Dinge sogar noch düsterer (wie seine Filme): "Die Geschichte schweigt jetzt. Und wir versuchen Antworten zu finden, indem wir in uns selbst hineinhorchen, denn es ist furchtbar schwierig, in der absoluten Stille zu leben." Und 1997 erwiderte Angelopoulos, als er nach der pessimistischen Tendenz in seinen Filmen gefragt wurde: "Der Kampf ist immer der Kampf des Ichs, das Ich gegen alles, was ungewöhnlich, ungerecht und unkalkulierbar ist. Das Individuum muss in diesem Leben immer gegen alles kämpfen, weil es die Illusion gibt, es gäbe einen Sinn, ein Ziel. Aber es gibt keinen Sinn, keinen Wert. Der Kampf ist das Leben. Ich beschäftige mich nicht mehr mit Politik, mit Verallgemeinerungen. Ich habe aufgehört, sie zu verstehen."

Die Erde weint beschäftigt sich mit politischen Ereignissen. Wir sehen einen kommunistischen Führer, der vor einer Gewerkschaftsversammlung spricht, die von der Polizei aufgelöst wird. In einer anderen Szene widersetzen sich Linke der Polizei und versammeln sich spontan, um Musik zu machen und zu tanzen. Solche Ereignisse haben allerdings keinen Bezug zur Entwicklung der Geschichte oder der Figuren. Sie sind einzig und allein Verbindungsglieder, die Angelopoulos' Standardszenen miteinander verbinden; er lenkt die Handlung und seine Figuren in der Rolle eines nüchternen Schachmeisters. Letzten Endes sind die Handlungen seiner Geschichten abgedroschen und vorhersehbar - d. h. sehr typisch für den lebensüberdrüssigen, linken Dichter, der sich entscheiden muss, ob er weiterleben will oder nicht.

Gelegentlich erinnern seine Filme, darunter auch Die Erde weint, an die Atmosphäre von Resignation, Verfall und Hoffnungslosigkeit, die das Spätwerk des russischen Filmemachers Andrej Tarkowski kennzeichneten. (1983 trafen sich die beiden Männer in Rom und diskutierten über die Wurzeln des Worts "Nostalgie".)

Als links orientierter Künstler, der in den sechziger Jahren unter einer Diktatur arbeiten musste, war Angelopoulos gezwungen, Mittel und Wege zu finden, um den politischen Inhalt und die Kritik in seinen Filmen in Formen umzusetzen, die durch die Militärzensur passieren würden - zum Teil erklärt das seine mythische "Verkleidung". In stalinistisch kontrollierten Ländern taten Künstler oft etwas Ähnliches und entwickelten eine "äsopische" Sprache, um in der Lage zu sein, mit Gleichgesinnten an den Hohlköpfen und Zensoren des Apparats vorbei zu kommunizieren. Gleichzeitig führte die Notwendigkeit, die Botschaft eines Werks, das sich mit sozialen und politischen Fragen beschäftigte, zu "verhüllen", oft zu einem gesteigerten Interesse an formalen und rein ästhetischen Aspekten eines Kunstwerks.

Heute arbeitet Angelopoulos nicht mehr unter einer Diktatur - aber nach dem Zusammenbruch der Junta und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Stalinismus, hat er für sich selbst entschieden, Mythos, Zufall und Schicksal zu zelebrieren und sich darauf zu konzentrieren, seinen eigenen, individuellen visuellen Stil zu entwickeln. Das Endergebnis sind zahlreiche Filme, die zwar hübsch anzusehen, aber zunehmend leerer und selbstverliebter werden.

Solanas und Angelopoulos machen sehr unterschiedliche Filme, aber jeder drückt in seiner Art die künstlerische und politische Krise von Vertretern einer bestimmten Generation aus, die es nicht geschafft haben, die Traumata des letzten Jahrhunderts und die außergewöhnlichen gesellschaftlichen und intellektuellen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts zu bewältigen.

Siehe auch:
54. Internationale Filmfestspiele Berlin - Teil 1: Die Entwirrung von "düsteren und schwierigen" Filmen
(5. März 2004)
54. Internationale Filmfestspiele Berlin - Teil II: Verwirrte Gefühle
(5. März 2004)
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