Washington entfesselt Blutbad im Irak

Nachdem vor den belagerten Städten Falludscha im Zentralirak und Nadschaf im Süden Tausende amerikanischer Soldaten zusammengezogen worden waren, entfesselt die Bush-Regierung nun ein Blutbad gegen die irakische Bevölkerung.

In Falludscha eskalierten die US-Truppen am Dienstag ihren Angriff, als dicht besiedelte Wohngebiete aus der Luft unter schweren Beschuss genommen wurden. Neben Kampfhubschraubern und -flugzeugen kamen Panzer und Maschinengewehrfeuer gegen die Stadt und ihre Bewohner zum Einsatz und sorgten für Zerstörungen und viele Tote.

Unter anderem wurde das Minarett einer örtlichen Moschee durch Panzerbeschuss zum Einsturz gebracht. Berichten zufolge versperrten amerikanische Marines den letzten Eingang zur Stadt, wodurch aus Falludscha geflohene Einwohner an einer Rückkehr in ihre Wohnungen und Häuser gehindert werden. Dies werteten Beobachter als Auftakt zu einem erneuten Großangriff auf die 300.000 Einwohner zählende Stadt, die eines der Zentren des Widerstands gegen die US-Besatzung darstellt.

Ein Kommandeur der amerikanischen Elitetruppen bezeichnete die Stadt - die hinsichtlich ihrer Größe mit Bielefeld, Bonn oder Mannheim vergleichbar ist - als "gewaltiges Rattennest".

In Nadschaf, berichteten Pentagon-Sprecher an Dienstag, haben die US-Besatzungstruppen zig Mitglieder der Mehdi-Armee getötet, die den Schiitenführer Muktada al-Sadr unterstützt. Nach Angaben von US-Vertretern wurden rund 60 Milizionäre von Kampfhubschraubern niedergemäht. Aus örtlichen Krankenhäusern hieß es jedoch, dass sich unter den Opfern viele unbewaffnete Zivilisten befanden. Es wurde auch berichtet, dass amerikanische Soldaten ein großes Krankenhaus besetzt haben und die Behandlung von verwundeten Irakern unterbinden.

Nach den Zusammenstößen begleiteten Scharen von Menschen die Särge sieben getöteter Kämpfer durch die Straßen Nadschafs und bekräftigten, dass sie jedem Versuch von US-Truppen, die Stadt einzunehmen und unter ihre Kontrolle zu bringen, Widerstand entgegensetzen werden.

"Wir werden diesen Typen in den Schmutz werfen", sagte ein kommandierender Offizier der Ersten US-Panzerdivision über al-Sadr.

Tatsächlich wird eine Welle von Massentötungen vorbereitet, die die irakische Bevölkerung derart einschüchtern soll, dass sie schließlich die anhaltende Besetzung ihres Landes durch das amerikanische Militär akzeptiert. Da Washington bei weitem nicht über genügend Kräfte verfügt, um ein Land mit 25 Millionen Einwohnern unter Kontrolle zu halten, sind die Vereinigten Staaten entschlossen, an Falludscha und der Bewegung von al-Sadr ein Exempel zu statuieren, ähnlich wie die Besatzungstruppen der Nazis im Zweiten Weltkrieg die tschechische Stadt Lidice auslöschten und das Warschauer Ghetto dem Erdboden gleich machten.

Angeblich fällt George W. Bush persönlich die endgültigen Entscheidungen, was die Belagerung der beiden Städte betrifft. Angesichts des Sadismus und der Rückständigkeit, die den Bewohner des Weißen Hauses auszeichnen, sind die bevorstehenden Angriffe zweifellos auch von Rachegelüsten gekennzeichnet. Seit Anfang April haben 122 amerikanische Soldaten bei Kämpfen ihr Leben verloren. Im gleichen Zeitraum sind zehn Mal mehr Iraker getötet worden, darunter viele Frauen und Kinder.

Die Belagerung von Städten, Angriffe auf Krankenhäuser und Moscheen, das Verweigern von Lebensmitteln, medizinischer Behandlung und anderen zentralen Dienstleistungen gegenüber der gesamten Zivilbevölkerung, das Einsperren von beinahe 20.000 Irakern ohne Anklage und Anhörung - dies alles sind Kriegsverbrechen, die im Namen des amerikanischen Volkes verübt werden.

Der ursprünglichen Vorwände für die Invasion und die Besatzung des Iraks - von den Massenvernichtungswaffen bis hin zu angeblichen Verbindungen zwischen Bagdad und Al Qaida - sind schon seit langem als Lügen entlarvt worden. Nun, da der ganze Schrecken von Washingtons schmutzigem Kolonialkrieg immer sichtbarer wird, entpuppen sich auch die Behauptungen, Amerika bringe dem Irak "Freiheit" und "Demokratie", als Lug und Betrug.

Obwohl Millionen Amerikaner gegen diesen Krieg sind und die Eskalation des Tötens mit Entsetzen und Abscheu betrachten, genießt das brutale Vorgehen gegen die irakische Bevölkerung die volle Unterstützung des amerikanischen Establishments und seiner beiden Parteien. Leitartikel, die in dieser Woche in einflussreichen amerikanischen Tageszeitungen erschienen sind, machen deutlich, dass das Blutvergießen im Irak die einvernehmliche Politik der gesamten herrschenden Elite darstellt.

Unter der Überschrift "Was in Falludscha auf dem Spiel steht" brachte das Wall Street Journal am Montag zum Ausdruck, welch ein Blutdurst unter den Schichten der rechten Republikanern herrscht, die der Bush-Regierung politisch am nächsten stehen. Diese Elemente zeigen sich zunehmend beunruhigt über eine Entwicklung, die sie als Abrücken von der unilateralen Politik der US-Regierung im Irak betrachten. Dies hat sich verschärft, seitdem Bush angekündigt hat, dass er dem UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi die Auswahl der Personals für die so genannte Übergangsregierung überlässt, die am 1. Juli im Irak eingesetzt werden soll.

Das Journal, das nach dem Golfkrieg 1991 den Slogan "Gewalt wirkt" geprägt hat, möchte möglichst bald eine große Menge Blut fließen sehen. Die Zeitung warnte am Montag, die Bush-Regierung solle "nicht vor der unumgänglichen Militärkampagne zurückschrecken". Weiter schrieb sie:

"Früher oder später müssen die übrig gebliebenen Baathisten, die Dschihadisten und die Verbrecher getötet werden, die Falludscha als Zufluchtsort benutzt haben. Man kann nicht mit ihnen verhandeln, man kann mit ihnen nicht vernünftig reden, weil eine friedliche Übergabe der Macht an die Iraker nach dem 30. Juni eine Niederlage für sie bedeutet. [...] Früher oder später müssen die Aufständischen geschlagen werden, und zwar mit dem Gewehr im Anschlag und nicht auf diplomatischem Wege. Wenn wir nicht bereit sind, das zu tun, dann kann Herr Bush auch ebenso gut heute die Truppen nach Hause zurückschicken."

Einen Tag zuvor hatte die New York Times einen Leitartikel mit dem Titel "Eine stärkere Streitmacht im Irak" veröffentlicht, der in großen Teilen den Positionen des Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei John Kerry entsprach. Er forderte die Bush-Regierung auf, "unerfreulichen Realitäten" ins Auge zu blicken, unter anderem der Aussicht, dass weitere 50.000 oder mehr Soldaten zur Verstärkung in den Irak gesandt werden müssen und die Besatzung weit über das Jahr 2006 hinaus andauern wird. Der Artikel bemängelte, das Weiße Haus unter Bush verweigere "unseren Soldaten und der irakischen Bevölkerung den Schutz, den eine adäquate Truppenstärke gewähren würde."

Er endete mit den Worten: "Wir könnten letztendlich zu der Auffassung gelangen, dass die Aufgabe, die Herr Bush den mutigen Männern und Frauen im Militär und den mutigen irakischen Bürgern übertragen hat, eine bessere Zukunft zu erkämpfen, einfach nicht zu erreichen ist. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht angelangt. Dies ist nicht der Augenblick für einen Rückzug und mit Sicherheit nicht der Moment für halbe Sachen." [Hervorhebung hinzugefügt]

Die Bedeutung dieses letzten Satzes ist im Kontext der Belagerungen, die das amerikanische Militär gegen Falludscha und Nadschaf vornimmt, nicht misszuverstehen. Keine "halben Sachen" bedeutet, die volle Gewalt des amerikanischen Militärs gegen einen Volksaufstand einzusetzen, der nicht zerschlagen werden kann, ohne die Zivilbevölkerung massiv in Mitleidenschaft zu ziehen.

Die eifrigsten rechten Unterstützer der Bush-Regierung und ihre angeblichen politischen Gegner aus dem so genannten liberalen Establishment haben sich zusammengetan, um das Schlachten im Irak mit denselben Lügen zu rechtfertigen. Sie alle behaupten, die US-Besatzungstruppen spielten im Irak die Rolle bewaffneter Missionare, die "Freiheit" und "Demokratie" brächten.

Für das Wall Street Journal ist die Übergang zur "irakischen Kontrolle" nur möglich, wenn der irakische Widerstand gegen die Besatzung niedergeschlagen ist. Für die Times soll die "Sicherheit" der Iraker durch eine massive Verbreiterung der amerikanischen Besatzung erreicht werden, die bereits das Leben von mindestens 10.000 Zivilisten gefordert hat.

Freiheit, Demokratie, Sicherheit - diese Begriffe werden von den Kriegsbefürwortern im Mund geführt, um das massenhafte Sterben von Irakern und den sinnlosen Tod Hunderter junger amerikanischer Soldaten zu rechtfertigen, die tatsächlichen Kriegsgründe sind dies nicht. Vielmehr hat der US-Imperialismus beschlossen, ein ganzes Land zu erobern und zu besetzen und seine Bevölkerung zu unterdrücken, um die Kontrolle über die gewaltigen irakischen Ölreserven zu erringen und seine Vorherrschaft über eine der strategisch wichtigsten Regionen zu errichten.

Im Vorfeld dessen, was US-Vertreter und die amerikanischen Medien als "Übergabe der Souveränität" an die irakische Bevölkerung bezeichnen und was am 30. Juni stattfinden soll, ist der zynische Charakter des amerikanischen Kolonialprojekts nicht zu übersehen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters machte der amerikanische Außenminister Colin Powell am Montag deutlich, dass die so genannte "Souveränität" einer neuen Gruppe handverlesener Iraker kaum über ihren Schreibtisch hinaus reichen wird.

"Es handelt sich um Souveränität, aber sie werden zulassen, dass wir (einen Teil) dieser Souveränität in ihrem Auftrag und mit ihrer Erlaubnis ausüben", sagte Powell. "Es ist nicht so, als ob wir ihnen etwas wegnehmen würden."

Es gibt auch nichts, was man noch wegnehmen könnte. Das amerikanische Militär wird weiterhin das Land besetzen und eine Macht ausüben, die de facto dem Kriegsrecht entspricht. Und Washington wird sich allen Versuchen des neuen irakischen Gremiums entgegenstellen, die von der Besatzungsbehörde geschaffenen Gesetze und Dekrete außer Kraft zu setzen oder zu verändern. Alle politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen werden vom neuen amerikanischen Botschafter John Negroponte getroffen, der mit 4.000 Mitarbeitern die größte Botschaft der Welt leiten und über die Autorität eines kolonialen Statthalters verfügen wird.

Dass die amerikanische Besetzung eher dem Plündern als dem Befreien dient, wurde bei einem Interview im vergangenen Monat auch von dem Mann ausgesprochen, der vor Paul Bremer im Auftrag der amerikanischen Regierung für die Verwaltung des Iraks zuständig war. Der pensionierte General Jay Garner sagte gegenüber BBC-Reporter Greg Palast, dass die amerikanische Regierung bereits im Jahre 2001 detaillierte Pläne für die Privatisierung der irakischen Wirtschaft und ihres Ölreichtums entwickelt habe. Garner sagte, er sei seines Posten enthoben worden, weil seine Forderung nach frühen Wahlen den amerikanischen Plänen zuwiderlief, per Dekret dieses Wirtschaftsprogramm der Plünderung und Aneignung irakischer Ressourcen durchzusetzen. Deutlicher kann man nicht belegen, dass die Invasion und die Besatzung des Iraks nichts mit "Demokratie" zu tun haben, sondern von vornherein und allein dem Ziel dienten, den Reichtum des Landes in die Hände amerikanischer Ölriesen, Banken und Konzerne zu bringen.

Wie Garner außerdem sagte, gehörte zu dem Plan die Absicht, den Irak zur amerikanischen Basis für Operationen im gesamten Nahen und Mittleren Osten zu machen. Er erklärte, der Irak würde in vielerlei Hinsicht die gleiche Funktion erfüllen wie die Philippinen bei der Sicherung der amerikanischen Vorherrschaft über die Gewässer des Pazifiks, nachdem die USA am Ende des amerikanisch-spanischen Krieges 1898 die nationalistische Guerilla in dem Inselstaat zerschlagen hatten.

"Ich denke, es ist eine schlechte Analogie, aber wir sollten den Irak jetzt als unsere Kohlenladestation im Mittleren Osten betrachten, wo wir dort einige Präsenz haben und er uns dort einen [...] strategischen Vorteil gibt", sagte Garner.

Diese Worte aus berufenem Mund bestätigen unzweifelhaft, dass dieser Krieg das Wiederaufkommen eines brutalen und ungeschminkten Kolonialismus anzeigt.

Der Zynismus und die Heuchelei der herrschenden Elite Amerikas und ihrer politischen Diener kennen keine Grenzen. Man möge sich nur daran erinnern, dass Ronald Reagan in den 1980-er Jahren die afghanischen Mudschaheddin über die CIA finanzieren ließ, sie als "Freiheitskämpfer" gegen die militärische Besatzung der Sowjetunion pries und als das moderne Äquivalent zu den amerikanischen Gründervätern bezeichnete. Heute werden diejenigen, die gegen die amerikanische Besatzung des Iraks kämpfen, als Verbrecher beschimpft.

Zehntausende Iraker wehren sich gegen die überwältigende militärische Überlegenheit der Besatzungstruppen und genießen dabei sichtbar die Unterstützung der Bevölkerung. Auch wenn sie von den amerikanischen Vertretern und Medien ständig als "Terroristen", "Gewalttäter" und "Extremisten" bezeichnet werden, sind sie vollkommen im Recht, für das Ende der illegalen Okkupation und gegen die koloniale Eroberung ihres Landes zu kämpfen.

In den Vereinigten Staaten selbst muss mit doppelter Kraft die Forderungen nach dem sofortigen und bedingungslosen Abzug aller amerikanischen Soldaten aus dem Irak und der Zahlung von Reparationsgeldern an die irakische Bevölkerung erhoben werden. Die Verantwortlichen, die auf der Grundlage von Lügen die amerikanische Bevölkerung in diesen Krieg gezogen haben, müssen wegen der von ihnen begangenen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt werden.

Das Argument der "Liberalen", dass die amerikanische Besatzung weitergeführt werden muss, weil der Irak ohne die US-Truppen im Bürgerkrieg versinken würde, ist so alt wie der Kolonialismus selbst und verdient nichts als Verachtung. Das Schlimmste, was im Irak passieren könnte, wäre der "Erfolg" dieses imperialistischen Projekts. Dies würde die permanente Besetzung des Iraks und endloses Blutvergießen mit sich bringen und gleichzeitig den Boden für neue und noch katastrophalere Kriege bereiten.

Die Demokratische und die Republikanische Partei sind gleichermaßen entschlossen, in den Wahlen keine Debatte über die Weiterführung der amerikanischen Besatzung zuzulassen. Kerry und Bush sind beide der Ansicht, dass die Antikriegsstimmung von Dutzenden Millionen Amerikanern unzulässig ist und unterdrückt werden muss.

Der Kampf gegen Krieg kann nicht auf der Grundlage einer seichten "Jeder-ist-besser-als-Bush"-Politik geführt werden. Er erfordert den Aufbau einer neuen und unabhängigen politischen Massenbewegung der arbeitenden Bevölkerung Amerikas, die ihre Kämpfe mit denen der arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt vereinigen muss.

Die Socialist Equality Party (SEP) greift in die Wahlen 2004 ein, um die Grundlagen für den Aufbau einer sozialistischen Massenpartei der Arbeiterklasse zu schaffen. Unsere Kandidaten fordern das sofortige Ende des verbrecherischen Kriegs gegen den Irak. Wir fordern alle Gegner dieses Krieges auf, den Wahlkampf der SEP zu unterstützen.

Helft uns dabei, unsere Kandidaten für das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten, Bill Van Auken und Jim Lawrence, in so vielen Bundesstaaten wie möglich auf die Stimmzettel zu bringen. Meldet euch, um in euren Bundesstaaten und Städten SEP-Kandidaten für den Kongress aufzustellen. Bekämpft den Militarismus und imperialistischen Krieg, indem ihr aktiv den Wahlkampf der SEP unterstützt.

Siehe auch:
Der Kampf gegen Krieg und die US-Wahlen 2004
(28. April 2004)
Die Nominierung Negropontes: Eine Warnung an das irakische Volk
( 27. April 2004)
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