Ronald Reagan (1911-2004) - ein Nachruf

Was, tot! Nicht möglich! Seine Gnaden!

Wie, und im Bett kam er zu Schaden?...

S'war höchste Zeit, dass er verschwand.

Wir lernten ihn recht gründlich kennen,

Er ließ sein Licht herunterbrennen,

Bis viele sagten ohne Dank:

Er hinterlässt uns nur Gestank!

Aus: Jonathan Swift, "Elegie auf den Tod eines berühmten Generals"*

Es war abzusehen, dass der lang erwartete Tod Ronald Reagans allenthalben süßliche Hymnen auf den 40. Präsidenten der USA auslösen würde. Doch schwerlich dürfte der unbedarfte Beobachter auf die verlogene, zynische und in ihrer Dummheit groteske Propagandaflut gefasst gewesen sein, mit der die Medien und das politische Establishment auf Reagans Ableben reagierten. Angesichts des unaufhörlichen Stroms schlechter Nachrichten, die seit einem Jahr aus dem Irak und anderen Teilen der realen Welt eintreffen, suchten die Regierung Bush und ihre Freunde in den Medien natürlich verzweifelt nach einer Gelegenheit, das Thema zu wechseln, um die im Land herrschende Niedergeschlagenheit und Bedrücktheit zu bekämpfen. Eigentlich sollten die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie den Zweck eines solchen Ablenkungsmanövers erfüllen. Doch der Tod Reagans zur rechten Zeit war noch besser geeignet, mit Hilfe der Medien eine groß angelegte Operation in Sachen Heldenverehrung, Flaggeschwenken und Mythenpflege einzuleiten.

Zugegeben, die totale Mobilmachung der amerikanischen Medien ist ein beklemmendes Schauspiel. Nach der Bekanntgabe von Reagans Tod am Samstag setzte sich diese ungeheure Propagandamaschinerie in Bewegung, um eine gründliche und umfassende Geschichtsfälschung in Angriff zu nehmen. Die Jahre der Reagan-Administration werden einer Behandlung unterzogen, die man als mediale Entsprechung der modernen Bildbearbeitung bezeichnen könnte. Das soziale Elend, das Reagans Politik in den USA erzeugte; die Zehntausende Menschen, die in Mittelamerika den von dieser Regierung illegal finanzierten faschistischen Todesschwadronen zum Opfer fielen; die zahllosen kriminellen Machenschaften innerhalb dieser Regierung, die zu den korruptesten des 20. Jahrhunderts in Amerika zählte - all dies und ähnliche unschöne Details werden mehr oder weniger ignoriert. Man liest nichts über die Verteidigung der Apartheid in Südafrika, über die Finanzierung unzähliger rechter Diktaturen, oder über seine Ehrbezeugung gegenüber SS-Gräbern auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg. Die Medien versuchen nicht nur jede objektive Einschätzung von Reagans Leben und politischer Laufbahn, sondern die bloße Erwähnung der unappetitlichen Elemente seiner Regierungspolitik zu verhindern.

Dieses propagandistische Sperrfeuer soll die Öffentlichkeit nicht nur in die Irre führen und verwirren, sondern auch einschüchtern und den zahlreichen Amerikanern, die gegenüber Reagan und allem, wofür er stand, nur Abscheu empfanden, den Eindruck vermitteln, sie stünden politisch und gesellschaftlich auf verlorenem Posten und könnten sich, wenn sie das Vertrauen in ihr eigenes Urteil schon nicht ganz aufgeben, zumindest keine Hoffnungen auf Unterstützung für abweichende Meinungen in den USA machen.

Doch die ganze Sache - die fünf offiziellen Trauertage, die endlose Berichterstattung, das Spektakel des Staatsbegräbnisses - lässt das Land kalt. Am Montag Morgen deutete in den Schulen, den Büros und Betrieben wenig darauf hin, dass die Bevölkerung unter dem Eindruck stehe, sie erlebe das Hinscheiden eines großen und bedeutenden Mannes und habe, einzeln oder gemeinsam, einen echten Verlust erlitten. Die Altersgruppe, die sich noch an den Tod Roosevelts und besonders Kennedys erinnern kann, muss den Unterschied zu damals besonders deutlich empfinden. Auch diese Männer waren bürgerliche Politiker und verteidigten die bestehende Gesellschaftsordnung. Doch Roosevelt und Kennedy hatten zu bestimmten Zeiten ihrer politischen Karriere rhetorisch gewandt die demokratischen Bestrebungen der Arbeiterklasse und anderer unterdrückter Schichten der amerikanischen Gesellschaft formuliert und bei diesen eine tief empfundene Zuneigung geweckt. Als sie starben, war die Trauer echt.

Doch der Tod Ronald Reagans spielt für die große Masse der einfachen arbeitenden Menschen keine Rolle. Er berührt sie nicht im geringsten. Und das nicht nur deshalb, weil Reagan aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwand, nachdem vor zehn Jahren bekannt geworden war, dass er an der Alzheimer-Krankheit litt. Zu viele arbeitende Menschen erinnern sich noch daran, wie sich die "Reaganomics" auf ihr Leben auswirkten - immer zum Schlechteren. Für breite Schichten der Arbeiterklasse war er der verhassteste Präsident seit Herbert Hoover. Obwohl Reagans Politik unter bedeutenden Teilen der Mittelklasse und unter wohlhabenderen Arbeiterschichten durchaus Unterstützung hatte, trug die große Popularität, die ihm zugeschrieben wurde, rein synthetischen Charakter. Sie war ein Mythos, den die Medien schufen, um der Politik seiner Regierung eine öffentliche Zustimmung zuzuschreiben, die sie in Wirklichkeit nicht besaß.

In der Neufassung der Geschichte, welche die Medien gegenwärtig im Sinne der herrschenden Elite schreiben, wird nicht erwähnt, dass die 1980er Jahre das Jahrzehnt der heftigsten Klassenkämpfe in den USA seit den 1940er Jahren waren. Die Maßnahmen der Reagan-Administration in ihrem ersten Amtsjahr - die Kürzungen bei den Bundesausgaben für wichtige Sozialprogramme und die Entlassung von beinahe 12.000 Fluglotsen, die im August 1981 in den Streik getreten waren - versetzten Millionen Arbeiter in helle Empörung. Die Sozialphilosophie der neuen Regierung fand ihren konzentrierten Ausdruck darin, dass Ketchup zu einer Gemüsesorte umdefiniert wurde, um auf diesem Wege die Bundeszuschüsse für Schulkantinen zu kürzen. Im September 1981 demonstrierten in Washington beinahe eine Dreiviertel Million Arbeiter gegen die Haushaltskürzungen und die Zerschlagung der Fluglotsengewerkschaft PATCO. Im Jahr 1983 gab es eine noch größere Demonstration. Nahezu jeder Industriezweig wurde von erbitterten und oft gewaltsamen Arbeitskämpfen erschüttert, mit denen sich die Arbeiter gegen die Klassenkriegspolitik der Reagan-Regierung zur Wehr setzten.

Doch dieser Teil der Geschichte kommt in den heutigen Lobgesängen auf den verstorbenen Präsidenten nicht vor. Sie sind ganz von der Dankbarkeit der Reichen für die ihnen erwiesenen Dienste geprägt. Das Hauptziel von Reagans Regierung war die Beseitigung aller rechtlichen Schranken für die Anhäufung von Privatvermögen. Sie folgte dem Motto der korrupten Regierung des berüchtigten französischen Königs Louis-Philippe im 19. Jahrhundert: "Bereichert Euch!" Die drastischen Steuersenkungen für die Wohlhabenden - der Spitzensteuersatz sank von 70 auf 28 Prozent - bescherte dem Präsidenten die ungeteilte Zuneigung der dankbaren Begüterten. Diese Steuersenkungen schufen die Grundlage für das Klima der Prasserei und der orgiastischen Feiern des Reichtums, die die 1980er Jahre prägten. Es war das Jahrzehnt von Michael Milken, Ivan Boesky, Donald Trump (der gerade sein Comeback feiert) und natürlich der Filmfigur Gordon Gekko mit dem berühmten Ausspruch: "Gier ist gut!"

Reagan wird nun unaufhörlich als "großer Kommunikator" gerühmt. Diesen Spitznamen verpassten ihm die Medien, die von reichen Philistern kontrolliert werden, denen es gefiel, ihre eigennützigen Plattitüden aus dem Munde des Präsidenten zu vernehmen. Eine typische Rede Reagans vereinigte eben den Kitsch, Stuss, Blödsinn und Mumpitz, der in den Marriotts, Hyatts und Hiltons Amerikas Tag für Tag in Ansprachen bei Geschäftsessen zusammen mit Kartoffelbrei und überdimensionierten Hühnerbrüsten gereicht wird. Mit dieser Art Sprache hatte sich Warren Harding - der 29. Präsident der USA, der hinsichtlich seiner Erscheinung und geistigen Kapazitäten Reagan am ähnlichsten war - noch zum Gespött der Nation gemacht.

Doch was für ein Mann war Reagan nun eigentlich? Selbst seinen glühendsten Bewunderern fällt es schwer, Elemente seiner Persönlichkeit und seines Charakters zu benennen, die ungewöhnlich oder gar herausragend gewesen wären. Sein offizieller Biograph, Edmond Morris, war nach langer Suche nach dem "wahren" Reagan, dem Menschen hinter der öffentlichen Figur, schließlich so frustriert, dass er sich entschied, zur Romandichtung Zuflucht zu nehmen.

Was dem Biographen zum Verhängnis wurde, war die Flachheit seines Subjekts. Schauen Sie sich bei Gelegenheit einmal einen von Reagans Filmen an. Diese plumpe Schauspielerei verrät keinen Funken kreative Vorstellungskraft. Das auffallendste Merkmal seines Spiels ist das völlige Fehlen jeder emotionalen Tiefe. Ein Mann, der mit mehr Empfindsamkeit und Mitgefühl ausgestattet gewesen wäre, hätte in den Ereignissen seines frühen Lebens - als Sohn eines Alkoholikers, der in der dumpfen Umgebung von Dixon, einer Kleinstadt in Illinois, im Schatten einer ständig drohenden finanziellen Katastrophe aufwuchs - genügend Material für dramaturgische Einsichten in das menschliche Schicksal gefunden. Doch Reagan bewegte sich immer nur im Bereich des Offensichtlichen. Sein schauspielerisches Repertoire bestand aus fertigen, vorhersehbaren Gesten, derer er sich je nach Situation bediente. Wenn sein Charakter Bestürzung zeigen sollte, runzelte Reagan die Stirn. Zorn brachte er durch eine Erstarrung der Gesichtsmuskeln zum Ausdruck. Außerdem konnte er, wenigstens zu Beginn der 1940er Jahre, ein gewisses Maß an jungenhaftem Charme verbreiten. Als er sich dem mittleren Alter näherte, hatte Reagans Karriere ihren Höhepunkt bereits überschritten.

Während seiner ersten zehn Jahre in Hollywood war Reagan, wenn wir seinen eigenen Worten Glauben schenken wollen, ein "inbrünstiger" Liberaler und Anhänger Roosevelts. Er hat seine grundlegende politische Umkehr nie erklärt, doch sie scheint sich als eine Art instinktive Zornreaktion auf den Niedergang seiner Schauspielerkarriere Ende der 1940er Jahre entwickelt zu haben. Das allgemein nach rechts tendierende Klima jener Periode verschaffte ihm die Möglichkeit, sich an den intellektuellen "Roten" unter den Regisseuren und Drehbuchautoren zu rächen, die ihm die Rollen, zu denen er sich berufen fühlte, vorenthalten hatten. Dies war die eigentliche emotionale Motivation für Reagans Teilnahme an der antikommunistischen Hexenjagd im Hollywood der 1940er und frühen 1950er Jahre. Er hat zwar in der Öffentlichkeit stets bestritten, Kollegen, die er für Mitglieder der Kommunistischen Partei hielt, denunziert zu haben, doch inzwischen gilt als erwiesen, dass er insgeheim das FBI mit Informationen versorgte. Zu Reagans Wut über das Scheitern seiner eigenen Schauspielerkarriere gesellte sich Erbitterung darüber, dass er im Rahmen der Einkommenssteuer einen Teil seines Privatverdiensts an das Finanzamt abführen musste. Diese Gefühle waren in der Tat echt und tief empfunden, und sie versetzten Reagan in die Lage, mit einer Aufrichtigkeit, die ihm als Schauspieler stets abgegangen war, die Frustration und die angestauten Vorbehalte breiter Teile der Mittelklasse im Kalifornien der frühen 1960er Jahre zum Ausdruck zu bringen.

Im Jahr 1966 wurde er zwar in Kalifornien zum Gouverneur gewählt, seine Bewerbung um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten scheiterte jedoch zwei Mal, bevor sie 1980 von Erfolg gekrönt war. Doch selbst damals wäre seine Wahl zum Präsidenten unvorstellbar gewesen, wenn der amerikanische Liberalismus und die Demokratische Partei zuvor nicht bankrott gemacht hätten. Während der Vietnamkrieg den linken Liberalismus und die Demokratische Partei moralisch diskreditiert hatten, unterhöhlte die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den 1970er Jahren die Grundlagen, auf denen der beschränkte Sozialreformismus der Roosevelt-Administration und ihrer demokratischen Nachfolger basiert hatte.

Während der vierjährigen Amtszeit der Regierung Carter zerstörte die Demokratische Partei den letzten Rest ihres Rufs als Partei des sozialen Fortschritts und sozialer Reformen. Während breite Schichten der Mittelklasse durch die Inflation verschreckt wurden, die ihre Abneigung gegen Steuern und Sozialprogramme nur steigerte, bezog die Carter-Regierung eine offen feindselige Haltung gegenüber der Arbeiterklasse. Dies zeigte sich besonders deutlich, als sie sich 1978 auf das Taft-Hartley-Gesetz berief, um den großen Zechenstreik von 1977-78 zu brechen.

Die Erschöpfung der Demokratischen Partei ebnete den Weg für Reagans Wahlsieg 1980. Doch die anschließenden Erfolge seiner Regierung wären nicht möglich gewesen ohne die Rolle des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO und der Autoarbeitergewerkschaft UAW. Sie und andere Gewerkschaften blockierten die Versuche der Arbeiterklasse, den Angriffen auf ihren Lebensstandard, auf ihre sozialen Interessen und ihre demokratischen Rechte Widerstand zu leisten, die mit Reagans Amtsantritt im Januar 1981 begannen.

Die Nagelprobe für die Reagan-Regierung - und vor allem der Wendepunkt in den Klassenbeziehungen innerhalb der USA - war der Streik von beinahe 12.000 Mitgliedern der Fluglotsengewerkschaft PATCO im August 1981. Ironischerweise hatte PATCO die Wahl Reagans im Vorjahr unterstützt, nachdem ihr unter der Hand zugesichert worden war, dass eine republikanische Regierung den Forderungen der Gewerkschaften nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen aufgeschlossen begegnen würde. Im Einklang mit Plänen, die bereits unter der Carter-Regierung entworfen worden waren, kündigte Reagan jedoch die Entlassung sämtlicher Fluglotsen an, die nicht binnen 48 Stunden die Arbeit wiederaufnehmen würden. Vieles deutet darauf hin, dass die Regierung dabei über Zusicherungen der AFL-CIO verfügte, dass der Dachverband PATCO nicht aktiv unterstützen werde. Unter den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern herrschte große Bereitschaft zu Solidaritätsaktionen für die PATCO. Wenn die AFL-CIO zu Unterstützungsstreiks aufgerufen hätte, dann wäre die Reagan-Regierung zum Rückzug gezwungen gewesen und hätte gleich zu Beginn ihrer ersten Amtszeit eine schwere Niederlage erlitten.

Doch alle Forderungen nach Solidaritätsaktionen wies die AFL-CIO zurück. Vier PATCO-Führer landeten im Gefängnis, nahezu 12.000 Fluglotsen verloren ihre Arbeitsplätze, und die Gewerkschaft wurde zerschlagen.

Dieses Muster sollte in den 1980er Jahren wieder und wieder durchexerziert werden. Bergarbeiter, Stahlarbeiter, Busfahrer, Beschäftigte von Fluggesellschaften, Kupferbergarbeiter, Autoarbeiter und Fleischpacker führten erbitterte Streiks. Jedes Mal isolierten die nationalen Gewerkschaftsorganisationen die Streikenden, gewährten ihnen keine nennenswerte Unterstützung und ließen sie gezielt in Niederlagen gehen. Im vollen Vertrauen auf die Unterstützung der Reagan-Regierung wendeten derweil die Unternehmer ihre Streikbrechertaktik an.

Als Reagan 1989 aus dem Amt schied, gab es, aufgrund der Verrätereien der AFL-CIO, keine amerikanische Gewerkschaftsbewegung im Sinne einer sozialen Bewegung mehr.

Ging der Erfolg der Reagan'schen Innenpolitik weitgehend auf die Verrätereien der Gewerkschaftsbürokratie zurück, so hatte das, was die Medien als Krönung seines außenpolitischen antikommunistischen Programms preisen - der gründliche Zusammenbruch der UdSSR -, wenig mit der Politik seiner Regierung zu tun. Die Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991, drei Jahre nach Reagans Ausscheiden aus dem Amt, war der tragische Höhepunkt von Jahrzehnten des politischen Verrats, den die stalinistischen Bürokratien in der UdSSR und den von ihr dominierten Staaten Osteuropas verübt hatten.

Wie spätere Analysen von Berichten des Geheimdiensts CIA überzeugend nachgewiesen haben, hatte die Reagan-Regierung nicht die geringste Ahnung vom Ausmaß der politischen Krise in der Sowjetunion. Die berüchtigte Rede über das "Reich des Bösen", die Reagan 1983 hielt, basierte auf einer grotesken Übertreibung der sowjetischen Stärke, ganz zu schweigen von einer ebenso böswilligen wie lächerlichen Falschdarstellung ihrer globalen Ambitionen.

In ihrer absurden Huldigung Reagans als visionärem Führer, der Amerika zum Sieg über die Sowjetunion im Kalten Krieg verholfen habe, übergehen die Medien die entscheidende Frage, die sich hinsichtlich der Außenpolitik der USA in den 1980er Jahren stellt: Was bewog die USA, die Spannungen mit der UdSSR in dramatischer und provokativer Weise zu steigern? Seit dem Ende der kubanischen Raketenkrise im Oktober 1962 hatten die USA versucht, einer Konfrontation mit der UdSSR aus dem Weg zu gehen. Diese Politik wurde von Nixon und Kissinger in den frühen 1970er Jahren fortgeführt, als man die "Entspannungspolitik" zur offiziellen Achse der Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion erhob.

Wie die Historiker heute wissen, bahnte sich die Entscheidung zu einem Kurswechsel und zu einer stärkeren Konfrontationshaltung gegenüber der UdSSR in den letzten Tagen der Regierung Carter an. Im Sommer 1979 beschloss diese, anti-sowjetische Guerillas in Afghanistan mit finanziellen und militärischen Mitteln zu unterstützen, um nach Möglichkeit eine militärische Reaktion der UdSSR auszulösen. Die Reagan-Regierung setzte diese kriegslüsterne Politik fort und intensivierte sie.

Dieser Kurswechsel hatte weit weniger mit Ideologie zu tun, als mit den immer tieferen Strukturproblemen des Weltkapitalismus, die sich in den wiederkehrenden Konjunktureinbrüchen der 1970er Jahre gezeigt hatten. Die Kriegsstimmung der Regierung Reagan war in letzter Hinsicht eine Reaktion auf die Verschlechterung der Weltposition des amerikanischen Kapitalismus.

Wie immer man zu der Politik der Reagan-Administration auch stehen mag, eine objektive Analyse ergibt eindeutig, dass ihre Versuche, die Krise zu lösen, bis Mitte der 1980er Jahre noch keine Erfolge gezeitigt hatten. Die immer ungezügelteren und illegalen Methoden, mit denen sie der Volksaufstände in Mittelamerika Herr zu werden versuchte - immer im Namen des Kampfs gegen den Kommunismus -, gipfelten in der Iran-Kontra-Affäre Ende 1986. Die Entlarvung der kriminellen Operationen, die eigenmächtig von Mitarbeitern des Weißen Hauses vorgenommen wurden, erschütterte und verwirrte die Regierung. Reagans einzige Verteidigung gegen den Vorwurf krimineller Machenschaften bestand in der Behauptung, er habe keine Kenntnis von den Vorgängen in seiner eigenen Regierung gehabt. Und diesmal war die Berufung auf seine Unwissenheit ziemlich glaubwürdig.

Die Demokratische Partei reagierte wie immer zahnlos. Sie sprach zwar vage von der Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens, veranstaltete aber nur zwei halbherzige Anhörungen, in deren Verlauf sie sich von Oliver North an der Nase herumführen und beleidigen ließ.

Doch die Reagan-Regierung war am Ende ihrer Kraft. Zusätzlich geschwächt wurde sie durch die finanziellen Folgen der Steuersenkungen bei massiver Erhöhung der Rüstungsausgaben. Angesichts beispielloser Defizite, mit denen die USA zum ersten Mal seit 1914 zur Schuldnernation wurden, war die Reagan-Regierung gezwungen, die Steuern wieder zu erhöhen und zu einer versöhnlicheren Haltung gegenüber der UdSSR zurückzukehren.

Der anschließende Zusammenbruch der UdSSR, den Reagan mit Sicherheit nicht vorausgesehen hatte, hing nur unwesentlich mit der Politik zusammen, die der "große Kommunikator" in den frühen 1980er Jahren verfolgt hatte. Zwar hat die dramatische Erhöhung der US-amerikanischen Militärausgaben die wirtschaftlichen Probleme der Sowjetunion verschärft. Doch es gibt kaum Hinweise darauf, dass Reagans Politik für das Schicksal der UdSSR von besonderer Bedeutung gewesen wäre. Die Auflösung des Sowjetstaates wurde von der bürokratischen Elite vollzogen, die zu dem Schluss gelangt war, dass sie nur auf diese Weise ihre materiellen Interessen gegenüber einer immer unruhigeren und ihr gegenüber feindlich eingestellten Arbeiterklasse verteidigen konnte.

Mit diesen Ausführungen soll nicht gesagt werden, dass Reagan als Präsident nichts erreicht, dass er kein Vermächtnis hinterlassen hätte.

Ganz und gar nicht. Reagan hat diese Welt verlassen, doch die Leistungen seiner Regierung bestehen fort und sind allgegenwärtig: im ungeheuerlichen Anwachsen der sozialen Ungleichheit in den USA, in der grotesken Konzentration des Reichtums in den Händen eines kleinen Teils der amerikanischen Gesellschaft, in der schockierenden Verschlechterung des Bildungsstands und allgemeinen Kulturniveaus, in der schrecklichen Fäulnis der Institutionen der amerikanischen Demokratie und schließlich im mörderischen Ausbruch des amerikanischen Militarismus.

Das ist das Vermächtnis des Reaganismus.

* Übersetzung: H. W. Kolls, mit freundlicher Genehmigung des "Oldenburger Stachel"

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