Irak-Resolution: Schröder sagt Bush Unterstützung zu

Das Tauziehen um die Formulierung einer UN-Resolution, mit der die US-Regierung internationale Rückendeckung für ihr weiteres Vorgehen im Irak anstrebt, ging Anfang der Woche in eine neue Runde. Nach Angaben deutscher Regierungskreise hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dem amerikanischen Präsidenten am Pfingstmontag in einem 15-minütigen Telefongespräch Unterstützung zugesagt. "Der Bundeskanzler und Bush haben sich verständigt, dass sie in dieser Frage mit einer Zunge sprechen", heißt es in Pressemeldungen.

Ein Sprecher des Bundespresseamtes in Berlin sagte: "Es war ein substanzielles und konstruktives Gespräch", wollte sich aber zu Einzelheiten nicht äußern. Bereits in der vorigen Woche hatte Außenminister Fischer (Grüne) den US-Resolutionsvorschlag als "gute Grundlage" für weitere Gespräche bezeichnet und mehrmals mit seinem amerikanischen Amtskollegen Colin Powell über Einzelheiten gesprochen.

Als nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats verfügt die Bundesregierung bei Abstimmungen im obersten UN-Gremium zwar über kein Veto-Recht, spielt aber dennoch eine wichtige Rolle. Vor 15 Monaten war sie maßgeblich an der Ablehnungsfront mit Frankreich und Russland gegen die damalige Irak-Resolution beteiligt.

Der neue Ton im Kanzleramt und die ständige Beteuerung, die transatlantischen Spannungen seien ausgeräumt, machen zweierlei deutlich: Erstens wird erneut sichtbar, dass die Differenzen über den Irakkrieg rein taktischer Natur waren. Die deutsche Regierung wollte aus eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen nicht zulassen, dass Washington eine uneingeschränkte Kontrolle über die irakischen Ölfelder errichtet und in dieser energiepolitisch äußerst wichtigen Region bestimmende Macht ausübt.

Zweitens zeigen die Verhandlungen über die neue UN-Resolution, dass die deutsche Regierung - und das gilt gleichermaßen für die französische - die Besatzung des Irak und die Errichtung einer Marionettenregierung unterstützen. Berlin und Paris wollen lediglich die militärischen Rückschläge und die wachsende politische Krise der US-Regierung nutzen, um ihren eignen Einfluss im Irak zu stärken.

Dabei übernehmen sie die verlogene Sprache der UN-Resolution, wonach der Sicherheitsrat "eine neue Phase im Übergang des Irak zu einer demokratisch gewählten Regierung" erkennt. Worin dieser "demokratische Übergang" besteht, konnte man am Dienstag verfolgen. Innerhalb weniger Stunden wurde von der US- Besatzungsmacht ein Staatspräsident vorgeschlagen und, nachdem er nicht durchgesetzt werden konnte, durch einen anderen ersetzt. Eine neue Übergangsregierung aus handverlesenen US-Vasallen wurde ernannt und vereidigt, nachdem die alte Übergangsregierung zurückgetreten war. Nur eines fand in diesem demokratischem Übergang zu keinem Zeitpunkt statt: eine Befragung oder gar Entscheidung der irakischen Bevölkerung.

"Keine Schadenfreude"

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb die Berliner Regierung über die Entwicklung im Irak tief besorgt ist und der Bush-Regierung ihre Unterstützung anbietet. Sie fürchtet, dass ein militärisches Scheitern der USA und ein Rückzug aus dem Irak den Imperialismus und die bürgerliche Herrschaft nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit erschüttern würde. Wohl wissend, dass sie vor dem Krieg genau vor dieser Gefahr gewarnt hatte, wurde im Kanzleramt die Sprachregelung "keine Schadenfreude" ausgegeben.

Vertreter aller Parteien äußern ihre Sorge über den wachsenden Machtverlust der amerikanischen Regierung. Otto Graf Lambsdorf, finanz- und außenpolitischer Sprecher der Freien Demokraten (FDP) - der Partei, die in den Nachkriegsjahrzehnten fast ununterbrochen den Außenminister stellte - erklärte im Handelsblatt : "Einem Freund in Not muss geholfen werden".

Am deutlichsten drückte sich Die Zeit in der vergangenen Woche aus. Unter der Überschrift "Hilferuf der Supermacht" schreibt Matthias Nass: "George W. Bush versucht im Irak zu retten, was zu retten ist. Viel ist das nicht mehr. Der Bankrott seiner Strategie ist komplett: politisch, militärisch und moralisch. Nie seit Vietnam hat sich Amerika außenpolitisch so verrannt. Nie seither hat man die Supermacht so richtungs- und führungslos gesehen, so erschrocken über die Folgen des eigenen Tuns."

Dann beschreibt das Blatt, das Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) zu seinen Herausgebern zählt, wie sehr die US-Regierung in inneren Streitigkeiten "zerfällt" und wertet Bushs Rede vor dem Army War College als "hinter rhetorischem Bombast" versteckten Hilferuf, weil die USA alleine nicht in der Lage seien, stabile Verhältnisse im Irak zu schaffen.

Dieser Hilferuf aus Washington solle nicht als Rückkehr zum Multilateralismus missverstanden werden, schreibt Nass und betont: "Dennoch ist es wichtig, Amerika in dem Moment zu helfen, da es um Hilfe bittet." Kofi Annan habe in Paris bereits vorgesprochen "und vielleicht, wer weiß, senden die Franzosen auch Truppen", spekuliert Nass. Deutschland brauche keine Bundeswehrsoldaten schicken, es genüge die Ausbildung irakischer Polizisten und Grenzschützer in die Hand zunehmen und bei der Finanzierung des Wiederaufbaus zu helfen.

"An einem können Schröder und Chirac kein Interesse haben," schreibt Die Zeit, "an einer gedemütigten Supermacht. Was hilft es, den Amerikanern vorzuwerfen, dass sie den Krieg aus haltlosen Gründen begonnen haben; dass sie mit ihrer stümperhaften Besatzungspolitik die Iraker an den Rand des Volksaufstandes getrieben haben. Sie wissen es ja selber. Es würde für den Irak noch schlimmer kommen, zöge sich Amerika heute in Panik zurück".

Die Angst vor einem wachsenden Autoritätsverlust der amerikanischen Regierung hat in Deutschland historische Ursachen. Schon in den frühen zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Hyperinflation zu revolutionären Kämpfen führte, ermöglichte das Eingreifen der amerikanischen Regierung dem deutschen Kapitalismus das Überleben. Gestützt auf Dollar-Kredite in Milliardenhöhe wurden die Golddeckung der Mark eingeführt und die wirtschaftlichen Verhältnisse zumindest vorübergehend stabilisiert.

Noch wichtiger war die Unterstützung des amerikanischen Imperialismus am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die deutsche Wirtschaft in Trümmern lag und der Marshall-Plan die Grundlage des deutschen Wiederaufbaus und des sogenannten Wirtschaftswunders bildete. Vor allem die Sozialdemokraten konnten nur unter diesen Bedingungen gestützt auf eine Politik des Sozialreformismus wieder politischen Einfluss gewinnen.

Doch das politische Dilemma besteht darin, dass heute - fast sechzig Jahre nach Kriegsende - die amerikanische Regierung mit einer tiefen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise konfrontiert ist. Indem die Bundesregierung der Bush-Regierung zur Hilfe eilt, stärkt sie gerade die Kraft, die mit ihrer aggressiven Militärpolitik den Hauptfaktor der weltweiten Instabilität bildet.

Siehe auch:
Außenminister Fischer in Washington
(14. Mai 2004)
Schröder im Weißen Haus
( 3. März 2004)
Schröder, Bush und die "Agenda 2010"
( 2. Oktober 2003)
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