Chiles Ex-Diktator Pinochet kassierte Gelder in Millionenhöhe

Der ehemalige chilenische Diktator Augusto Pinochet hat sich offensichtlich auf illegale Weise ein Millionenvermögen angeeignet. US-amerikanische Untersuchungen zu Geldwäsche- und Korruptionsvorwürfen gegen die Riggs Bank brachten ans Tageslicht, dass Pinochet in Schmiergeldzahlungen in Höhe von mehreren Millionen Dollar verwickelt ist.

Das chilenische Verteidigungsministerium ordnete eine Untersuchung an, nachdem am 7. Dezember in der New York Times berichtet worden war, dass Pinochet 12,3 Millionen Dollar an "Spenden" und "Provisionen" von der Regierung der Vereinigten Staaten und diversen anderen Ländern erhalten hatte. In der Zeitung hieß es, dass die Zahlungen 1974 begannen - ein Jahr nach dem Militärputsch, bei dem Pinochet den gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende abgesetzt hatte - und bis 1997 fortgesetzt wurden, also noch sieben Jahre nach seinem Rücktritt von der Macht anhielten. Bis 1998 stand Pinochet noch an der Spitze des chilenischen Militärs.

Laut der New York Times basiert der Bericht auf Dokumenten, die das chilenische Verteidigungsministerium der Riggs Bank zur Verfügung gestellt hatte, wo der ehemalige Diktator zahlreiche Konten unterhielt. Die Riggs Bank wiederum übergab sie einem Untersuchungsausschuss des amerikanischen Senats, der die einflussreiche Bank mit Sitz in Washington unter die Lupe nahm.

Wie die Zeitung berichtet, zeigen diese Dokumente, dass der Ex-Diktator "3 Millionen Dollar von der Regierung der Vereinigten Staaten im Jahre 1976 erhielt und in anderen Jahren 1,5 Millionen Dollar von Paraguay, 1 Million Dollar von Spanien, 2,5 Millionen Dollar von China, eine gemeinsame Zahlung von 2,5 Millionen Dollar von Großbritannien und China sowie eine gemeinsame Zahlung von 3 Millionen Dollar von Großbritannien, Malaysia und Brasilien".

Der Times -Bericht folgt einer Veröffentlichung der renommierten chilenischen Journalistin Patricia Verdugo zu einem Dokument aus dem Verteidigungsministerium, das an Riggs und die Senatskommission ging. Aus diesem Papier geht hervor, dass Pinochet mehr als 6 Millionen Dollar an "Reisekosten" für Besuche im Ausland erhalten hatte, die in den Jahren von 1974 bis 1976 aus dem Haushalt des Ministeriums bezahlt wurden.

Verdugo, die sich in ihrer Laufbahn als Journalistin hauptsächlich mit den Verbrechen Pinochets beschäftigt hat, sagt, sie sei nicht die Quelle des Times -Artikels gewesen. Sie erklärt überdies, dass die in der Zeitung veröffentlichten Vorwürfe bezüglich Zahlungen ausländischer Regierungen nicht aus dem Dokument hervorgehen, das sie in Santiago veröffentlicht hatte.

Es war zunächst nicht zu klären, ob die Times neue Dokumente erhalten hatte oder ob zumindest Teile ihres Berichts auf einer falschen Interpretation der von Verdugo veröffentlichten Quellen beruhen. Einige der Daten, die die Zeitung als Zahlungen aus dem Ausland nennt, stimmen exakt mit denen in der Reisekostenaufstellung des Verteidigungsministeriums überein, die das chilenische Regime in den Jahren 1974-76 selbst trug. Aber im Times -Bericht heißt es, dass der Diktator solche Zahlungen bis 1997 erhielt.

Wie dem auch sei, diese jüngsten Enthüllungen haben ein weiteres Schlaglicht auf den kriminellen Charakter der antikommunistischen Diktatur geworfen, die Washington in Chile installiert hatte. Auch wenn Pinochets rechte Verteidiger ihn durchgehend als unbestechlichen Mann mit Prinzipien gepriesen haben, machen diese Dokumente klar, dass er nicht nur ein Mörder war, sondern auch schamlos Gelder veruntreute.

Als sie Anfang Dezember das Dokument veröffentlichte, das die Zahlungen der chilenischen Regierung für Pinochets Auslandsreisen auflistet, erklärte Verdugo, dass eine Frage offen bleibe: "Wie viel von diesem Geld wanderte auf Konten und wie viel davon wurde benutzt, um Verbrechen zu bezahlen?"

Die chilenische Journalistin merkte an, dass Pinochet für drei Kurzreisen nach Brasilien, Spanien und Argentinien in den Jahren 1974 und 1976 insgesamt 2,3 Millionen Dollar ausgab. Während seiner Reise nach Spanien traf sich der Diktator mit Stefano Delle Chiaie, dem Führer einer Gruppe italienischer Faschisten, der den versuchten Mord an Bernardo Leighton und Ehefrau organisiert hatte. Leighton, ein ehemaliger Vizepräsident, war einer der wenigen chilenischen Christdemokraten, die sich gegen den Staatsstreich stellten. Er lebte zu dem Zeitpunkt im Exil in Rom.

Ein Teil des Geldes wurde auch in der Zeit außer Landes gebracht, als die chilenische Geheimpolizei DINA eine Schlüsselfunktion bei der Vorbereitung der Operation Condor einnahm. Die Operation Condor war ein vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützte Zusammenarbeit zwischen dem Pinochet-Regime und den Diktaturen in Argentinien, Brasilien, Bolivien, Uruguay und Paraguay mit dem Ziel, politische Gegner im Exil aufzustöbern und umzubringen. Mindestens 200 Chilenen starben im Zuge der Operation und Tausende wurden in ganz Lateinamerika ermordet.

Verdugo hinterfragte auch den Zweck der Ausgaben in Argentinien: "Benutzte Pinochet das Geld, um General Prats zu ermorden?" Prats, der ehemalige Chef der chilenischen Armee, hatte sich dem Staatsstreich vom 11. September 1973 widersetzt, der Pinochet an die Macht brachte. Er floh mit seiner Familie nach Argentinien, wo er ein bekannter öffentlicher Kritiker der Diktatur wurde. Im September 1974 wurden er und seine Frau Sofia Cuthbert ermordet, als eine Bombe unter ihrem Auto explodierte.

Ein ehemaliger Agent der Geheimpolizei DINA, der an dem Attentat beteiligt war, wurde in Argentinien vor Gericht gestellt und wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Jahre 2.000 beantragte das argentinische Gericht die Auslieferung von sechs anderen DINA-Agenten, die an dem Mord beteiligt waren, und bezeichnete Pinochet als den "geistigen Urheber" der Ermordung, dessen Auslieferung es daher ebenfalls verlangte. Der chilenische Oberste Gerichtshof urteilte, dass Pinochet nicht ausgeliefert werden könne, da er als Senator auf Lebenszeit Immunität vor Strafverfolgung genieße.

Das Berufungsgericht in Santiago hob allerdings in einem Urteil zu Beginn dieses Monats die Immunität Pinochets auf und ermöglichte damit eine staatliche Untersuchung und Strafverfolgung des Ex-Diktators wegen der Morde an Prats und seiner Frau.

"Dies eröffnet einen neuen Weg bei der Untersuchung des Verbrechens und wird uns gestatten, die wirkliche Verantwortung von General Pinochet und anderen Beteiligten, gegen die ermittelt wird, festzustellen", sagte Pamela Pereira, die Anwältin der Familie von Prats.

Mit diesem Gerichtsentscheid hat Pinochet bereits zum dritten Mal seine Immunität eingebüßt. Im vergangenen August urteilte der chilenische Oberste Gerichtshof mit einer Mehrheit von einer Stimme, dass er für seine Rolle in der Vorbereitung der Operation Condor zur Verantwortung gezogen werden kann. Pinochet hat jede Verantwortung für das internationale Programm zur Ermordung von Regimegegnern vor sich gewiesen und gegenüber den chilenischen Medien erklärt, er habe als Chiles Herrscher "keine Zeit gehabt, um sich um kleinere Fragen zu kümmern".

Im Jahre 2001 hatte er im Zusammenhang mit dem Fall "Karawane des Todes" seine Immunität verloren. Dies war der Name einer Operation, bei der ein speziell zu diesem Zweck zusammengestelltes Schwadron von chilenischen Armeeoffizieren im Land umherreiste, um systematisch politische Gefangene zu ermorden.

Die Gerichte hatten im Fall "Karawane des Todes" einem zeitweiligen Aussetzen des Verfahrens zugestimmt. Den Grund dafür bildete Pinochets Behauptung, er sei wegen Altersdemenz prozessunfähig.

Der ehemalige Diktator benutzte dieselbe Behauptung, um im Jahre 2000 einer Auslieferung nach Spanien zu entgehen, nachdem er über anderthalb Jahre in Großbritannien unter Hausarrest gehalten worden war. Der spanische Richter Baltasar Garzón hatte Pinochet Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen und seine Anklage auf das Verschwinden von sowie Morde und Folter an spanischen und chilenischen Bürgern basiert. Diese Klage ist noch anhängig. Garzón hat außerdem eine neue Anklageschrift gegen Pinochet und seine Ehefrau Lucia Hiriart verfasst, die in Zusammenhang mit den millionenschweren Konten bei der Riggs Bank steht und in der er ihnen vorwirft, eine internationale Verfügung verletzt zu haben, nach der das Vermögen des pensionierten Generals eingefroren war.

Die Enthüllungen, dass Pinochet selbst seine verschlungenen Geschäfte mit der Washingtoner Bank in der Hand hatte, haben Forderungen nach einer strafrechtlichen Verfolgung Pinochets für die Morde und Folter an Zehntausenden Chilenen während seiner brutalen 17-jährigen Herrschaft neu aufleben lassen.

"Dies ist eine Situation, die von dem Richter gelöst werden muss, der mit dieser Untersuchung beauftragt ist", sagte die Anwältin der Prats-Familie. "Wir haben immer gesagt, dass General Pinochet weder verrückt noch geisteskrank ist. Dies ist nur eine Strategie, die von seiner Verteidigung benutzt wird, weil uns seine Verantwortung in dieser Sache bekannt ist. [...] Es konnte festgestellt werden, dass er in der Lage ist, komplexe finanzielle Operationen zu unternehmen."

Pinochets Behauptung, geistig unzurechnungsfähig zu sein, wird auch durch ein auf Video aufgezeichnetes Interview in Zweifel gezogen, das er vor kurzem einer Fernsehstation in Miami zur Verfügung stellte. In dem Video leugnet er in klaren und präzisen Worten die Verantwortung für Verbrechen, die sich unter seinem Regime zutrugen.

Im vergangenen Juli wurde bekannt, dass die Riggs Bank Auslandskonten für Pinochet und seine Familie weitergeführt hatte, auf denen sich zwischen 4 und 8 Millionen Dollar befanden und die zum Teil unter falschen Namen wie "Daniel Lopez" und "Ted Fox" liefen. Die Untersuchung des amerikanischen Senats brachte ans Licht, dass die Riggs Bank verbotenerweise ihre Beziehungen zum ehemaligen Diktator vertuscht hatte und dabei von dem hochrangigen staatlichen Bankenprüfer R. Ashley Lee unterstützt wurde, der nachfolgend aus dem Staatsdienst ausschied und in den Vorstand der Bank wechselte.

Das Management der Bank unterhält enge Verbindungen zur Bush-Regierung und dem Washingtoner Establishment. Zur Bank gehört ein Geldanlageunternehmen, das von dem Onkel des derzeitigen US-Präsidenten geleitet wird. Die Bank selbst gehört den Allbrittons, einer texanischen Familie mit sehr engen Verbindungen zur Bush-Familie. Eine der Briefkastenfirmen, die gegründet wurden, um Pinochets Vermögen zu verstecken, trug den Namen "Allbritton Fund".

Während ursprünglich berichtet worden war, Pinochet habe diese Konten erst ab 1996 eröffnet, ist inzwischen deutlich geworden, dass seine Verbindungen zu der Bank bis zur Mitte der 1980-er Jahre zurückgehen, als er noch Militärdiktator über Chile war. Im November wurden zehn neue Konten entdeckt, deren Gesamtwert auf über 16 Millionen Dollar geschätzt wird.

Neben den Mord- und Folteranklagen sieht sich Pinochet nun damit konfrontiert, wegen Geldwäsche und Steuerflucht vor Gericht gestellt zu werden. Diese Vorwürfe haben in der chilenischen Finanzelite für Aufruhr gesorgt, denn solche Praktiken sind in diesen Kreisen weit verbreitet.

Die Riggs Bank schätzt Pinochets persönliche Vermögen auf insgesamt 100 Millionen Dollar. Woher hat er dieses Geld? Das Gehalt eines chilenischen Generals reicht für solch eine Vermögensbildung zweifellos nicht aus.

Neben der Plünderung des Staatshaushalts soll Pinochet auch an illegalen Waffenlieferungen nach Kroatien und am Drogenhandel beteiligt gewesen sein. Sein Sohn, ein ehemaliger Armeehauptmann, stand in den 1990-er Jahren im Zentrum von Ermittlungen wegen des illegalen Verkaufs einer Waffenfabrik an die Armee für 3 Millionen Dollar. Die Regierung stoppte 1995 die Ermittlungen, weil sie angeblich die "nationale Sicherheit" gefährdeten.

Und dann ist da noch die Beute aus dem "schmutzigen Krieg", den die Pinochet-Diktatur gegen die chilenische Bevölkerung führte. In vielen Fällen ermordete, folterte und verhaftete das Regime seine Gegner nicht nur, sondern zog auch ihr Vermögen ein und teilte es unter den hochrangigen Offizieren auf.

Die neuen Enthüllungen über Pinochets unrechtmäßig erworbenes Vermögen kamen inmitten einer nationalen Kontroverse, die durch den lange zurückgehaltenen offiziellen Bericht der Nationalen Kommission zu Folter und Politischen Gefangenen ausgelöst worden war. Der Bericht stellt fest, dass die Gräueltaten, die unter der Diktatur verübt wurden, Teil eines systematischen Plans zur Einschüchterung der chilenischen Bevölkerung waren, den das Pinochet-Regime ausgeheckt hatte. Etwa 35.000 Menschen meldeten sich als Zeugen und sind bereit, zu den an ihnen verübten Folterungen auszusagen. Es ist klar, dass es Zehntausende mehr gibt, die aus verschiedenen Gründen nicht öffentlich aussagen und als Folteropfer erkannt werden wollen.

Der Bericht löste eine Reihe von formalen Stellungnahmen seitens der drei Militärabteilungen, der Polizei und anderen Staatsinstitutionen aus, die ihr Bedauern angesichts der Verbrechen ausdrücken, aber jede Verantwortung dafür zurückweisen.

Der Rat ehemaliger Politischer Gefangener in Santiago reagierte mit einem eigenen Bericht, in dem fast 2.000 derzeitige und ehemalige Mitglieder der chilenischen Sicherheitskräfte namentlich genannt werden, die von den Opfern als Folterer identifiziert worden waren.

Der Bericht mit dem Titel "Wir, die Überlebenden, klagen an" verurteilt nicht nur das Militär sondern die chilenische Gesellschaft als Ganze - auch die Richter, die praktisch jeden Antrag zugunsten derjenigen, die in den Folterkammern des Regimes verschwanden, ablehnten, wie auch die Medien, die der Diktatur nach dem Mund redeten und die Verletzung der Menschenrechte leugneten.

Die Regierung der Sozialistischen Partei unter Präsident Ricardo Lagos reagierte auf die Dokumente, indem er die Entlarvung der Folterknechte zynisch mit den Verbrechen des Regimes gleichsetzte. "Was hat Chile aus der Diktatur gelernt?" fragte Francisco Vidal, Sprecher im Präsidentenpalast La Moneda. "Dass man Menschen nicht in der Presse stigmatisieren kann. Menschen müssen, wenn es einen Grund dafür gibt, im Gerichtssaal angeklagt werden." Er betonte, dass die Regierung selbst nicht die Absicht hat, den Bericht zu nutzen, um die Verbrecher des Pinochet-Regimes vor Gericht zu stellen.

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