Deutsche Telekom will 32.000 Arbeitsplätze abbauen

Die Deutsche Telekom, mit 245.000 Beschäftigten der größte Telekommunikationskonzern Europas, kündigte am 2. November den Abbau von 32.000 seiner 170.000 Arbeitsplätze in Deutschland an. Die Zahl relativiert sich möglicherweise etwas, weil in bestimmten Bereichen des Unternehmens neue Arbeitsplätze entstehen. Andererseits hat die Unternehmensführung Spekulationen darüber, dass in den kommenden drei Jahren bis zu 45.000 Arbeitsplätze wegfallen könnten, nicht widersprochen.

In jüngster Zeit kündigten andere Großunternehmen bereits den massiven Abbau von Arbeitsplätzen an. Opel, Daimler-Chrysler, VW und Siemens streichen insgesamt etwa 38.000 Stellen. Bei der Allianz verdichten sich Meldungen über 7.000 bis 8.000 bedrohte Arbeitsplätze, und ihre Tochter, die Dresdner Bank, will 2.000 Stellen streichen. Das Handwerk erwartet, dass im Jahr 2005 etwa 120.000 Stellen fortfallen und 2006 weitere 80.000. Am stärksten betroffen ist das Bauhandwerk. Diese Liste verlängert sich durch die Werkschließungen von Infineon und Samsung in München und Berlin - jeweils etwa 800 Stellen - und die Schließung der Aluminiumhütte in Stade - 420 Stellen.

Die Freisetzung dieser vielen zukünftigen ‚Parasiten’ und ‚Schmarotzer’ (Ex-Wirtschaftsminister Clement) erfasst alle Bereiche des Wirtschaftslebens und betrifft sowohl Beschäftigte in Unternehmen, die derzeit magere Profite erzielen - beispielsweise VW und Daimler mit Umsatzrenditen von 1,8 bzw. 1,1 Prozent - als auch profitable Unternehmen wie die Deutsche Telekom.

Nur wenige Tage, nachdem die geplanten Personalkürzungen publik gemacht wurden, gab der Telekom-Vorstand die Wirtschaftsergebnisse für die ersten drei Quartale 2005 bekannt. Der Umsatz nahm um 3,6 Prozent zu - 2004 belief er sich auf 57,9 Mrd. Euro -, und der bereinigte Gewinn stieg um 11,4 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro.

Der Unterschied zu VW und Daimler-Chrysler besteht bei der Deutschen Telekom lediglich darin, dass Daimler und VW den internationalen Konkurrenzdruck schon in ihren Bilanzen ablesen können, während es bei der Deutschen Telekom darum geht, einer solchen Krise durch derartige Entscheidungen vorzugreifen. Die damit verbundene Senkung der Arbeitskosten wurde von der Börse mit einem knapp 3-prozentigen Kurssprung der T-Aktie gewürdigt.

Bei der Telekom gibt es eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, die bis 2008 betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Aus diesem Grunde ist es auch schwer, die bereits längere Zeit überflüssigen Beschäftigten, die in der unternehmenseigenen Beschäftigungsgesellschaft Vivento ihres weiteren Schicksals harren, einfach zu entlassen. Vivento hat ein eigenes Call-Center und ein technisches Service-Center gegründet. Beide sollen nun verkauft werden, was zur Folge hätte, dass die Deutsche Telekom sich unauffällig der dort beschäftigten Mitarbeitern entledigt. In den Medien werden diese 7.000 Unerwünschten gern von der im Raum stehenden Zahl 32.000 abgezogen. Das Handelsblatt vom 3.November 2005 erklärte indirekt, was es mit dieser Subtraktion wirklich auf sich hat: "Branchenkenner", heißt es, seien der Meinung, dass die Telekom "für die beiden Einheiten kein Geld erhalten (wird), sondern ähnlich wie Siemens für seine Handy-Sparte einem Käufer noch etwas zahlen müsse."

Mit den für ihn überflüssigen Mitarbeitern der Festnetzsparte (T-Com) hat der Telekkommunikationsriese dagegen ein größeres Problem. Die Sparte ist profitträchtig - 60 Prozent des Konzerngewinnes kommen aus der T-Com -, aber der technologische Wandel gebietet die Abkehr vom traditionellen Festnetz. Von den 80.000 Mitarbeitern dieser Sparte sollen 20.000 bereits bis zum Jahre 2008 gehen. Problematisch ist für den Konzern dabei, dass 50 Prozent der Beschäftigten dieser Sparte Beamte und weitere 30 Prozent unkündbar sind. Die hohe Summe von 3,3 Mrd. Euro als Anreiz für "freiwillige Personalabbauinstrumente" werden allgemein als sehr hoch eingeschätzt, erklären sich jedoch aus dieser Besonderheit.

Konzernchef Kai Uwe Ricke erläuterte in einem Interview mit der WELT, wo das Problem für das Unternehmen liegt. Aufgrund der Konkurrenz im Inland verliere die T-Com monatlich 100.000 Kunden. Call by Call und Preselection täten ein weiteres. Die Anzahl der Festnetzgespräche stagniere bereits und bis 2014 erwarte man, dass der Erlös aus dem Mobilfunkgeschäft doppelt so hoch sein werde wie der aus dem Festnetzgeschäft.

Die Zunahme des Mobilfunks ist allerdings gegenüber der zukünftigen Internettelefonie für das klassische Festnetz das kleinere Problem. Das Glasfasernetz, welches die Telekom in Deutschland für 3 Mrd. Euro errichten will, soll dazu führen, dass die Übertragung von Daten etwa 50 Mal schneller vonstatten geht als bei DSL-Anschlüssen. "Unsere Vision ist es", verkündete Kai Uwe Ricke vor der Eröffnung der Internationalen Funkausstellung, "dass der Kunde über einen einzigen Anschluss - und zwar unseren Breitbandzugang - den Anschluss an die gesamte Vielfalt der Multimediawelt erhalten soll, und das mit den unterschiedlichsten Endgeräten: Heute sind das Telefon, Fernseher, PC, Videotelefon oder Multimediaboxen."

Telefonieren per Internet ist auch heute bereits per DSL möglich, wenn auch mit qualitativen Abstrichen, aber konkurrenzlos günstig. Die aufgezeigte technologische Entwicklung bedeutet mittelfristig das Ende des klassischen Festnetzes.

Man muss deshalb kein Prophet sein, um zu erkennen, dass das Jahr 2008 und die Zahl von 20.000 abzubauenden Stellen nur eine erste Marke auf einem längeren Weg sind.

Auch in der Geschäftskundensparte T-Systems, die derzeit 52.000 Beschäftigte hat, sollen 5.500 Stellen fortfallen. Vor allem beim IT-Outsourcing und dem Systemintegrationsgeschäft stehe T-Systems unter Druck, teilte Kai-Uwe Ricke im Interview mit: "Konkurrenten haben Prozesse zunehmend ins Ausland ausgelagert, wodurch sie Dienstleistungen zum Teil erheblich preiswerter einkaufen können. Unser Ziel muß es deshalb sein, ähnlich gute Kostenstrukturen wie bei unseren Konkurrenten zu erreichen."

Internationale Konkurrenz der Global Player

Hintergrund dieser Entwicklung ist der wachsende Druck auf den Weltmärkten insgesamt, und hier auf dem Telekommunikationsmarkt. Wie bei anderen Produktionsfaktoren sind auch die Kosten für Kommunikation Teil der Standortbedingungen. Der zunehmende Konkurrenzkampf, der zu immer weiteren Rationalisierungen zwingt, ließ spätestens seit den 80er Jahren auch die Kosten für Kommunikation in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken.

Mit der Privatisierung der Britisch Telecom Anfang der 80er Jahre machte die Thatcher-Regierung in Europa den Anfang, mit der Einführung von Wettbewerb in den Staatsbetrieben, radikale Kürzungen durchzusetzen. In Frankreich und Deutschland wurden zwar ähnliche Deregulierungen vorgenommen, sie waren aber bis in die 90er Jahre hinein wegen der besseren Wirtschaftssituation in Kerneuropa wesentlich zurückhaltender.

Mit dem steigenden Druck durch die Globalisierung wurde auch in den übrigen europäischen Ländern nach den Maßgaben der Europäischen Union die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes betreiben. In Deutschland hieß es, dass die frühere Post in die Bereiche Telekom und (klassische) Post aufgeteilt und über die Börse zumindest teilprivatisiert wurde. Im europäischen Maßstab bedeutete dies, dass die früher national geschlossenen Märkte für Konkurrenten geöffnet wurden und die ehemaligen Staatskonzerne sich seit dem zunehmend im Wettbewerb behaupten müssen. Die jeweiligen Regulierungsbehörden überwachen dabei, dass die früheren Staatsmonopole nicht ihrer natürlichen Tendenz folgend, Konkurrenten mit ihrer noch bestehenden Macht vom Markt fernhalten und letztendlich die Preise hochhalten können. Dieser Druck wird nun immer direkter und in für europäische Verhältnisse unbekannten Ausmaßen auf die Belegschaften weitergeleitet und lässt somit die Fratze des längst überwunden geglaubten gewöhnlichen Kapitalismus in den noch immer so bezeichneten "Sozialstaaten" immer deutlicher werden.

Siehe auch:
Lohnkürzungen und Personalabbau bei Daimler und VW
(21. Oktober 2005)
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