Belegschaft des AEG-Werks Nürnberg im Streik

Ab dem heutigen Freitag streiken die rund 1.700 Beschäftigten des Nürnberger AEG-Stammwerks. Mehr als 96 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder stimmten am Dienstag in einer Urabstimmung für den Arbeitskampf, nachdem zwei Verhandlungsrunden zwischen IG-Metall und der AEG-Geschäftsführung über einen Sozialtarifvertrag in der letzten Woche gescheitert waren.

Während die Belegschaft weiter um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen will, hat die IG Metall die Schließung des Werks bis Ende 2007 bereits akzeptiert. Mit dem Einstig in die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag will sie die Schließung lediglich noch "so teuer wie möglich machen".

Der Empfehlung, die Verhandlungen als gescheitert zu werten, war die große Tarifkommission am Freitag letzter Woche nachgekommen und hatte damit den Weg für eine Urabstimmung freigemacht.

Nachdem es bereits unmittelbar nach Bekanntgabe der Schließungspläne durch den Vorstand des Electrolux-Konzerns, dem das AEG-Werk mittlerweile gehört, zu massiven Protesten der Belegschaft gekommen war, hatten sich Betriebsrat und Management entschlossen, die Belegschaft bis zum 4. Januar in Urlaub zu schicken und so von weiteren Aktionen abzuhalten. Doch die Beschäftigten zeigten sich auch danach unvermindert kampfbereit.

So wurden die Verhandlungen über den Sozialtarifvertrag von weiteren Protesten der Belegschaft begleitet. Bereits nach den ergebnislosen Verhandlungen vom Montag voriger Woche legten einige hundert Beschäftigte die Arbeit nieder und versammelten sich am Werkstor. Am Dienstag wurden die Proteste fortgesetzt. Es wurden spontane Versammlungen abgehalten und ein großer Teil der Belegschaft arbeitete betont langsam.

Nachdem bekannt geworden war, dass die Verhandlungen endgültig gescheitert waren, versammelten sich am Freitagmorgen zwischen fünf- und sechshundert Arbeiter zu einem Warnstreik, um erneut für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren.

Bei den kurzen Gesprächen vom Vortag in Ingolstadt hatte sich deutlich gezeigt, dass das AEG-Management zu keinerlei Zugeständnissen an die Belegschaft bereit ist. Entgegen der Ankündigung während der ersten Verhandlung in München legten die Arbeitgebervertreter nicht einmal ein Angebot vor. Stattdessen beschuldigten sie die Gewerkschaftsvertreter, nicht ernsthaft an einer Lösung des Konflikts interessiert zu sein, sondern einen Arbeitskampf provozieren zu wollen. Die Gewerkschaft plane "bereits seit Tagen generalstabsmäßig Streiks und andere Protestmaßnahmen", erklärte ein Unternehmenssprecher.

Das AEG-Management hatte vor einer möglichen Einigung eine Zusicherung von Betriebsrat und Gewerkschaft verlangt, bis Ende Januar auf jegliche Protestaktion zu verzichten. Aufgrund der angespannten Stimmung in der Belegschaft schien den Gewerkschaftsvertretern eine solche Zusage jedoch als zu riskant. Ein Gewerkschaftssprecher erklärte, man könne dem nicht nachkommen, weil "die Belegschaft nicht mehr will".

Electrolux- und AEG-Management bekräftigten derweil ihren Kurs. Die Konzernleitung erklärte nochmals, dass die Schließung beschlossen sei und die Maßnahmen für die Belegschaft nicht über das bei der Schließung anderer Standorte übliche Maß hinausgingen.

Nürnberg ist einer von 14 Standorten in "Hochlohnländern", der in den kommenden Jahren geschlossen werden soll. Die Betriebe sollen nach Osteuropa, Asien und Südamerika verlagert werden. Der schwedische Konzernchef Hans Straberg will darüber hinaus die lukrativsten Teile des Unternehmens zusammenfassen und unter dem Namen Husqvarna an die Börse bringen. Dabei ist mit weiteren Entlassungen und Kürzungen zu rechnen.

Das Management von AEG und Electrolux zeigt sich nicht nur in der Frage des Sozialtarifvertrags unnachgiebig, der Konzern schreckt auch vor weiteren Provokationen nicht zurück. Etwa hundert Beschäftigte der AEG Logistik GmbH werden derzeit gedrängt, einer tariflichen Neueingruppierung zum 1. Februar zuzustimmen. Die Logistikabteilung wurde in eine eigenständige GmbH umgewandelt, um dann aus dem Metallarbeitgeberverband auszutreten. Nun sollen die niedrigeren Tarife des Groß- und Einzelhandelverbandes angewendet werden.

Den Beschäftigten drohen dadurch erhebliche Lohneinbußen. Nach Angaben des Betriebsrats würde ein gelernter Lagerarbeiter mit 2.300 Euro Bruttoverdienst 400 Euro weniger verdienen. Bei hochqualifizierten Beschäftigten mit einem Gehalt von 4.500 Euro würde sich der Verdienst um sage und schreibe 2.000 Euro mindern.

Zudem droht das Management, die AEG-Fabrik im nahe gelegenen Rothenburg ob der Tauber, wo 1.300 Beschäftigte Einbauherde produzieren, in die Stillegungspläne mit einzubeziehen. Anhaltende Negativschlagzeilen über AEG könnten die Marke insgesamt beschädigen und die Rothenburger Arbeitsplätze gefährden, droht der AEG-Vorstand.

Dass die Konzernleitung derart dreist und unnachgiebig auftreten kann, liegt zum großen Teil an der feigen Haltung von Gewerkschaften und Betriebsrat, deren Politik auf einen Kompromiss mit dem Unternehmen und die reibungslose Abwicklung der Beschäftigten abzielt.

Unmittelbar nachdem Electrolux die Schließung des Nürnberger Werks angekündigt hatte, erklärten hochrangige Gewerkschaftsvertreter, dass sie der Vernichtung von über 1.700 Arbeitsplätzen nichts entgegensetzen könnten. Es gehe nur noch darum, für die bald arbeitslosen Beschäftigten möglichst viel herauszuholen.

Dementsprechend waren auch die Forderungen der Arbeitnehmervertreter in den Verhandlungen mit der Konzernleitung. Hohe Abfindungen, die Gründung einer Auffanggesellschaft und großzügige Vorruhestandsregelungen für ältere Mitarbeiter lauteten die Kernpunkte des Pakets, mit dem sie in die Verhandlungen gingen.

Selbst bei diesen ohnehin milden Forderungen waren die Verhandlungsführer der Gewerkschaft noch zu Zugeständnissen bereit. IG-Metall Bezirkschef Werner Neugebauer erklärte am Freitag: "Die Verhandlungen hätten innerhalb von drei Stunden erfolgreich beendet werden können, wenn die Werksspitze zwei Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr und zwei Jahre Beschäftigungsgesellschaft vorgeschlagen hätte." Die bisherige Forderung hatte bei drei Monatsgehältern Abfindung pro Beschäftigungsjahr und Beschäftigungsgesellschaft bis 2010 gelegen.

Seit Beginn der Proteste versuchen Gewerkschaft und Betriebsrat systematisch, diese zu unterbinden, bzw. klein zu halten. Die Vereinbarung vor Weihnachten, die Belegschaft zwangsweise in Urlaub zu schicken, diente diesem Ziel. Auch am Freitag, als sich Hunderte Arbeiter versammelten, rief der Betriebsratsvorsitzende Harald Dix nach kurzer Kundgebung dazu auf, nach Hause zu gehen und nicht weiter auf dem Werksgelände zu bleiben. Auf diese Weise sollen spontane Aktionen unterbunden werden.

Während Gewerkschaftsvertreter sich vor der Belegschaft kämpferisch geben und zum Streik aufrufen, versuchen sie schnellstmöglich eine Einigung mit dem Management zu erzielen. Sie forderten die Unternehmensvertreter auf, ihre "Blockadehaltung" aufzugeben und an den Verhandlungstisch zurück zu kehren.

Siehe auch:
Die Schließung des AEG-Werks in Nürnberg und die Rolle der Gewerkschaften
(11. Januar 2006)
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