Bundeswehr will 2.000 Soldaten bei der Fußball-WM einsetzen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nutzt die Fußballweltmeisterschaft als Brechstange, um den Weg für Bundeswehreinsätze im Innern frei zu machen. Solche Einsätze werden bisher durch das Grundgesetz untersagt.

Nachdem sich Schäuble in den vergangenen Wochen wiederholt öffentlich für einen Bundeswehreinsatz ausgesprochen hatte, meldete die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf einen Bericht des Verteidigungsministeriums, dass entsprechende Planungen bereits weit fortgeschritten sind.

Danach sollen während der Fußball-WM in diesem Sommer mindestens 2.000 Bundeswehrsoldaten zum Einsatz kommen. Bundes- und Landesbehörden hätten bislang mehr als hundert Unterstützungsleistungen beantragt, die das Verteidigungsministerium bereits am 9. Januar gebilligt habe, heißt es in dem Bericht.

Geplant sind unter anderem: Der Einsatz von ABC-Spezialkräften an allen Spielorten zum Schutz vor Attacken mit atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffen, die Errichtung eines notfallchirurgischen Zentrums am Spielort Kaiserslautern, die Bereitstellung eines mobilen Kontrollturms auf dem Flughafen Stuttgart und der Einsatz von CH-53-Hubschraubern für den Transport von Verletzten. Außerdem will die Bundeswehr in 40 Gebäuden Unterkünfte für mehr als 5.900 Einsatzkräfte zur Verfügung stellen und bis zu 150.000 Mahlzeiten für Polizisten bereitstellen.

Hinzu kommt die Überwachung des Luftraums durch fliegende Awacs-Radarstationen der Nato, deren Einsatz Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) laut dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Bericht bereits mit der Nato abgesprochen hat.

Das Papier des Verteidigungsministeriums, so die Süddeutsche Zeitung, vertrete den Standpunkt, der geplante Einsatz verstoße nicht gegen das Grundgesetz, da es sich um "technische Amtshilfe" handle. Zu diesem Zweck war die Bundeswehr - allerdings in weit geringerem Ausmaß - auch schon bei früheren Anlässen, wie etwa der Überschwemmungskatastrophe an der Oder, eingesetzt worden. Die Soldaten würden "nicht als Organ der vollziehenden Gewalt mit Zwangsbefugnissen gegenüber Dritten" tätig werden, heißt es in dem Papier, daher könne von einem Verstoß gegen das Grundgesetz keine Rede sein.

Doch das ist Augenwischerei. Die Vorgehensweise von Schäuble und Jung erinnert an die Art und Weise, wie in den 90er Jahren Auslandseinsätze der Bundeswehr, die damals ebenfalls als grundgesetzwidrig galten, gegen öffentlichen Widerstand durchgesetzt wurden.

Auch hier ging es Anfangs nur um "technische Hilfe" - wie den Einsatz von Minensuchboten im Persischen Golf, von Sanitätstruppen in Kambodscha, die Leistung "humanitärer Hilfe" in Somalia und später den Einsatz von ABC-Spürpanzern in Kuwait. 1994 interpretierte dann das Bundesverfassungsgericht die Bestimmungen des Grundgesetzes völlig neu, und im Sommer 1995 gab der Bundestag erstmals grünes Licht für einen Kampfeinsatz: Die Teilnahme deutscher Kampfflugzeuge am Krieg gegen Jugoslawien.

Mittlerweile ist die Zustimmung zu solchen Einsätzen oder deren Verlängerung zu einer Routineangelegenheit geworden, die im Bundestag kaum mehr eine Debatte auslöst. Bundeswehrsoldaten sind vom Hindukusch bis zum Horn von Afrika in ständigem Einsatz.

In ähnlicher Weise soll nun der Boden für Bundeswehreinsätze im Innern bereitet werden. Entsprechende Anstrengungen gehen bis in die sechziger Jahre zurück, als Abgeordnete der Union den Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten und Streikende forderten. Mit der Verabschiedung der Notstandsgesetze war das Grundgesetz dann 1968 durch entsprechende Regelungen ergänzt worden.

Artikel 87a erlaubt den Einsatz der Streitkräfte zum Schutz ziviler Objekte, zur Wahrnehmung von Aufgaben der Verkehrsregelung und zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen, beschränkt dies allerdings strikt auf den Verteidigungs- und Spannungsfall. Von einem solchen Fall kann bei der Fußball-Weltmeisterschaft - selbst bei weitestgehender Interpretation - keine Rede sein.

Weiter gestattet Artikel 87a den Einsatz von Streitkräften "bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer", wenn es darum geht, eine "drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes" abzuwehren und Polizei und Bundesgrenzschutz dafür nicht ausreichen.

Seither gab es immer wieder Bemühungen, die Voraussetzungen für den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu erweitern. Wolfgang Schäuble spielte dabei eine Vorreiterrolle.

Bereits 1985 wollte der damalige Innenminister einen Bonner Weltwirtschaftsgipfel durch die Bundeswehr gegen mögliche Anschläge aus der Luft schützen lassen. Während der Auseinandersetzung über die Ausländseinsätze der Bundeswehr machte sich Schäuble dann erneut für einen inneren Einsatz stark. 1994 forderte er im Spiegel : "Die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sind jedenfalls nicht mehr so eindeutig zu definieren. Deshalb muss es möglich sein, auf die Bundeswehr als eine Art Sicherheitsreserve zurückzugreifen."

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 flammte die Debatte erneut auf. Die mittlerweile zur Bundeskanzlerin avancierte CDU-Vorsitzende Angela Merkel fordert damals ein "Bundessicherheitsamt", eine deutsche Version des amerikanischen Department of Homeland Security, an dem sich neben Polizei und Geheimdiensten auch die Bundeswehr beteiligen sollte.

Die Zeitschrift CILIP bilanzierte die jahrzehntelangen Bemühungen um den Inneren Einsatz der Bundeswehr damals mit den Worten: "Trotz unterschiedlicher Weltlagen sind die Argumente von CDU/CSU für einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren seit über 10 Jahren die gleichen. Zyklisch werden sie bei sich bietendem Anlass vorgetragen. Dabei spielt weder die reale Bedrohungslage eine Rolle noch die Frage nach den tatsächlichen Fähigkeiten der Bundeswehr im Inneren." (1)

Die Fußball-WM bietet Schäuble erneut einen willkommenen Anlass, eine Bresche für den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu schlagen. Dabei geht es nur vordergründig um die Abwehr einer angeblichen terroristischen Bedrohung. Und die Versorgung der Polizei mit Mahlzeiten könnte auch eine private Catering-Firma übernehmen. Angesichts wachsender Arbeitslosigkeit und sozialer Spannungen geht es Schäuble darum, einen Präzedenzfall zu schaffen. Der Einsatz von Soldaten auf heimischen Straßen - seit den bitteren und blutigen Erfahrungen des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und der Nazi-Diktatur ein Tabu - soll wieder zur Normalität werden.

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(1) Stefan Gose, "Bundeswehr im Innern", Bürgerrechte und Polizei/CILIP 70 (3/2001), http://www.cilip.de/ausgabe/70/bundeswehr.htm

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