VW kündigt ein "historisches Sparprogramm" und den Abbau von 20.000 Arbeitsplätzen an

In einer offiziellen Börsenmitteilung kündigte VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder am Freitagnachmittag ein "tief greifendes Restrukturierungsprogramm" an. Die Arbeitskosten in den westdeutschen Werken müssten deutlich gesenkt und die Auslastung gesteigert werden. Nach Angaben von Pischetsrieder ist das Programm auf drei Jahre ausgerichtet. Betroffen seien bis zu 20.000 Mitarbeiter im "direkten und indirekten Bereich" der Pkw-Marke Volkswagen.

Insgesamt beschäftigt VW in seinen sechs westdeutschen Werken gut 100.000 Mitarbeiter. Einzelheiten der Sparmaßnahmen wurden zunächst nicht bekannt gegeben. Doch Pischetsrieder deutete an, dass neben einer detaillierten Überprüfung von Produktionsabläufen und Optimierungsmaßnahmen auch eine "Neuordnung der Komponentenfertigung" und der Montage auf dem Programm stehe. Derzeit lässt der Konzern Autoteile wie Motoren, Achsen und Getriebe in eigenen Werken in Salzgitter, Braunschweig und Kassel produzieren. Vor allem das Werk in Braunschweig gilt als gefährdet. Auch ein Verkauf einzelner Werke wird nicht ausgeschlossen.

Auf derselben Pressekonferenz gab der Vorstandsvorsitzende bekannt, dass sich der Konzern-Umsatz im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 95,3 Milliarden Euro erhöht habe. Trotz herber Einbußen in Nordamerika und China habe VW mit 5,24 Millionen Fahrzeugen weltweit so viele Fahrzeuge verkauft wie nie zuvor.

Auch der operative Gewinn einschließlich Sondereffekten sei um 70 Prozent auf 2,79 Milliarden Euro gestiegen und habe damit die Erwartungen der Analysten übertroffen. Dass die Ergebnisse so stark verbessert werden konnten, liegt zu großen Teilen am bereits laufenden Sparprogramm "ForMotion". Allein durch dessen Maßnahmen sei das Ergebnis um 3,5 Milliarden Euro jährlich verbessert worden, teilte VW mit.

An der Börse schoss die VW-Aktie nach Bekanntgabe des Sparprogramms nach oben. Ihr Kurs stieg zeitweise auf den höchsten Stand seit Juni 2002. Kurz vor Börsenschluss notierte sie bei 54,00 Euro, ein Plus von 6,6 Prozent.

"Während bei den Mitarbeitern gespart wird, soll die Dividende für die Aktionäre angehoben werden", schreibt Spiegel online. "Für das Jahr 2005 steigt die Dividende auf 1,15 Euro je Aktie, nach 1,05 Euro im Jahr davor."

Gewerkschaft bietet Unterstützung an

In einer ersten Stellungnahme der Industriegewerkschaft Metall heißt es: "Angesichts der schwierigen Situation, in der sich das Unternehmen befinde, sieht auch die IG Metall die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Effizienzverbesserung und zur Beseitigung von Produktivitätsdefiziten."

Die Gewerkschaft macht darauf aufmerksam, dass sie und der Betriebsrat "in der Vergangenheit immer wieder die Optimierung von Prozessen und die Bedeutung innovativer Arbeitsorganisation" betont und mitgestaltet haben.

Ende September vergangenen Jahres hatte die IG Metall für einen Teil der Belegschaft einer Lohnsenkung von 20 Prozent zugestimmt. Die Geschäftsleitung hatte angekündigt, einen neuen VW-Geländewagen nicht im Stammwerk in Wolfsburg sondern in Portugal zu produzieren. Im dortigen Werk Palmela lägen die Produktionskosten um 1.000 Euro pro Fahrzeug niedriger. Nur wenn die Löhne drastisch gesenkt würden, werde der Geländewagen in Deutschland produziert. Die IG Metall stimmte der Erpressung zu und feierte die Vereinbarung als "Erfolg für die Verteidigung der Arbeitsplätze".

Die Kompromissbereitschaft der Gewerkschaft ermutigt die Unternehmensleitung zu immer neuen Angriffen auf die Arbeiter.

Die jüngsten Ankündigungen aus Wolfsburg müssen in Zusammenhang mit einer ganzen Welle von Entlassungen und Stilllegungen gesehen werden, die gegenwärtig in vielen Betrieben stattfinden oder vorbereitet werden. Allein die Telekom plant 32.000 Entlassungen, jeweils etwa 8.000 Arbeitsplätze sollen bei Daimler-Chrysler und Siemens abgebaut werden. Der Karstadt-Quelle Konzern kündigte 5.700 und die HypoVereinsbank 2.400 Entlassungen an. Jede Woche kommen neue Ankündigungen von Massenentlassungen hinzu.

Seit mehreren Wochen kämpfen die Beschäftigten des traditionsreichen AEG-Werks in Nürnberg gegen die Schließung. Mitte Dezember hatte die Unternehmensleitung des schwedischen Elektrokonzerns Elektrolux die Schließung und Verlagerung der Produktion nach Polen angekündigt. 1.750 Arbeitsplätze sind unmittelbar von dem Stilllegungsbeschluss bedroht. Dazu kommen noch viele in vor- und nachgelagerten Bereichen.

Parallel zum Streik der AEG-Arbeiter haben die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg und im Saarland die Arbeit niedergelegt, um gegen die geplante Verlängerung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich zu kämpfen. Auch in anderen Bundesländern haben sich über 90 Prozent der Arbeiter und Angestellten in kommunalen Betrieben und Behörden für Streik ausgesprochen. Anfang kommender Woche wird dieser Arbeitskampf auf weitere Bundesländer ausgeweitet. Es ist der erste große Streik im Öffentlichen Dienst seit 14 Jahren.

Anstatt die Kampfbereitschaft der Beschäftigten zu bündeln und zu stärken, ist die Gewerkschaft bemüht, alle Streiks und Konflikte zu isolieren und einen nach dem anderen auszuverkaufen.

Die jüngsten Ankündigungen von Volkswagen machen deutlich, wie dringend der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei ist, die ein internationales sozialistisches Programm vertritt.

Siehe auch:
Lohnkürzungen und Personalabbau bei Daimler und VW
(21. Oktober 2005)
Das klägliche Ende des "VW-Modells"
( 22. Juli 2005)
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