Meinungsfreiheit in Dänemark: Polizei verhaftet Mitglieder der Linkssozialisten

Der dänische Regierungschef Anders Fogh Rasmussen hatte die Veröffentlichung provokativer Mohammed-Karikaturen durch die Zeitung Jyllands-Posten, die weltweit Proteste empörter Moslems auslöste, unter Hinweis auf die Presse- und Meinungsfreiheit verteidigt. Nun hat eine Polizeiaktion gezeigt, was die rechte Regierung in Kopenhagen tatsächlich von der Meinungsfreiheit hält.

Am 20. Februar verhaftete die dänische Polizei vier Mitglieder der Linkssozialistischen Partei (Venstresocialisterne, VS), unter ihnen mehrere Parteiführer, und stellte Haftbefehle gegen drei weitere aus. Der Grund: Die VS hatte im Jahr zuvor eine Firma namens Fighters & Lovers gegründet, die seit dem 10. Januar über das Internet T-Shirts mit den Initialen der Revolutionären Bewaffneten Kräfte Kolumbiens (FARC) und der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PLFP) vertrieb. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der T-Shirts war für die genannten Organisationen bestimmt.

Nun werden die VS-Mitglieder beschuldigt, eine ausländische Terrororganisation unterstützt zu haben. Dies ist in Dänemark verboten und wird mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft. Der entsprechende Paragraph 144a war 2002 als Reaktion auf die Terroranschläge in den USA ins dänische Strafgesetzbuch eingefügt worden.

Die Inhaftierten sind inzwischen wieder freigelassen worden, das Ermittlungsverfahren gegen sie läuft aber weiter. Außerdem hat die Polizei Computer und Geld beschlagnahmt und die Web Site von Fighters & Lovers geschlossen.

Die VS ist eine etablierte Partei, die seit längerem im dänischen Parlament vertreten ist. Sie war Ende der sechziger Jahre während der Studenten- und Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg aus einer Abspaltung der stalinistischen Kommunistischen Partei Dänemarks (DKP) entstanden. Von 1967 bis 1987 stellte sie jeweils zwischen vier und sechs Parlamentsabgeordnete. Der Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Osteuropa stürzte sie in eine tiefe Krise. Gegenwärtig ist sie Bestandteil der Rot-Grünen Einheitsliste, die im Parlament über sechs Mandate verfügt und von 1994 bis 2001 der sozialdemokratischen Regierung als Mehrheitsbeschafferin diente.

Ein Schwerpunkt der Arbeit der VS bildete seit jeher die Unterstützung nationaler Bewegungen in ehemaligen Kolonialländern, wie der FLN in Vietnam, von ANC und SWAPO in Südafrika, der PFLP in Palästina, der FMLN in El Salvador und der UNRG in Guatemala.

Das Vorgehen gegen die VS-Mitglieder ist ein massiver Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und ein Akt der politischen Zensur. Sowohl die FARC als auch die PFLP sind keine Terrororganisationen, sondern bürgerlich nationalistische Bewegungen mit einer langen politischen Geschichte. Ihre Unterstützung durch die VS ist völlig legitim.

Die kolumbianische FARC wurde 1966 gegründet, ihre Wurzeln gehen aber bis in die späten 1940er Jahre zurück, als der Mord am liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán eine Volkserhebung auslöste, der eine mörderische Repressionswelle und ein Bürgerkrieg auf dem Lande folgten. Die FARC entstand aus bäuerlichen Selbstverteidigungsgruppen, die sich an der stalinistischen Kommunistischen Partei orientierten. Sie lieferte sich einen jahrzehntelangen Guerillakrieg mit rechten, paramilitärischen Gruppen, die eng mit dem kolumbianischen Militär zusammenarbeiten.

Die PFLP entstand 1967. Sie gehört seit 1968 der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO an und bildet dort nach Fatah die zweitgrößte Fraktion. In den sechziger und siebziger Jahren machte sie durch spektakuläre Flugzeugentführungen von sich reden.

Die WSWS unterstützt diese Organisationen nicht. Ihr Ziel ist nicht die Befreiung der unterdrückten Arbeiter- und Bauernmassen, was nur auf der Grundlage einer internationalen sozialistischen Perspektive möglich wäre. Stattdessen üben sie Druck auf den Imperialismus aus, um von diesem anerkannt und akzeptiert zu werden und einen Platz im bürgerlichen Herrschaftsapparat zu erhalten. Dabei greifen sie zu Methoden, die völlige Gleichgültigkeit und Verachtung gegenüber der Bevölkerung an den Tag legen - Bombenanschläge gegen unbeteiligte Zivilisten und (im Falle der FARC) das Erheben von Schutzgeldern von Coca-Bauern und Drogenhändlern.

Die VS hat dennoch das uneingeschränkte Recht, die FARC und die PFLP politisch und finanziell zu unterstützen. Das ist nicht illegitim, geschweige denn ein kriminelles Verbrechen, sondern entspricht dem demokratischen Grundrecht auf Meinungsfreiheit und auf freie politische Betätigung. Fighters & Lovers haben auf ihrer Web Site zudem ausdrücklich betont, dass die durch den Verkauf der T-Shirts gesammelten Gelder für zivile und nicht für militärische Zwecke bestimmt sind: Für eine Radiostationen der FARC in Kolumbien und ein Grafikstudio der PFLP in den Palästinensergebieten.

Die Tatsache, dass FARC und PFLP auch zum Mittel des bewaffneten Kampfs greifen, macht sie nicht zu terroristischen Organisationen, wie die US-Regierung und die Europäische Union behaupten, die beide auf einer Liste terroristischer Organisationen führen. Die USA und die europäischen Mächte haben selbst wiederholt bewaffnete Organisationen unterstützt, wenn sie ihnen außenpolitisch ins Konzept passten, auch wenn sie gegen völkerrechtlich anerkannte Regierungen kämpften - man denke nur an die Mudschaheddin im Afghanistan der achtziger oder die UCK im Kosovo der neunziger Jahre. Letzterer verhalf die Nato sogar durch eine bewaffnete Intervention gegen Jugoslawien an die Macht, obwohl die UCK selbst für ethnische Massaker verantwortlich und tief in den Drogenhandel verstrickt war.

FARC und PFLP gelten nur deshalb als terroristische Organisationen, weil sie im Konflikt mit Regimes stehen, die von Washington und Brüssel unterstützt werden. Die kolumbianischen Militärs, die auf eine lange Geschichte blutiger Repressionen und Menschenrechtsverletzungen zurückblicken, werden von den USA massiv aufgerüstet und finanziert. Dasselbe gilt für die israelische Regierung, die den Gazastreifen und die Westbank völkerrechtswidrig besetzt hält und die palästinische Bevölkerung brutal unterdrückt.

Laut einer Presseerklärung der VS haben die von den USA und der EU aufgestellten Listen terroristischer Organisationen für Dänemark keine juristische Relevanz. Das Vorgehen gegen die VS ist ein reiner Willkürakt, dazu bestimmt, jeden einzuschüchtern, der die Rolle der dänischen Regierung als treuer Paladin der US-Politik in Frage stellt.

"Wir betrachten die Beschuldigungen und die Schließung unserer Web Site als eine offene Verletzung der dänischen Verfassung und ihres Schutzes der freien Meinungsäußerung und des Verbots von Zensur", heißt es in der Presseerklärung der VS. Ihr Sprecher Michael Schoelardt machte darauf aufmerksam, dass auch die Befreiungsbewegung gegen die Nazis in Dänemark im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzungstruppen und den dänischen Kollaborateuren als Terroristen bezeichnet worden waren.

Das Vorgehen der dänischen Polizei gegen die VS unterstreicht, wie verlogen und heuchlerisch die internationale Kampagne ist, die den Streit über die Mohammed-Karikaturen der Jyllands-Posten als eine Auseinandersetzung über die Meinungsfreiheit darstellt. In Wirklichkeit stand nie zur Debatte, die Veröffentlichung der Karikaturen zu verbieten oder der Jyllands-Posten den Staatsanwalt ins Haus zu schicken. Es ging um eine Veröffentlichung, die deutlich rassistische Züge trug und gläubige Muslims beleidigte, und die Weigerung der dänischen Regierung, dazu Stellung zu beziehen. Sie begründete diese Weigerung mit dem Respekt vor der Meinungsfreiheit - als würde ein Politiker die Meinungsfreiheit verletzen, wenn er seine eigene Meinung kundtut!

In Wirklichkeit entsprach die Veröffentlichung der Karikaturen der politischen Linie der rechten Regierung von Anders Fogh Rasmussen. Diese schürt systematisch Fremdenfeindlichkeit und verschärft die Ausländergesetze, um von der sozialen Krise im Innern abzulenken, und gehört außenpolitisch zu den engsten Unterstützern der Bush-Administration.

Wirbt eine linke Partei dagegen für eine Organisation, die den Ambitionen der Bush-Administration im Wege steht, so zählt die Meinungsfreiheit plötzlich nichts mehr.

Siehe auch:
Dänemark und Jyllands-Posten : Die Hintergründe einer Provokation
(9. Februar 2006)
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