Landesverbände der WASG stellen sich gegen Linkspartei

Am vergangenen Samstag hat sich die Berliner WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) auf einem Landesparteitag mit großer Mehrheit gegen eine gemeinsame Kandidatur mit der Linkspartei (ehemals PDS) bei den nächsten Landtagswahlen ausgesprochen. Von den 142 Delegierten stimmten 91 für den Antrag, bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen am 17. September als WASG eigenständig anzutreten. In einer Urabstimmung sollen die etwa 820 Parteimitglieder nun bis zum 7. März dieser Entscheidung zustimmen.

Auf einer Mitgliederversammlung des Landesverbands der WASG in Mecklenburg-Vorpommern, die am selben Wochenende stattfand, wurde die Möglichkeit einer gemeinsamen Kandidatur mit der Linkspartei in den Landtagswahlen an die Bereitschaft dieser Partei geknüpft, ihre Beteiligung an der Koalitionsregierung in Schwerin zu beenden. Eine eindeutige Entscheidung in der Frage soll auf einer weiteren Landesmitgliederversammlung Anfang April gefasst werden.

Die Linkspartei reagierte in beiden Ländern umgehend mit einem Stopp der Fusionsgespräche, die im Rahmen des bundesweiten Kooperationsabkommens zwischen den beiden Parteien begonnen worden waren, um eine organisatorische Vereinigung bis zum Jahre 2007 herbeizuführen. Der Vorsitzende der Berliner Linkspartei Klaus Lederer warf der Berliner WASG vor, "aus dem Projekt neue Linkspartei ausgestiegen" zu sein, und sein Parteikollege Kay Spieß sagte als Sprecher der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern: "Auf dieser Grundlage können wir keine Gespräche mehr miteinander führen."

Der Vorsitzende der Linkspartei Lothar Bisky forderte die WASG-Mitglieder auf, politische Meinungsverschiedenheiten nicht länger dem beschlossenen Bündnis beider Parteien entgegenzustellen. Im Deutschlandradio Kultur warnte er, dass die Abwendung vom Ziel einer gemeinsamen Linkspartei aus PDS und WASG, das bundesweite Projekt beschädige und die Linke in Deutschland schwäche.

Hintergrund der ganzen Auseinandersetzungen ist die verheerende Politik der Linkspartei in den beiden Bundesländern. Sowohl in Berlin als auch in Mecklenburg-Vorpommern stellt die Linkspartei in einer Koalition mit der SPD die jeweilige Landesregierung und ist in dieser Rolle vor allem durch sehr weitgehende Angriffe gegen die Arbeiterklasse aufgefallen.

In Berlin hat sich die SPD-PDS Koalition die Sanierung des Landeshaushalts auf Kosten breiter Teile der Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben. In den letzten vier Jahren hat sie mehr als 15.000 Stellen im Landesdienst abgebaut und die jährlichen Personalausgaben des Landes um mehr als 500 Millionen Euro gekürzt.

Um den Tarifvertrag der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht übernehmen zu müssen, hatte der Senat im Januar 2003 kurzerhand den Austritt des Landes Berlin aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband beschlossen und dann für die Beschäftigten Einkommenskürzungen zwischen acht und 12 Prozent durchgesetzt. Die offizielle Arbeitslosenquote in der Hauptstadt ist inzwischen auf 18,6 Prozent gestiegen und über 530.000 Menschen leben unter der offiziellen Armutsgrenze von 600 Euro im Monat.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Haushaltssanierung ebenfalls auf die Bevölkerung abgewälzt. Von allen Ost-Bundesländern hat Mecklenburg-Vorpommern die niedrigsten Löhne. 41 Prozent der Beschäftigten arbeiten ohne Tarifvertrag, die höchste Quote im Osten. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 22,1 Prozent und die Zahl der Sozialhilfeempfänger, beziehungsweise ALG II-Empfänger, erhöhte sich unter der rot-roten Koalition von etwa 6.000 auf über 70.000.

Während die WASG auf Bundesebene geflissentlich über diese Tatsachen hinwegsieht und sich bemüht, der Linkspartei den Anschein einer sozialen Alternative zu verschaffen, können die Landesverbände in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern der Realität nicht so leicht ausweichen. Kaum jemand in diesen Bundesländern würde die WASG noch als mögliche Alternative zur Politik des Sozialabbaus betrachten, sollte sie mit der diskreditierten Linkspartei fusionieren, die diese Politik dort selbst maßgeblich vorantreibt.

Neben dem bundesweiten Fusionsprozess der WASG mit der Linkspartei gefährdet das Vorgehen der beiden Landesverbände dabei auch die gemeinsame Fraktion der beiden Parteien im Bundestag. Laut Geschäftsordnung des Parlaments dürfen Abgeordnete nur dann eine gemeinsame Fraktion bilden, wenn die beteiligten Parteien in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Allerdings besteht die Mehrheit der Fraktion aus Mitgliedern der Linkspartei und im Zweifelsfall würden auch die übrigen WASG-Parlamentarier ohne zu zögern in die Linkspartei übertreten, um ihren gut bezahlten Sitz im Bundestag zu sichern. Ohnehin haben sie ihr Mandat nur durch eine Kandidatur auf der Liste der ehemaligen PDS erzielt.

Die stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von CDU und SPD nahmen die Auseinandersetzungen dennoch zum willkommenen Anlass, den Vertretern der WASG und der Linkspartei das Recht abzusprechen, ihre Parlamentsmandate wahrzunehmen. Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte, der Linkspartei könne auch durch eine Ausnahmeregelung nicht weiter zum Fraktionsstatus verholfen werden, sofern die Auseinandersetzungen zwischen Linkspartei und WASG nicht beigelegt würden. Und Fritz Rudolf Körper (SPD) sagte den Stuttgarter Nachrichten, dass es für eine Ausnahmeregelung keinen Grund gäbe, "da sich die beiden Parteien in zwei Bundesländern in Gegnerschaft befinden".

Im gewohnter Manier gehen die WASG-Mitglieder bei dieser Auseinandersetzung allen politischen Fragen gekonnt aus dem Weg. Bereits bei der Gründung der WASG, die mit der Abkehr der SPD von ihren sozialen Versprechen begründet wurde, ist die Frage nach den Ursachen dieser Abkehr stets in allen Debatten vermieden worden. Nun empören sich die beiden Landesverbände über die unsoziale Politik der Linkspartei und versuchen erneut die Frage nach den politischen Ursachen auszuklammern.

Der Grund für diese politische Amnesie ist nicht schwer zu verstehen, handelt es sich bei den Mitgliedern der WASG-Landesverbände Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zum Großteil doch selbst um ehemalige Mitglieder der umfirmierten PDS.

Ihr Verhalten folgt einer definitiven politischen Logik. Die rasante Rechtswende der SPD und der Linkspartei ist ein Ergebnis des politischen Bankrotts ihrer Perspektive. Beide Parteien stützen sich auf sozialreformistische Konzeptionen, die unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft nur noch dazu führen, einen Wirtschaftsstandort gegen den anderen auszuspielen. Für die Arbeiterklasse bedeutet das einen ständigen Konkurrenzkampf um niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen.

Die WASG kann sich dieser Entwicklung nicht stellen, ohne sich selbst ad absurdum zu führen. In einer Situation, in der sich immer größere Teile der Arbeiterklasse wegen der unsozialen Politik von der SPD abwandten, wurde die WASG ganz bewusst als lauer Neuaufguss desselben bankrotten Sozialreformismus geschaffen. Sie sollte ein Auffangbecken für enttäuschte und verärgerte SPD-Wähler bieten und deren Bruch mit dem Sozialreformismus - und damit eine sozialistische Orientierung - verhindern.

Doch die Geschichte hat keinerlei Verwendung mehr für eine weitere politische Kraft, welche der Arbeiterklasse die Möglichkeit von sozialen Reformen predigt. Und so findet sich die WASG bereits wenige Monate nach ihrer Gründung in einem Dilemma wieder, aus dem es für sie keinen Ausweg gibt. Denn genauso wie die Linkspartei kann sich die WASG nur als "linke" Alternative darstellen, solange sie nicht selbst Regierungsverantwortung übernimmt. Je mehr die WASG also an parlamentarischem Einfluss gewinnt, desto weniger wird sie in der Lage sein, ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden, einem Bruch der Arbeiterklasse mit dem Sozialreformismus entgegenzuwirken.

Siehe auch:
Der Streik im öffentlichen Dienst und die Linkspartei
(23. Februar 2006)
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