Demonstranten fordern sofortige Beendigung von Israels Krieg gegen den Libanon

In verschiedenen deutschen Städten, wie Berlin, Köln und Frankfurt/Main, kam es am vergangenen Samstag zu Demonstrationen gegen die israelischen Angriffe im Südlibanon. In der Berliner Innenstadt demonstrierten etwa 5000 Personen vorwiegend arabischer Herkunft.

An der Demonstration beteiligten sich zwar einige Menschenrechtsgruppen, doch bezeichnenderweise zeigte keine der im Bundestag vertretenen Parteien Präsenz. Die Koalitionsparteien CDU und SPD stehen hinter den Regierungen in Israel und den USA die die Bombardierung des Libanon und Gazastreifen durchführen. Auch die Oppositionsparteien Die Grünen und die FDP haben sich uneingeschränkt hinter Israel gestellt.

Besonders auffällig war die Abwesenheit der Linkspartei.PDS, die vorgibt, eine "linke" Opposition zur Regierungskoalition zu sein. Mitglieder der Partei für Soziale Gleichheit (PSG), die sich an der bevorstehenden Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 17. September beteiligt, sprachen mit Teilnehmern der Demonstration und verteilten Hunderte Flugblätter mit der Erklärung "Appeasement 2006: Europa kapituliert vor amerikanisch-israelischer Aggression".

An der Demonstration, zu der von arabischen Organisationen aufgerufen worden war, beteiligten sich viele junge arabischstämmige Deutsche und ganze Familien, die von der rücksichtslosen Bombardierung der einfachen libanesischen Bevölkerung entsetzt sind. Bei Gesprächen stellte sich heraus, dass viele der Teilnehmer Verwandte und Freunde im Südlibanon haben, von denen schon einige den israelischen Schlägen zum Opfer gefallen sind. Auf Transparenten wurden US-Präsident Bush und die USA als "Terrorist Nr. 1" bezeichnet, und es wurde gefordert, unverzüglich die Kampfhandlungen einzustellen. Andere beschuldigten die deutsche Regierung einer direkten Mitverantwortung für die Ermordung unschuldiger Libanesen.

PSG-Mitglieder sprachen mit Dr. Muhaisen, Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde in Berlin und einer der wichtigsten Redner auf der Demonstration. Muhaisen erklärte, dass das israelische Vorgehen ohne die Unterstützung der USA unvorstellbar sei: "Rice fährt durch den Nahen Osten, um zu verhindern, dass ein Friedensschluss erzielt wird. Der wahre Grund ihrer Aktivitäten wird dadurch deutlich, dass die US-Regierung die israelische Luftwaffe gegenwärtig mit Hightech-Bomben beliefert. Die Bomben sind mit jeweils 2,3 Tonnen Sprengstoff gefüllt und wurden in der vergangenen Woche über schottische Flughäfen eingeflogen. Das ist das wahre Gesicht der ‚Friedensbemühungen’ von USA und Israel. Diese Bomben sind vor allem dafür gedacht, die einfache Bevölkerung von Südlibanon und Gazastreifen zu terrorisieren.

Die letzten Angaben, die uns zur Verfügung stehen, gehen von inzwischen mehr als 600 getöteten libanesischen Zivilisten aus, von denen die meisten Kinder und Frauen sind. Mittlerweile sind es eine dreiviertel Million Menschen, die sich auf die Flucht begeben mussten. All das wird von der deutschen Regierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht nur passiv geduldet und registriert. Das hat sogar dazu beigetragen, dass die deutsche Regierung die israelische Armee und Luftwaffe mit Flugzeugen und Waffen beliefert. Letztendlich hat Europa gezeigt, dass es sehr schwach ist und versagt hat, sein Veto gegen die Amerikaner einzulegen."

Nach der Rolle der Grünen befragt und der Tatsache, dass Ex-Außenminister Joschka Fischer den Krieg vollständig unterstützt, antwortete Muhaisen: "Ich bin sehr enttäuscht. Bei den letzten Wahlen habe ich für die Grünen gestimmt Ich werde sie nie wieder wählen. Es ist klar, dass nicht nur Fischer sondern insgesamt die Grünen kapituliert haben. Ich bin auch von [der Grünen-Vorsitzenden] Claudia Roth enttäuscht. Vor einigen Wochen hat sie an der Seite von rechtesten und konservativsten deutschen Politikern an einer Anti-Iran-Demonstration teilgenommen."

Die PSG sprach auch mit Mohammed. Er lebt in Berlin und hat Verwandte in Beirut: "Der gesamte Beiruter Stadtteil, in dem meine Verwandten wohnen, wird schwer bombardiert. Ganze Straßen und Häuser und sogar Hochhäuser werden in Schutt und Asche gelegt. Die ganze Zerstörung gilt der Zivilbevölkerung. Die israelische Propaganda behauptet, dass dieses Gebiet von der Hisbollah beherrscht wird. Aber das stimmt nicht. Dort sind ein paar Büros, und abgesehen davon ist das ein ganz normales Wohnviertel. Jetzt haben die Israelis die Wasser- und Elektrizitätsversorgung zerstört. Wegen des Mangels an sauberem Trinkwasser wächst die Krankheits- und Seuchengefahr."

Nach der Taktik der israelischen Armee befragt, erklärte Mohammed: "Es ist offensichtlich, dass die Bombardierung des UN-Postens und die Ermordung der vier Blauhelmsoldaten ein gezielter Schlag waren. Ich habe gelesen, dass die die israelische Armee um 9 Uhr morgens Kontakt zu dem Posten hatte und somit wusste, dass die Blauhelme dort waren. Nur wenig später wurde der Posten bombardiert und zerstört. All das ist Bestandteil der israelischen Terrortaktik. Sie geht Hand in Hand mit der gezielten Bombardierung von Fahrzeugen des Roten Kreuzes, die Opfer vorangegangener Bombardierungen transportieren."

Sarah beteiligte sich mit einer Gruppe junger Berliner Freunde an der Demonstration. Sarah, die noch Schülerin ist, berichtete, wie sie erst vor wenigen Tagen aus dem bombardierten Südlibanon geflohen ist. Sie hatte dort ihre Familie besucht, als der Krieg ausbrach: "Ich habe die fürchterlichen Bombardements selbst miterlebt. Unsere Familie war in unserem kleinen Dorf gerade mit Freunden zusammen, als die Bombardierung begann. Freunde von mir und einige unserer Nachbarn wurden getroffen. Schon jetzt kennt jeder einen aus unserem Dorf, der entweder verletzt oder getötet wurde.

Als die Bombardierung weiterging, wollten meine Eltern, dass ich, so schnell wie möglich fort ging. Ich verließ das Dorf mit einem Auto über die Berge nach Syrien. Selbst beim Fliehen standen ich und viele andere Flüchtlinge unter Gefahr. Auch die Straßen wurden von der israelischen Luftwaffe bombardiert. Ich konnte viele frische Einschlagskrater sehen."

Für Sarah und ihre Freunde war es ziemlich klar, dass die US-Regierung die israelische Aggression vollständig abdeckt und, dass die Zerstörungen im Südlibanon Bestandteil eines größeren Planes sind, gegen Syrien und den Iran in die Offensive zu gehen und Kontrolle über die Ölreserven der Region zu erlangen.

"Europa und die arabische Welt, warum schweigt ihr?"

Auch in Frankfurt am Main fand eine Kundgebung gegen den israelischen Bombenterror im Libanon statt. An der Hauptwache im Stadtzentrum versammelten sich etwa 600 bis 800 Menschen mit Plakaten, Fahnen und Transparenten. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte das Bündnis Netzwerk-Friedenskooperative.

Die Kundgebung war in keiner einzigen Tageszeitung angekündigt worden. Die Presse und das Fernsehen boykottierten sie offenbar ganz bewusst. Nicht einmal das regionale Fernsehprogramm "Hessenschau" berichtete, obwohl sich Reporter dieser Sendung ganz in der Nähe aufhielten und lang und breit über den Christopher Street Day-Umzug, der dicht an der Hauptwache vorbeikam, berichteten.

Mehrere "Wanted: Terrorist"-Plakate trugen die Namen und Gesichter von George W. Bush, Condoleezza Rice oder Ehud Olmert. Außer arabischen Slogans wurden folgende Sprüche skandiert: "Stoppt den Krieg - jetzt sofort, Krieg ist Terror, Krieg ist Mord!" und "Stop the war, peace now!" Die mitgetragenen Plakate zeigten Horrorbilder aus dem bombardierten Gebiet, listeten die Zahl der Toten und Verletzten auf, oder sie prangerten das Schweigen der Medien an. Auf einigen stand: "Sind die Massaker im Libanon KEIN Terror?" oder auch: "Wenn das ein Krieg zur Selbstverteidigung ist, wie sieht dann ein Angriffskrieg aus?"

Ibrahim G. trug ein Plakat mit der Aufschrift: "Europa und die arabische Welt, warum schweigt ihr?" Er drückte der WSWS gegenüber seine Wut über die Untätigkeit der Politiker aus: "Sie schauen bloß zu und machen nichts. Die Hauptsache ist doch jetzt, dass wir nicht schweigen, sondern unsere Meinung dazu sagen." Zum Text auf seinem Plakat befragt, meinte er: "Das Vorgehen der EU ist vollkommen verlogen, denn in den Verhandlungen berücksichtigen sie nicht beide Konfliktpartner, sondern nur eine Seite. Im Grunde ist die EU ein Spielball der USA; und das trifft leider auch auf Deutschland zu."

Im Folgenden einige weitere Kommentare von Kundgebungsteilnehmern.

Eine Italienerin sagte: "Man muss diesen Krieg im Zusammenhang mit dem Irakkrieg sehen. Im Libanon gehen die USA mithilfe von Israel nach der Salamitaktik vor: eine Annexion nach der andern"; eine Frankfurterin forderte: "Die Welt muss Israel verurteilen und es dazu verpflichten, den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete im Südlibanon zu bezahlen"; eine weitere Frau meinte, die Angriffe seien bewusst während der Weltmeisterschaft vorbereitet worden, als die Welt abgelenkt war.

 

Die Forderungen der Kundgebung, die von mehreren Sprechern wiederholt wurden, lauteten: Sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand; keine Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet, vor allem Stopp der einseitigen Waffenlieferungen an Israel; Abzug aus allen besetzten Gebieten, auch aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland.

Als erster Sprecher sagte Herbert Kramm-Abendroth, der seit einer Woche eine Mahnwache an der Katharinenkirche unterhält: "Es ist nicht auszuhalten, dass man zuschauen muss, wie ein ganzes Land zerbombt und seine Bevölkerung massakriert und in die Flucht geschlagen wird." Er wandte sich gegen jede Art Gewalt, auch die der Hisbollah, wobei er jedoch einräumte, dass das Ausmaß an Gewalt auf der Seite Israels unvergleichlich größer ist.

Bei dem aktuellen Krieg Israels gegen den Libanon handle es sich um "einen strategisch geplanten Bruch des Völkerrechts, des Kriegsrechts, der Menschenrechte", sagte er. Es sei jetzt notwendig, "eine Gegenposition zur Position der Bundesregierung einzunehmen, denn sie ist offensichtlich nicht bereit, sich für die Opfer einzusetzen". Er fügte hinzu: "Auch Stimmen in Israel selbst verurteilen diesen Krieg." Der WSWS gegenüber berichtete Kramm-Abendroth: "Die Frankfurter Medien waren wenig hilfreich: Sie haben unsere Mahnwache bisher nicht beachtet und die Kundgebung nicht angekündigt."

Die Friedensaktivistin Ruth Turner sprach über die Strategien der USA im Nahen Osten und sagte: "Für die Bush-Regierung kommen bei internationalen Konflikten nur noch militärische Lösungen in Frage." Der Irak- sowohl wie der Afghanistan-Krieg seien von langer Hand vorbereitet worden, und auch im aktuellen Konflikt seien die Terrorakte, die als Begründung angegeben werden, gezielt durch bewusste Provokation herbeigeführt worden. Sie verwies auf mehrere Dokumente, die seit zehn Jahren einen klaren Bruch mit dem Oslo-Abkommen in Israel und die gewaltsame Schaffung eines "neuen Nahen Ostens" anstrebten. "Auch Israels neuste Angriffe auf die Palästinenser und auf den Libanon sind von langer Hand vorbereitet", sagte sie. Als nächstes seien Syrien und der Iran an der Reihe. "Und die ehrwürdige Weltgemeinschaft schaut zu und schweigt - wie vor siebzig Jahren", rief sie voller Empörung, um zuletzt an die Nürnberger Prozesse zu erinnern, in denen die "Vorbereitung eines Angriffskriegs" klar als Kriegsverbrechen bezeichnet worden waren.

Der Sprecher der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs IPPNW, Matthias Jochheim, wandte sich besonders gegen die deutsche Bundesregierung, der er vorwarf das Verbot des Waffenexportes in Konfliktgebiete missachtet zu haben. Er erwähnte die Waffenlieferungen an Israel, die Geschütze, Kanonen und U-Boote umfassen, letztere seien Israel zum Teil sogar geschenkt worden.

Außerdem wende die Bundesregierung doppelte Standards an: So verlange sie vom Iran die Offenlegung der angeblichen heimlichen Atomprogramme, während sie doch in erster Linie darauf achten müsste, dass die bisherigen Atommächte ihren Verpflichtungen der Nichtweiterverbreitung und Abrüstung nachkämen. "Auch das ist ein Teil der Verträge". So verzichte die Bundesregierung darauf, von den USA zu verlangen, dass sie ihre Atomwaffen von deutschem Territorium abziehen.

Jochheim forderte einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand: "Alle andern Fragen können erst geklärt werden, wenn eine stabile Waffenruhe etabliert ist und die Zivilbevölkerung versorgt ist."

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