Die Verantwortung der Merkel-Regierung für die Kriegsverbrechen im Libanon

Ihr "großes Bedauern und ihre tiefe Trauer über die Folgen des israelischen Luftangriffs auf Kana" ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am vergangenen Sonntag durch ihren Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mitteilen.

Zwei Tage später begann Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ein Interview in der Süddeutschen Zeitung mit den Worten: "Was am Sonntag in Kana passiert ist, muss einen mit Entsetzen erfüllen. Die vielen zivilen Opfer des israelischen Luftangriffs sind furchtbar und inakzeptabel."

Doch das Entsetzen in der Bevölkerung ist nicht auf die verkohlten und verstümmelten Kinderleichen in Kana beschränkt, sondern entzündet sich vor allem an der Tatsache, dass diese Regierung - die Kanzlerin und ihr sozialdemokratischer Außenminister - sich weigern, das schreckliche Kriegsverbrechen beim Namen zu nennen und zu verurteilen. Steinmeiers Mahnung an die Adresse der israelischen Regierung, auch im Rahmen des "Rechts auf Selbstverteidigung" müsse jede Anwendung "militärischer Gewalt verhältnismäßig sein", und Opfer unter der Zivilbevölkerung müssten "vermieden werden", ist durch und durch feige und abstoßend.

In Kana wurde nicht ungenau gezielt, oder zivile Opfer unzureichend vermieden. Hier wurden unschuldige Kinder und Frauen gezielt abgeschlachtet, um die Fluchtwelle aus dem Südlibanon zu beschleunigen. Das schreckliche Massaker war keine "bedauerliche Ausnahme", sondern machte den wahren Charakter der imperialistischen Aggression deutlich, in der bisher mehr Kinder als Soldaten ums Leben kamen.

Einen Tag nach seinem Interview in der Süddeutschen Zeitung blockierte Steinmeier auf dem Europäischen Außenministertreffen in Brüssel eine Verurteilung der israelischen Kriegsverbrechen und setzte durch, dass die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand aus der gemeinsamen Erklärung gestrichen wurde.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Merkels "Bedauern und tiefe Trauer" für die Opfer in Kana können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Bundesregierung ein hohes Maß an Verantwortung und Mitschuld an den Kriegsverbrechen im Libanon trägt. Nichts hat in den vergangenen Wochen die amerikanisch-israelische Kriegspolitik mehr gestärkt und ermutigt, als der pro-amerikanische Schwenk, der in der deutschen Außenpolitik vollzogen wurde.

Niemand anders als Steinmeier selbst, der in den vergangenen Jahren der rot-grünen Regierung das Kanzleramt geleitet hat, weiß besser, dass die damalige Opposition der Schröder-Regierung gegen den Irakkrieg sehr inkonsequent war. Aber sie hatte Auswirkungen. Deutschland war damals und ist auch heute nicht mit Sitz und Stimme im UN-Sicherheitsrat vertreten, doch die ablehnende Haltung in Berlin gegenüber dem Waffengang im Irak stärkte diejenigen Länder im Sicherheitsrat, die dem US-Kriegsdrang kritisch gegenüber standen, wie Frankreich, Russland und China. So wurde verhindert, dass der Krieg gegen den Irak mit UN-Unterstützung begonnen werden konnte.

Das wiederum war kein unwesentlicher Faktor in der Mobilisierung der Bevölkerung gegen den Krieg. Der Charakter dieses illegalen Angriffskriegs war von Anfang an deutlich, und Millionen Menschen überall auf der Welt demonstrierten und protestierten dagegen.

Der pro-amerikanische Schwenk in der deutschen Außenpolitik hat daher für die Regierungen in Washington und Jerusalem außerordentlich große Bedeutung. Denn das politische Kräfteverhältnis in der europäischen Politik wurde dadurch deutlich zu Gunsten der US-Regierung verändert. Als Angela Merkel am Sonntagabend nicht den französischen Präsidenten Jacques Chirac, sondern den Chef-Lakaien des Pentagon in Europa, den britischen Premierminister Toni Blair anrief, machte sie klar, dass Deutschland nicht nur vorübergehend und unter dem direkten Druck von US-Präsident Bush auf dem G8-Gipfel in St. Petersburg ins Lager der Kriegstreiber übergegangen ist.

Der Sinneswandel an der Spree hat die internationalen Beziehungen verändert und die reaktionärsten politischen Kräfte gestärkt. Das brutale, rücksichtslose und arrogante Vorgehen der israelischen Armee, die Art und Weise, in der sie internationales Recht und Institutionen wie die UN mit Füßen treten, sogar UN-Posten bombardieren und ihre Überzeugung, dass niemand ihre Kriegverbrechen bestrafen werde, hängen nicht nur damit zusammen, dass die israelische Armeeführung direkt im Bündnis mit der US-Regierung handelt. Denn das war auch schon früher der Fall.

Dass die Bundesregierung die Seite gewechselt hat und dem Bombenterror nicht entgegentritt, sondern sich hinter die Bush-Regierung stellt, hat dazu geführt, dass die Kommandeure im Pentagon und im israelischen Kriegsministerium alle Hemmungen und Rücksichtsnahmen fallen gelassen haben. Die Toten in Kana, wie auch die früheren und kommenden Opfer im Libanon gehen damit in hohem Maße auch auf das Konto der Bundesregierung.

Vor drei Jahren hat die deutsche Regierung auf das Völkerrecht gepocht, um der US-Aggression Einhalt zu gebieten. Doch die Kriegstreiber in Washington haben sich dem widersetzt. Jetzt ist die Bundesregierung umgeschwenkt und hat deutlich gemacht, dass auch für sie das Völkerrecht nicht mehr den Rahmen und die Grundlage ihrer Entscheidungen bildet. Denn wer ein offensichtliches Kriegsverbrechen nicht verurteilt und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft zieht, macht damit klar, dass er internationales Recht nicht länger akzeptiert und als Maßstab seiner Einscheidungen betrachtet.

Besonders auffallend ist der außenpolitische Kurswechsel in der SPD-Führung. Es ist noch nicht lange her, dass die "Anti-Irakkriegs-Haltung" im Willy-Brandt-Haus zu Wahlkampfzwecken groß zur Schau gestellt wurde. Doch nachdem im Verlauf des Irakkriegs deutlich wurde, dass die Zeit der internationalen Gesetze und Vereinbarungen vorbei ist und die imperialistischen Ziele wieder schamlos offen und mit nackter militärischer Gewalt verfolgt werden, reagierte die SPD so, wie sie das in der Vergangenheit immer getan hat: Sie stellte sich auf die Seite der stärksten imperialistischen Macht.

Deutsche Waffenlieferungen nach Israel

Es gibt noch eine andere Ebene, auf der die Bundesregierung ganz unmittelbar Verantwortung für die Kriegsverbrechen im Libanon trägt. Denn die israelischen Waffen stammen nicht nur aus amerikanischer, sondern auch aus deutscher Produktion. Das trifft vor allem für High-Tech-Komponenten zu.

Das Fernsehmagazin Monitor machte in seiner letzten Sendung (27. Juli 2006) darauf aufmerksam, dass wichtige Teile der israelischen Waffen aus Deutschland geliefert werden oder deutschen Ursprung haben. In dem Fernsehbeitrag hieß es: "Seit Tagen fliegt die israelische Luftwaffe Angriffe im Libanon. Teile der Zielerfassung, sozusagen des Visiers israelischer Kampfjets, basieren auf deutschem Knowhow, entwickelt und geliefert unter anderem von einer ehemaligen Tochter der AEG." Dann wurde das Zielerfassungsgerät am Rumpf eines israelischen F-16-Bombers eingeblendet.

"Auch am Boden kämpfen die israelischen Truppen mit deutscher Technik", hieß es in dem Beitrag weiter. Der Kampfpanzer "Merkava" bilde gegenwärtig das Rückgrat der israelischen Bodentruppen, und seine Kanone sei eine deutsche Entwicklung der Rüstungsfirma Rheinmetall. "Der israelische Panzer: Ohne deutsche Technik schießt er nicht und fährt auch nicht. Denn auch der Motor entstammt deutscher Ingenieurskunst. Und das Getriebe kommt von der Augsburger Renk-AG", berichteten die Monitor-Redakteure.

Obwohl die Bundesregierung immer behauptet, sie genehmige keine Waffenlieferungen in "Spannungsgebiete", werde bereits der nächste deutsch-israelische "Rüstungs-Deal" eingefädelt. Israel habe großes Interesse am gepanzerten Truppentransporter vom Typ "Dingo". "Nach unseren Recherchen hat die Bundesregierung der Lieferung eines Test-Fahrzeuges vor kurzem erst zugestimmt", erklärte Monitor und wies darauf hin, dass eine Anfrage der Redaktion, "ob der `Dingo` trotz des Krieges geliefert" werde, von der Regierung nicht beantwortet wurde.

Siehe auch:
Das Gemetzel im Libanon geht in die vierte Woche: Wie weiter im Kampf gegen den Krieg?
(3. August 2006)
Die wirklichen Ziele des israelischen Kriegs im Libanon
( 22. Juli 2006)
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