"Europäische Linke" ruft nach europäischer Intervention im Libanon

Die Partei der Europäischen Linken (EL) hat an die europäischen Staats- und Regierungschefs appelliert, eine aktivere Rolle im gegenwärtigen Nahostkonflikt zu spielen.

Sie sei "fassungslos über die schwache, unverantwortliche Position der EU und europäischer Regierungen im UN-Sicherheitsrat im Hinblick auf die Notwendigkeit, alle Konfliktparteien durch größtmöglichen Druck zu bewegen, einem sofortigen, dauerhaften Waffenstillstand zuzustimmen, der den Weg für eine politische Lösung der komplexen, miteinander verwobenen Konflikte im Nahen Osten ebnet", heißt es in einem Appell, der am 1. August vom Vorstand der Europäischen Linken verabschiedet wurde.

Der Vorsitzende der deutschen Linkspartei.PDS, Lothar Bisky, hat diesen Appell umgehend an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) weitergeleitet.

Die EU-Institutionen und die europäischen Regierungen werden darin aufgefordert, sich für einen sofortigen Waffenstillstand und ein Programm humanitärer Hilfe unter Schirmherrschaft der UNO einzusetzen. Der Appell gipfelt in der Forderung nach der "Einrichtung einer von der UNO kontrollierten Pufferzone zwischen Israel und Libanon", dem "Einsatz einer internationalen Friedenstruppe mit UNO-Mandat" und "einer internationalen Konferenz, die den Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang setzt". Weiter sollen die europäischen Regierungen die libanesische Regierung bei der Entwaffnung der Hisbollah unterstützen und sich für die Anerkennung der Shebaa-Farmen als Teil Libanons einsetzen.

Der Appell bestätigt einmal mehr, welche Rolle die Linkspartei.PDS und ihre in der Europäischen Linken zusammengeschlossenen 14 Schwesterparteien spielen: Sie sind keine linke Alternative zu den etablierten Parteien, sondern ein linkes Feigenblatt für deren Politik.

Einerseits bemühen sie sich, der wachsenden Opposition gegen den Krieg im Nahen Osten und den anhaltenden Sozialabbau in Worten entgegen zu kommen. Gleichzeitig tun sie alles, um diese Opposition aufzufangen, sie in den Rahmen der offiziellen Politik zurück zu lenken und zu verhindern, dass sie sich zu einer wirklich unabhängigen Bewegung entwickelt. Zum Teil sitzen sie, wie die italienische Rifondazione Comunista, auch selbst mit am Kabinettstisch.

Allein der Gedanke, die europäischen Mächte könnten im Nahen Osten eine friedensstiftende Rolle spielen, ist abwegig. Betrachtet man die historischen Wurzeln und die Triebkräfte des gegenwärtigen Konflikts, ist unverkennbar, dass Europa nicht Teil der Lösung, sondern der Ursachen des Problems ist.

Man kann die gegenwärtige Bombardierung des Libanon durch die von den USA hochgerüstete israelische Armee nur im Rahmen der jahrzehntelangen kolonialen Unterjochung der gesamten Region verstehen, die für die imperialistischen Mächte vor allem wegen ihres Ölreichtums von zentraler strategischer Bedeutung ist. Anfangs spielten Großbritannien und Frankreich die führende Rolle, Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurden sie von den USA abgelöst, deren raubgierigen Ambitionen mit der Eroberung des Irak eine neue Qualität erreicht haben.

Der Irakkrieg wurde unter erlogenen Vorwänden geführt und sollte dazu dienen, die Vormachtstellung der USA in der Region zu sichern. Er hat sich zu einem militärischen Debakel entwickelt und die Bush-Administration reagiert darauf, indem sie weitere Aggressionen gegen Iran und Syrien vorbereitet. Zu diesem Zweck wurde der israelische Kettenhund gegen den Libanon losgelassen. Durch die Zerstörung der Infrastruktur und den Terror gegen die schiitische Bevölkerung soll der Zedernstaat in ein willfähriges Instrument der imperialistischen Mächte verwandelt und jede potentielle Opposition gegen die US-Aggression unterdrückt werden.

Der gegenwärtige Waffengang war seit langem geplant und vorbereitet. Er geschah mit vollem Einverständnis und Unterstützung der USA und Großbritanniens. Die Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah, die damit einige der mehreren Tausend, rechtswidrig in Israel festgehaltenen Häftlingen freipressen wollte, lieferte lediglich den willkommenen Vorwand.

Entkleidet man den Appell der Europäischen Linken seiner Friedensrhetorik, so tritt er im Wesentlichen dafür ein, dass der europäische Imperialismus seine Interessen im Nahen Osten deutlicher zur Geltung bringt und Einfluss auf die Politik der USA und Israels nimmt, ohne diesen wirklich entgegenzutreten.

Besonders deutlich zeigt dies die Forderung nach einer internationalen Friedenstruppe. Unter den gegebenen Umständen hätte eine solche Truppe - die im Grundsatz sowohl von den USA, der EU und Israel befürwortet wird - die Aufgabe, das durch die israelische Aggression Erreichte zu konsolidieren. Sie würde im Südlibanon stationiert, um zu verhindern, dass sich die Opposition gegen Israel und die USA neu formiert. Sie würde den USA den Rücken freihalten für weitere Provokationen gegen Syrien und Iran. Ihre Aufgabe wäre der ISAF-Truppe in Afghanistan vergleichbar, die das Marionetten-Regime von Hamid Karsai an der Macht hält und gleichzeitig die USA für den Einsatz im Irak militärisch entlastet.

Eine Grundvoraussetzung für jeglichen Frieden im Nahen Osten ist der Abzug aller imperialistischen Truppen aus der Region, allen voran der US-Truppen aus dem Irak. Doch weit davon entfernt, für einen solchen Abzug einzutreten, verlangt die Europäische Linke die Entsendung zusätzlicher Truppen.

Mit der Unterstützung dieses Appells zeigt die Linkspartei.PDS zugleich, was von ihren Beteuerungen zu halten ist, sie lehne jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Vom Ruf nach einer internationalen Friedenstruppe ist es nur ein kleiner Schritt zum Einsatz deutscher Soldaten im Libanon, über den in den Medien bereits heftig diskutiert wird. Die Linkspartei.PDS könnte im Bundestag schwer die Teilnahme an einer Militäroperation ablehnen, die sie zuvor selbst lautstark gefordert hat.

Dabei ist sie sich des wahren Charakters solcher Operationen durchaus bewusst. So erklärte Tobias Pflüger, der für die Linkspartei.PDS im Europäischen Parlament sitzt, erst kürzlich anlässlich des Bush-Besuchs in Stralsund: "Im Schatten der imperialen US-Politik mausert sich die Europäische Union zu einer ebenfalls imperialen Welt-Militär-Macht. Die EU macht die Fehler der US-Politik nach. Inzwischen 19 so genannte EU-Battle-Groups, das sind Elitekampftruppen der EU, die deutsche Übersetzung Schlachttruppen trifft die Sache am besten, stehen ab 1. Januar 2007 zur Verfügung, um weltweit eingesetzt zu werden. Dazu gibt es eine EU-Eingreiftruppe von 60.000 Soldaten. Die EU rüstet auf und wir zahlen im wahrsten Sinne des Wortes die Zeche."

Die Linkspartei.PDS setzt ihre Hoffnungen darauf, dass die europäischen Regierungen die USA unter Druck setzen und zu einem Kurswechsel bewegen. In einer Erklärung ihrer Bundestagsfraktion heißt es dazu, es gehe "vor allem darum, die US-Regierung zu drängen, ihren Einfluss auf die Regierung Israels geltend zu machen, damit sie die Militäroperationen abbricht und endlich Verhandlungen aufnimmt".

Ins selbe Horn stößt Oskar Lafontaine, der zusammen mit Gregor Gysi die Bundestagsfraktion der Linkspartei leitet. In einem Interview mit der Deutschen Welle lobte er die Außenpolitik der Bundesregierung und warf ihr lediglich zu große Nähe zu Washington vor. "Die Bundesregierung bemüht sich natürlich ihren Beitrag zu leisten, um den Konflikt zu entschärfen", behauptete er. "Sie ist aber stets in Gefahr - und das ist unsere Kritik - sich zu stark an die amerikanische Politik anzulehnen."

Und das in einer Situation, in der die europäischen und allen voran die deutsche Regierung jeden Tag deutlicher ihre Unterordnung unter die Eroberungspolitik der USA und Israels im Nahen Osten zur Schau stellen. Hatten Frankreich und Deutschland dem Irakkrieg noch leise widersprochen, ist weder aus Paris noch aus Berlin ein ernsthaftes Wort der Kritik am israelischen Angriff auf den Libanon zu vernehmen.

Frankreich, das im Libanon als ehemalige Kolonialmacht über massive wirtschaftliche Interessen verfügt, arbeitet seit längerem mit den USA zusammen, um den syrischen Einfluss auf das Land zu beseitigen. Den gegenwärtigen Krieg betrachtet es als Chance, mit eigenen Truppen in der Region Fuß zu fassen. Deutschland betätigt sich als "Vermittler", um den Widerstand der libanesischen Regierung gegen eine amerikanisch-französische UN-Resolution zu überwinden, die das Land praktisch in ein Protektorat der Großmächte verwandeln würde.

Durch ihr aggressives Vorgehen in der Region haben Washington und Tel Aviv unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele weder von internationalen Abkommen noch von anderen Mächten behindern lassen. Sie betrachten den Einsatz militärischer Gewalt in großem Umfang wieder als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen. Die europäischen Regierungen regieren auf die Entwicklung mit einer Appeasement-Politik, die sämtliche Lügen zur Rechtfertigungen des Krieges kritiklos übernimmt und sich uneingeschränkt hinter die Politik der US-Regierung stellt. Indem Sie den offenen Bruch des Völkerrechts akzeptieren und sogar rechtfertigen, demonstrieren sie zudem, dass das Völkerrecht für sie ebenfalls keine Bedeutung mehr hat.

Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive kann einen progressiven Ausweg aus der Krise im Nahen Osten erreichen. Es existiert weltweit keine andere politische Kraft, die diese Aufgabe lösen kann.

Der Kampf zur Verteidigung sozialer Errungenschaften und demokratischer Rechte und der Kampf gegen Krieg sind dabei untrennbar miteinander verbunden. Die inneren Widersprüche des Kapitalismus und vor allem der Widerspruch zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaatensystem haben sowohl der Politik des Sozialreformismus den Boden entzogen als auch die internationalen Spannungen verschärft, die die Menschheit erneut mit der Barbarei imperialistischer Kriege konfrontieren.

So wie die sozialen Sicherungssysteme, die nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurden, um den sozialen Frieden zu garantieren, heute in jedem Land der Welt unter schwerem Beschuss stehen, sind die Großmächte auch nicht länger bereit, sich an internationale Abkommen und Verträge zu halten, wenn es um die Durchsetzung ihrer imperialistischen Interessen geht.

Die Linkspartei.PDS versucht in dieser Situation, eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse um jeden Preis zu verhindern. Innenpolitisch ist sie bemüht, neue Illusionen in den Sozialreformismus zu schüren und den wachsenden sozialen Protest in harmlose Bahnen zu lenken. Außenpolitisch besteht ihre einzige Antwort auf die Krise im Nahen Osten darin, Appelle und Forderungen an die europäischen Regierungen zu richten.

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