Srilankische Regierung weist Vorschlag der LTTE für ein Ende der Kämpfe zurück

Die srilankische Regierung wies gestern das Angebot der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) zurück, die Bewässerungsschleuse von Mavilaru wieder zu öffnen und die militärischen Operationen im Osten der Insel zu beenden. Stattdessen verschärften die Sicherheitskräfte den Beschuss und die Bombardierung von LTTE-Positionen und machten damit klar, dass "die Wasserfrage" nur ein Vorwand für eine breite militärische Offensive unter Bruch des Waffenstillstands von 2002 ist.

Die LTTE machte den Vorschlag nach Verhandlungen mit dem norwegischen Friedensunterhändler Jon Hanssen-Bauer, der am vergangenen Freitag nach Sri Lanka geflogen war, um die aktuellen Kämpfe beenden zu helfen. Der LTTE-Spitzenfunktionär S.P. Thamilchelvan bot an, die Schleuse zu öffnen, die auf LTTE-Territorium liegt, wenn die Regierung ihre Offensive stoppe, die durch die Luftangriffe vertriebenen Flüchtlinge unterstütze und sich der Probleme der Bauern in der Region Mavilaru annehme.

Auf einer Pressekonferenz am Sonntag erklärte Thamilchelvan, dass der norwegische Gesandte versprochen habe, Colombo zu überzeugen, diese Forderungen innerhalb von drei Wochen nach Öffnung der Schleuse zu erfüllen. Aber der LTTE-Vertreter warnte auch: "Wir haben im Moment einen Waffenstillstand, aber wenn das Militär weiter angreift und schießt und Operationen durchführt, dann werden wir das als erneuten Kriegsausbruch betrachten."

Die Regierung wies das Angebot umgehend zurück und stellte ein Ultimatum. Verteidigungssprecher Keheliya Rambukwella sagte den Medien: "Wasser sollte kein Verhandlungsgegenstand sein. [...] Wir wollen nicht, dass Terroristen den Wasserweg öffnen. Sie müssen das den Bewässerungsspezialisten erlauben, andernfalls werden wir es selbst tun."

Der staatliche Fernsehsender Rupavahini berichtete, das Militär habe seine Angriffe auf Stellungen der LTTE in Mavilaru, Ost-Muttur und Sampur intensiviert. Nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz der LTTE berichtete ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur Reuters von dem seit Tagen schwersten Artillerie- und Raketenwerferbeschuss aus dem Armeestützpunkt in Trincomalee in das Gebiet der Rebellen.

Vertreter der von Norwegen geführten Sri Lanka Überwachungsmission (SLMM), darunter auch ihr Chef Ulf Henricsson, gerieten unter Feuer, als sie gestern Nachmittag nach Mavilaru fuhren, um die Öffnung der Schleuse zu überwachen. Die SLMM überwacht den zunehmend brüchigen Waffenstillstand. Außenminister Mangala Samaraweera hatte dem norwegischen Gesandten Hanssen-Bauer zuvor versichert, das Militär werde die Bombardierung des Gebietes einstellen.

Der Angriff auf die SLMM-Vertreter war kein Versehen. Die Regierung ordnete die Offensive zur Einnahme der Schleuse am 26. Juli an, obwohl die LTTE angeboten hatte, über ein Ende des Wasserstreits zu verhandeln. Auch wenn sie sich als Vertreterin der Interessen von tausenden Bauern präsentiert, die nicht genügend Wasser haben, nutzte die Armee die Gelegenheit, LTTE-Positionen in anderen Landesteilen anzugreifen. Tatsächlich ist die Regierung gar nicht daran interessiert, die Schleuse zu öffnen, weil ihr das den Vorwand für die Eroberung von LTTE-Gebiet in der Ostprovinz nehmen würde.

Die Regierung beschuldigte die SLMM-Kontrolleure, das Protokoll verletzt und die Behörden nicht darüber informiert zu haben, dass sie sich bei der LTTE aufhielten. Vorwürfe der "Voreingenommenheit" gegen die SLMM sind nicht neu. Seit Monaten steht Präsident Mahinda Rajapakse unter dem Druck seiner chauvinistischen singhalesischen Verbündeten - der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und der Jathika Hela Urumaya (JHU) - die norwegischen Vermittler nach Hause zu schicken, den Waffenstillstand aufzukündigen und die LTTE wieder mit Krieg zu überziehen.

Der jüngste militärische Angriff war so offensichtlich unprovoziert, dass selbst die SLMM feststellen musste, die "Wasserfrage" werde als Vorwand für andere Pläne benutzt. Der Delegationsleiter der SLMM Tommy Lekenmyr sagte der Presse: "Es ist offensichtlich, dass sie sich gar nicht für das Wasser interessieren. Sie sind an was anderem interessiert. Wir machen die Regierung hierfür verantwortlich." Als die Regierung über das Angebot der LTTE informiert wurde, soll sie Lekenmyr zufolge geantwortet haben: "Wenn ihr [die SLMM] Personal in der Gegend habt, dann seht zu, dass ihr es zurückzieht. Wir starten dort eine Operation."

Die Regierungsoffensive mit dem Ziel, der LTTE Gebiete um Mavilaru zu entreißen, hat schon einen breiteren Konflikt provoziert, weil die LTTE daraufhin versuchte, Nachschubwege der Armee zu unterbrechen. Vergangenen Mittwoch nahmen LTTE-Kämpfer Teile der Stadt Muttur ein, die zwischen Mavilaru und dem Hafen Trincomalee liegt, der ein wichtiger Stützpunkt der Sicherheitskräfte ist. Die Armee reagierte mit Artillerie- und Raketensalven, die einen großen Teil der überwiegend muslimischen Stadt stark beschädigten. Mindestens dreißig Menschen wurden getötet und tausende Bewohner zur Flucht gezwungen.

Der Hindustan Times zufolge starben mindestens 32 LTTE-Kämpfer und 40 Soldaten in den erbitterten Kämpfen um die Kontrolle der Stadt. Das Militär behauptete, die LTTE bis zum Wochenende zurückgetrieben zu haben. Gestern gab der Führer des Sri Lanka Muslim Congress (SLMC) Rauf Hakim in der Stadt bekannt, dass einige Gebiete immer noch unter Kontrolle der LTTE stünden und die Zusammenstöße andauerten. Er sagte, 40.000 Menschen seien vertrieben worden, lebten in notdürftigen Unterkünften und bedürften dringender Unterstützung.

Nach den erneuten militärischen Angriffen sagte LTTE-Sprecher Thamilchelvan vergangene Nacht gegenüber Reuters: "Wir betrachten das als Kriegserklärung und verurteilen die Haltung der Regierung entschieden." Er schloss weitere Operationen gegen die Armee nicht aus, wenn die Beschießung von Stellungen der LTTE nicht aufhöre.

Um wachsende Befürchtungen in Hinblick auf die Rückkehr des Bürgerkriegs zu beruhigen, trat Präsident Rajapakse am Samstagabend live in der Sendung "Meet the Masses" im öffentlichen und privaten Fernsehen auf. Er versuchte als Mann des Friedens zu erscheinen, bekräftigte aber, dass die Armee ihre Operationen zur Einnahme der Schleuse von Mavilaru fortsetzen werde. Er stellte dies erneut als rein humanitäre Angelegenheit dar.

Der Angriff auf die SLMM-Beobachter und die Weigerung, mit der LTTE zu verhandeln, macht klar, dass die Regierung nicht das geringste Interesse an der Öffnung der Schleusen für die armen Bauern hat. Die Regierung hat keine Antwort auf die wirtschaftliche und soziale Krise, die im ganzen Land zu steigender Armut und Arbeitslosigkeit führt. Um das zu verdecken, hat Rajapkse seit seiner Amtsübernahme im November das Militär zu einer aggressiven Haltung ermutigt und stößt das Land jetzt zurück in den Krieg.

Während Rajapakse sich davor hütet, offen dem Krieg das Wort zu reden, haben seine politischen Partner in der JVP keine solchen Bedenken. Auf einer Pressekonferenz in Colombo erklärten JVP-Führer gestern erneut, dass "der Sieg über den Terrorismus" die Hauptaufgabe der Regierung und des Landes sei. "Sieg über den Terrorismus" bedeutet nichts anderes als eine Neuauflage des Bürgerkriegs, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon mindestens 65.000 Menschenleben gekostet hat.

Der eskalierende Konflikt ist jetzt schon eine Katastrophe für die Menschen im Norden und Osten der Insel. Hunderte sind seit vergangenem November getötet worden und Zehntausende mussten ihre Häuser verlassen. Einem jüngsten UN-Bericht zufolge sind ungefähr 5.600 Menschen nach Südindien geflohen, während etwa 312.000 Menschen, die meisten von ihnen Tamilen, zu Flüchtlingen innerhalb des Landes geworden sind. Die Entschlossenheit der Regierung, ihre jüngste "humanitäre" Offensive voranzutreiben, ist eine scharfe Warnung, dass weit Schlimmeres bevorsteht.

Siehe auch:
LTTE-Verbot der EU verschärft Kriegsgefahr in Sri Lanka
(7. Juni 2006)
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