Schweden: Rechte Koalition gewinnt Wahl

Schwedens Sozialdemokraten haben die Parlamentswahl gegen die rechte Allianz unter Führung der Konservativen Partei von Fredrik Reinfeldt verloren. Der Sieg der Allianz wurde am 17. September schon drei Stunden nach Schließung der Wahllokale bekannt gegeben, als der amtierende Ministerpräsident Göran Persson seine Niederlage einräumte. Persson kündigte an, im März nächsten Jahres auch als Parteichef der Sozialdemokraten zurückzutreten. Die neue Regierung wird bis zum 5. Oktober gebildet werden.

Die Allianz siegte knapp mit 48 Prozent zu 46,2 Prozent der Stimmen. Das entspricht 178 zu 171 Sitzen im Riksdag, dem schwedischen Parlament, zu Gunsten der Vier-Parteien-Gruppierung aus Konservativen, Zentrum, Liberalen und Christdemokraten. Innerhalb der Allianz legten die Konservativen auf Kosten der Liberalen von 15,3 Prozent auf 26,1 Prozent zu. Sie gewannen auch Wähler von den Sozialdemokraten und den ehemaligen Stalinisten der Linken Partei für sich.

Obwohl die Sozialdemokraten mit 35,2 Prozent die bei weitem größte Partei blieben, verloren sie gegenüber der letzten Wahl 2002 4,6 Prozent. Es ist ihr schlechtestes Ergebnis seit 1920. Die Partei verlor auch im Stockholmer Rathaus die Mehrheit. Das Ergebnis ist insofern bedeutsam, als die Sozialdemokraten seit 74 Jahren, mit Ausnahme von nur neun Jahren, in Schweden die Regierung gestellt haben.

Das schlechte Abschneiden ihrer Verbündeten, vor allem der Linken Partei, hat die von den Sozialdemokraten geführte Quasi-Koalition die Mehrheit im 349-Sitze Riksdag gekostet. Die Linke Partei fiel von 8,3 Prozent auf 5,8 Prozent und verlor damit acht Sitze, während die Grünen von 4,6 Prozent auf 5,2 Prozent zulegten.

Die Wahl war von unfeinen Streitereien und hinterhältigen Wahlkampfmethoden, wie z.B. illegalen Hackerangriffen auf sozialdemokratische Wahlkampfcomputer, geprägt. Die zentralen Fragen, die die arbeitende Bevölkerung bewegen, wurden von beiden Lagern verzerrt.

Beide Lager bekannten sich zum so genannten "schwedischen Modell" des Wohlfahrtsstaats und zur Umschulung von Arbeitslosen. Die Sozialdemokraten behaupteten, der Sozialstaat sei bei ihnen in sicheren Händen, obwohl ihre Bilanz in der Regierung das Gegenteil beweist, während die Allianz behauptete, ihr Steuersenkungs- und Privatisierungsprogramm sei auch irgendwie mit dem "schwedischen Modell" vereinbar.

In Wirklichkeit planen beide, den Sozialstaat auszuhöhlen und die Deregulierung voranzutreiben. Sie unterscheiden sich nur darin, in welcher Geschwindigkeit und welchem Umfang das geschehen soll.

In den letzten Jahren haben die Sozialdemokraten Deregulierungen im Schul- und im Gesundheitswesen durchgesetzt und in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eine massive Steigerung der Produktivität erreicht. Die offizielle Arbeitslosenrate beträgt nur etwa fünf Prozent, aber die verdeckte Arbeitslosigkeit, die durch zahlreiche Maßnahmen verschleiert wird, soll bis zu fünfzehn Prozent betragen und betrifft besonders Einwanderer.

Der Persson-Regierung, die seit 1994 im Amt ist, wurde aus verschiedenen Gründen mit Misstrauen begegnet: Zum einen war sie unfähig, die Frage der Arbeitslosigkeit zu lösen, zum andern war sie in Korruptionsskandale verstrickt. Ihre weit verzweigten Beziehungen zum Staatsapparat, den Staatsmonopolen und der Gewerkschaftsbürokratie erlaubten es der Regierung, eine ganze Anzahl führender Positionen mit engen Freunden und Familienmitgliedern Perssons zu besetzen. Seine Frau wurde zum Beispiel zur Chefin des staatlichen Alkoholmonopols ernannt. Eine Untersuchung der Wahlkandidaten ergab, dass die sozialdemokratischen Bewerber die wohlhabendsten waren.

Die Regierung war auch scharf kritisiert worden, weil sie gleichgültig auf das Schicksal der vielen Schweden reagiert hatte, die in den Tsunami in Südostasien geraten waren.

Im Wahlkampf verurteilte Persson die "fiese Klassenpolitik" der Allianz. Aber das Misstrauen gegenüber den Sozialdemokraten wog schwerer als die Warnungen vor ihren Gegnern.

Die Allianz kam nach dem katastrophalen Abschneiden der Konservativen in der Wahl von 2002 zustande. Damals hatten ihr offener Rassismus und ihr Vorschlag, die Steuern um 14 Mrd. Euro zu senken, zu einem Einbruch auf nur noch 15 Prozent geführt.

Zweifellos führten die Bemühungen der Konservativen, sich ein neues Image zu verschaffen, gerade auch wegen der Unzufriedenheit mit den Sozialdemokraten zum Erfolg.

Wichtiger war allerdings die Unterstützung, die die Partei bei Teilen der politischen und Wirtschaftselite gewonnen hat. Diese wünschte eine wählbare Alternative, die bereit war, Sozialausgaben zusammenzustreichen, Steuern zu senken und neue Bereiche der Wirtschaft für privates Kapital zu öffnen. Speziell letztere Forderung wurde von den Sozialdemokraten nicht mit ausreichendem Eifer angegangen. Der Grund dafür war nicht die Verteidigung des Lebensstandards der Arbeiterklasse, sondern die privilegierte Rolle, die der Parteiapparat in Schwedens Wirtschaftsmodell innehat.

Unter Reinfeldt trafen die Konservativen Vereinbarungen mit den anderen bürgerlichen Parteien und milderten das Steuersenkungs- und Sozialabbauprogramm ab, das sich 2002 als so unpopulär erwiesen hatte. Im Wahlkampf gewann die Allianz mit dem Versprechen Unterstützung, im Gegensatz zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen "echte" Arbeitsplätze zu schaffen. Sie griff die Sozialdemokraten an, weil ihre Politik "sozialen Ausschluss" produziere.

Trotz dieser Versuche, ihr wirtschaftsfreundliches Gesicht nicht allzu deutlich zu zeigen, kündigt das Programm der Allianz dennoch eine Verschärfung der Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse an. Ihr "Programm für Arbeitsplätze" ist in Wirklichkeit ein Plan, die Arbeitslosenunterstützung um 15 Prozent zu kürzen und die Lohnsteuer zu senken, um kleineren Unternehmern, vor allem im Servicebereich, die Schaffung von Niedriglohnarbeitsplätzen zu erleichtern. Das Programm sieht weiterhin vor, das Krankengeld anzugreifen und so Arbeiter auf den Arbeitsmarkt zurück zu zwingen. Die Allianz hat vereinbart, die Vermögenssteuer einzufrieren und letztlich durch kommunale Steuern zu ersetzen.

Die neue Regierung wird versuchen, das Aufbrechen der staatlichen Alkohol-, Arzneimittel- und Kasinomonopole zu beschleunigen, von denen viele Sozialdemokraten profitieren, und die Staatsbeteiligungen an großen schwedischen Konzernen zu verkaufen. Betroffen sind z.B. der Telkommunikationskonzern TeliaSonera, die Nordea Bank und die schwedische Fluggesellschaft SAS. Insgesamt sollen die Privatisierungen etwa 200 Mrd. Kronen (21,8 Mrd. Euro) einbringen.

Die Regierung behauptet, hoch besteuerte Arbeiter, Hausbesitzer und kleine Geschäftsleute würden von ihren Maßnahmen profitieren. Die wirklichen Nutznießer werden allerdings Teile der Großindustrie und der Finanzwirtschaft sein, die mit den Sozialdemokraten die Geduld verloren haben.

Typisch ist zum Beispiel der Kommentar von Johnny Munkhammer vom rechten Think-Tank Timbro. Munkhammer zufolge "stehen die Staatsmonopole nicht nur besseren Sozialleistungen, sondern vielen neuen Unternehmern und Arbeitsplätzen im Weg".

Ein Hinweis darauf, um welche Summen es hier geht, und welche interessierten Kräfte beteiligt sind, ist der Streit um das Schicksal von Volvo, dem profitablen Auto- und LKW-Hersteller. Die Finanzinvestoren Cavian Capital und die britische Parvus Asset Management haben vor kurzem acht Millionen Volvo-Aktien gekauft und verlangen jetzt von Volvo, neunzehn Milliarden Kronen (zwei Mrd. Euro) an ihre Aktionäre auszuzahlen. Schweden ist auch das Zentrum des nordeuropäischen Venture Kapitals.

Trotz des starken Drucks von Seiten der internationalen Asset Stripper waren weder die Linke Partei noch die Grünen in der Lage, daraus Nutzen zu ziehen. Beide sind durch ihre Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten diskreditiert. Im Wahlkampf forderte die Linke Partei eine Ausweitung des Sozialstaats und eine Verkürzung der Arbeitszeit, konnte aber nicht erklären, warum sie die Sozialdemokraten jahrelang gestützt hatte. Außerdem hatte die Partei die Abspaltung der Feministinnen zu verkraften, die unter der Führung der ehemaligen Parteiführerin der Linken Partei, Gudrun Schyman, ihre eigene Partei, die Feministische Initiative, gründeten.

Die Grünen machten klar, dass sie gerne bereit seien, mit den Liberalen oder den Konservativen zusammenzuarbeiten, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben.

Auf der extremen Rechten gelang es den Schwedendemokraten nicht, die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu überwinden. In der Kommune Landskrona kam die fremdenfeindliche Anti-Einwandererpartei auf 22 Prozent.

Siehe auch:
Schwedens "Nein" zum Euro verschärft die europäische Krise
(24. September 2003)
Schwedische Gewerkschaftsbürokratie versucht Opelarbeiter zu unterbieten
( 10. November 2004)
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