US-Soldaten fordern Endes des Irakkriegs

Schon mehr als 100 aktive Soldaten der US-Armee haben Petitionen an Kongressabgeordnete gerichtet, in denen sie "den sofortigen Rückzug aller amerikanischen Truppen und Stützpunkte aus dem Irak" fordern.

Nach dem amerikanischen Militärinformantenschutzgesetz (Military Whistle-Blower Protection Act) haben aktive Soldaten, Nationalgardisten und Reservisten das Recht, einem Mitglied des Kongresses ohne Furcht vor Bestrafung eine geschützte Nachricht zu senden.

Dies ist das erste Mal, dass aktive Soldaten sich an den Kongress wenden und ein Ende des Irakkriegs verlangen. Die Organisationen, die diese Aktion in die Wege geleitet haben, sind die "Veteranen gegen den Krieg", die Gruppe "Soldatenfamilien melden sich zu Wort" und die "Veteranen für Frieden".

Erst vor ein paar Tagen hatten etwa 65 Soldaten und Soldatinnen Appelle an den Kongress gerichtet. Ihre Zahl hat inzwischen 350 erreicht, von denen mehr als 125 noch im aktiven Dienst stehen.

Nach den Regeln des Militärs dürfen Mitglieder der Streitkräfte sich nur außerhalb der Dienstzeit und nicht in Uniform öffentlich äußern und müssen klar machen, dass sie nicht für die Armee sprechen. Außerdem dürfen sie sich nicht respektlos über ihre Kommandeure oder den Präsidenten äußern.

Zwei aktive Soldaten haben das Risiko auf sich genommen, die Kampagne öffentlich zu vertreten: Jonathan Hutto, ein in Norfolk, Virginia stationierter Matrose der Seestreitkräfte, und Liam Madden, ein Sergeant des Marinekorps in Quantico, Virginia. Madden hat einen sechsmonatigen Einsatz im Irak hinter sich.

Hutto, Madden und eine Soldatin, die anonym blieb, sprachen am 25. Oktober im Rahmen einer Telefonkonferenz mit der Presse.

Hutto sagte den Medien, dass er die Idee mit der Petitionskampagne seit Januar verfolge. Während eines Einsatzes auf einem Schiff vor der irakischen Küste hatte er ein Buch über den Widerstand von US-Soldaten gegen den Vietnamkrieg gelesen (David Cortrights Soldiers in Revolt : GI Resistance During the Vietnam War).

Diese Oppositionsbewegung während des Vietnamkriegs, erklärte Hutto, setzte sich aus "aktiven Soldaten, Matrosen und Marineinfanteristen zusammen, die sich für eine Ende des Kriegs und den Rückzug der Truppen einsetzten. [...] 1971 hatten mehr als 250.000 aktive Mitglieder der Streitkräfte" ihre politischen Führer mit Petitionen bombardiert.

Die jetzige Petition verlangt nach Angaben des Matrosen, dass "der Irakkrieg und die Besatzung beendet und die Truppen heimgeholt werden". Hutto erklärte, dass die für den Krieg verwendeten Gelder besser eingesetzt würden, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme im eigenen Land zu lösen.

Der 22-jährige Madden ergänzte: "Ich bin gegen den Krieg im Irak und ich halte es für meine Pflicht - nicht als Marinesoldat, sondern als informierter Bürger - alle anderen Mitglieder der Streitkräfte darüber aufzuklären, dass sie über ein mächtiges Instrument verfügen. [...] Was mich wirklich wütend und traurig macht, ist das Folgende: Warum sind wir im Irak, wenn keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, wenn keine Verbindungen zu Al Qaida bestätigt wurden?

Wenn Demokratie unser Ziel ist, dann glaube ich, dass wir völlig falsch vorgehen und die Besatzung lediglich mehr Gewalt hervorbringt. Ich denke, nichts könnte den Nahen Osten mehr destabilisieren, als das, was wir tun. Außerdem kostet es zu vielen irakischen Zivilisten und Mitgliedern unserer Streitkräfte das Leben. [...] Die einzigen, die in meinen Augen profitieren - sichtbar profitieren - sind Konzerne wie Halliburton. [...] Wer die Truppen unterstützen will, der sollte sich für ihre Heimkehr einsetzen."

Zu dem enormen Stress, den die Mehrfacheinsätze für die Soldatenfamilien bedeuten, sagte Madden: "Es ist wirklich eine Frage des Geldes. Die Leute bleiben trotz der Härte, die die erneuten und nochmaligen Einsätze bedeuten, in der Armee, weil es das Beste für ihre Familien ist. Und solange sie keine andere vernünftige Einkommensquelle haben, werden sie auch in der Armee bleiben." Er erklärte, dass ein entscheidender Grund für die Petitionen ist, dass "die Leuten einen Schaden davontragen, dass ihr Leben durch diesen Krieg schwer beschädigt wird."

Die Soldatin erklärte: "Ich bleibe anonym aus Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen wegen meiner Beteiligung an der Aktion, auch wenn sie legal ist. Jeder, der mal in der Armee war, weiß, dass es inoffizielle Strafmaßnahmen gibt, die am Rechtssystem vorbeigehen und die oft auf verschiedene Weise benutzt werden, um Soldaten einzuschüchtern."

Sie war erst vor kurzem von einem einjährigen Irakeinsatz zurückgekehrt und beschrieb einige ihrer Erfahrungen. "Ich habe gesehen, wie Freunde verletzt wurden, und habe den Tod von Mitgliedern meiner Brigade und meiner Einheit erlebt." Sie sagte, im Kreuzfeuer eines Bürgerkriegs wachse der Frustration der Soldaten darüber, täglich ihr Leben für eine Sache zu riskieren, die sie nicht wirklich verstehen und bei der sie nicht hinterfragen können, "was an der [politischen und militärischen] Spitze vorgeht".

Alle drei sprachen über die in den Reihen des Militärs weit verbreitete Opposition gegen den Krieg. "Ich glaube nicht, dass die amerikanische Öffentlichkeit eine Vorstellung davon hat, wie viele Soldaten und andere Angehörige der Streitkräfte ihre Zweifel an der Aktion da drüben haben", sagte die Soldatin. "Es ist klar, dass Furcht einer der Gründe ist, warum viele sich nicht zu Wort melden, aber dass heißt nicht, dass sie nicht so denken. Aber ich sehe, dass immer mehr an die Öffentlichkeit treten und mehr und mehr Soldaten sich zu Wort melden.

Militärpersonal darf sich nicht in Gruppen organisieren, deshalb muss sich diese Kampagne in Form der Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiten. Wir meinen damit keine systematischen Telefonanrufe oder Massenbriefe. Eine Person muss mit einer anderen reden, es geht um den Schneeballeffekt."

Hutto erklärte, dass von zwanzig Matrosen, die er bislang angesprochen hat, alle bis auf einen ihre Unterstützung zugesichert hätten. Und dies, wie Madden betonte, obwohl "man vom ersten Tag [in der Armee] an gesagt bekommt, dass man keine Rechte hat. Dass die Verfassung, die man verteidigt, nicht für einen selbst gilt. Man bekommt ständig vermittelt, dass man sich nicht zu engagieren hat, dass man dazu da ist, Befehle zu erhalten und auszuführen, dass man sich nicht einmischt und keine eigenen Ansichten äußert."

Zuletzt äußerte Madden seine Überzeugung, dass "das was wir tun, den Traditionen widerspricht, unorthodox und beispiellos ist".

Siehe auch:
Botschaft des SEP-Kandidaten Bill Van Auken an die amerikanischen Truppen: Für die sofortige Beendigung der Besetzung des Irak und den Rückzug der Truppen!
(26. Oktober 2006)
Antikriegsstimmung in den USA wächst: Ex-Soldat verurteilt Bush-Regierung und ihre Kriege
( 25. Oktober 2006)
In Washington wird die Forderung nach einem "Kurswechsel" in der Irakpolitik immer lauter
( 24. Oktober 2006)
Bundesverwaltungsgericht: Irakkrieg war völkerrechtswidrig
( 14. September 2005)
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