Regierung Prodi legt Haushaltsplan für 2007 vor

Am Samstagmorgen legte die italienische Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi den Haushaltsplan für 2007 vor, der Einsparungen von 33,4 Milliarden Euro beinhaltet. Damit will sie das hohe italienische Haushaltsdefizit auf die Kriterien des EU-Stabilitätspakets, das heißt unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken.

Der Haushalt muss noch vor Jahresende in der Abgeordnetenkammer und dem Senat verabschiedet werden. Dies wird der Regierung jedoch nicht leicht fallen, denn sie ist außerordentlich instabil: Die Koalition aus neun verschiedenen Parteien, von den ehemaligen Christdemokraten bis hin zu Rifondazione Comunista, hat nach dem Seitenwechsel eines Abgeordneten im Senat nur noch eine Stimme Mehrheit.

Der Haushalt selbst bot Anlass für eine Zerreißprobe. Das über dreißig Milliarden Euro umfassende Sparpaket kommt zum großen Teil durch Einschnitte ins Sozialsystem und durch Kürzungen zustande, die es den Vertretern von Rifondazione und den Grünen sehr schwer machen, in der Bevölkerung ihr Gesicht zu wahren. Gleichzeitig sind einige Steuererhöhungen und Abgaben für den oberen Mittelstand vorgesehen, die den rechten Flügel auf die Palme bringen.

Die Zustimmung zu einem solchen Haushalt sei "gewiss nicht sexy", gab Prodi zu, aber jeder Koalitionspartner müsse jetzt bereit sein, "die Furt zu durchwaten".

Als Romano Prodi vergangenen April die Berlusconi-Regierung ablöste, stellte er dem italienischen und europäischen Unternehmertum in Aussicht, er werde das Nullwachstum, das steigende Defizit und die große Verschuldung überwinden und sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene ein verlässlicher Partner sein. Außer der Verringerung des Defizits wollte Prodi in die Wirtschaftsentwicklung des Landes investieren und die Lohnnebenkosten um fünf Prozent senken, um die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft zu erhöhen.

Seither haben die Banken und Konzerne Druck auf die Regierung ausgeübt, weil sie ihrer Meinung nach die Versprechen nicht schnell genug einlöst. Die Financial Times warnte, Italien werde von Platz 38 auf der Rangordnung des Weltwirtschaftsforums weiter auf den 42. Platz absinken, und schrieb: "Wenn das kommende Haushaltsbudget nicht rigoros genug ausfällt, setzt sich Italien der Gefahr aus, dass die hohen Schulden seine Kreditwürdigkeit vermindern."

Der Präsident des Unternehmerverbandes Confindustria, Luca Cordero di Montezemolo, erklärte, Italien bewege sich bezüglich der Konkurrenzfähigkeit seit vielen Jahren auf den letzten Plätzen. "Wir sind davon ausgegangen, dass man große Rigidität und Aufmerksamkeit auf die Entwicklung richten werde, um diesem Land einen großen Schub zu versetzen. Soviel wir jetzt wissen, glaube ich aber nicht, dass dieser Kampf gegen die Vergeudung stattfindet, und es gibt sogar die Gefahr neuer Steuern. Wir haben mutige Schnitte, mehr Mut erwartet."

Jedes Schwanken und Nachgeben gegenüber den sogenannten "Sozialpartnern", d.h. den Gewerkschaften sowie dem Regierungspartner Rifondazione Comunista, löste bei den rechten Regierungsmitgliedern lautstarke Tiraden aus.

Als zum Beispiel Rifondazione Comunista und die Grünen forderten, die Kürzungen bei Schulen und Kommunalregierungen zu verschieben, und Sozialminister Paolo Ferrero die Einkommenssteuern bei wohlhabenderen Mittelschichten um zwei Prozent heraufsetzen wollte, schwor Justizminister Clemente Mastella, Chef der christdemokratischen Udeur, eine solche Finanzreform werde seine Partei niemals mittragen, nicht einmal in einer Vertrauensabstimmung. In den vergangenen Monaten musste Prodi schon mehrfach die Vertrauensfrage stellen, um die Mehrheit hinter sich zu bekommen.

Mastella malte das Schreckgespenst einer proletarischen Enteignung an die Wand. Er sagte: "Man kann eine Finanzreform nicht gestalten wie eine Telenovela der Serie ‚Auch die Reichen weinen’.... Wir glauben nicht, dass der Mittelstand gleichbedeutend mit den Reichen ist. Wer immer an die proletarische Enteignung der angeblichen Kategorie der Reichen denkt, wird auf unsere starke Opposition treffen."

Am Ende zeigte sich, dass Rifondazione Comunista den Haushalt folgsam mitträgt, obwohl er nun wirklich genügend soziale Grausamkeiten enthält. Schon im kommenden Jahr will Prodi die von Berlusconi begonnene Rentenreform wieder aufnehmen, das allgemeine Rentenalter anheben und die Pensionsfonds stärken. Die Politik der Privatisierungen staatlicher Betriebe wird weitergehen, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei Alitalia oder bei der Bahn werden noch mehr Lohnopfer und Stellenstreichungen zugemutet werden.

Rifondazione hatte gefordert, das Budget müsse den Segen der Gewerkschaften erhalten. Diese drohten für den Fall weiterer Einschnitte im Schulwesen mit einer Streikwelle, und kurzfristig wurde sogar von einem neuen Generalstreik gesprochen. Allerdings erklärten sich die Gewerkschaften zuletzt bereit, einen für nächste Woche geplanten nationalen Streik bei Alitalia erst einmal abzusagen, als Prodi allseitige Gespräche für den 10. Oktober ankündigte.

Die Wahlversprechen, die den Künstlern und Beschäftigten im Kulturbereich im Wahlkampf gemacht wurden, haben sich als heiße Luft erwiesen: Die massiven Kürzungen der Berlusconi-Regierung wurden keineswegs, wie versprochen, in den ersten hundert Tagen der neuen Regierung rückgängig gemacht, und der Kulturetat wurde nicht angehoben. Der Kulturminister, Francesco Rutelli, Chef der bürgerlichen Margherita und gleichzeitig Prodis Stellvertreter, erwies sich im Streit um den Haushalt als einer der Scharfmacher und argumentierte, man dürfe "den Mittelstand nicht verschrecken".

Zuletzt akzeptierte die ganze Regierung den Sparhaushalt, der von Finanzminister Tommaso Padua-Schioppa, einem Vertrauensmann der Banken und des europäischen Finanzkapitals ausgearbeitet worden war. Piero Fassino, Chef der größten Regierungspartei der Linksdemokraten, erklärte laut Handelsblatt : "Wenn wir die Wachstumsziele einhalten wollen, gibt es keine Alternative zu diesem Haushalt."

Tumulte im Abgeordnetenhaus

Die Tatsache, dass die Regierung einen rabiaten Sparhaushalt im Interesse der Wirtschaft vorlegt, besänftigt die rechte Opposition im Parlament nicht. Sie fühlt sich dadurch ermutigt, umso aggressiver aufzutreten.

Senator Sergio De Gregorio, Präsident des Verteidigungsausschusses und bisher Mitglied von Antonio Di Pietros Partei "Italien der Werte", trat aus dieser Partei und damit aus dem Mitte-Links-Lager aus und drohte, mit der rechten Opposition um Berlusconi zu stimmen.

Die Oppositionsparteien um den früheren Regierungschef und Medientycoon Silvio Berlusconi begegnen der Prodi-Regierung mit offener Feindschaft. Der Vizefraktionschef von Forza Italia, Paolo Romani, sagte: "Die kommunistischen Parteien halten Prodi im Würgegriff. Rifondazione arbeitet an einem sozialen Racheakt. Der Mittelstand wird zur Kasse gebeten, weil für die Altkommunisten wohlhabende Bürger ein rotes Tuch sind."

Donnerstagnacht buhten die Abgeordneten der neofaschistischen Alleanza Nazionale, der Lega Nord und der Forza Italia Romano Prodi im Parlament regelrecht aus und hinderten ihn daran, eine Erklärung abzugeben. Eine Senatsentscheidung hatte ihn vorige Woche verpflichtet, die Regierungsposition zur Zukunft von Telecom Italia vor dem Abgeordnetenhaus klarzustellen.

Dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer Fausto Bertinotti, dem ehemaligen Chef von Rifondazione Comunista, fiel die Aufgabe zu, die aggressiven Abgeordneten der Faschisten, Separatisten und Berlusconi-Partei zur Ordnung zu rufen. Erst beim achten Versuch konnte Prodi seinen Text zuende lesen. Ein Video der Szene wurde über das Internet verbreitet.

Telecom Italia, eine privatisierte Aktiengesellschaft mit Mehrheitsanteil und Kontrollbefugnis des Staates, hatte vor zwei Wochen Pläne bekannt gemacht, die Mobiltelefonsparte möglicherweise an eine ausländische Firma zu verkaufen, was Prodi wohl hinter den Kulissen zu verhindern versucht hatte. Dies hatte die erbitterte Kritik des Industriellenverbandes und der rechten Parteien hervorgerufen.

In seiner ausgebuhten Erklärung vermied es Romano Prodi, näher auf einen Abhörskandal um die Telekom einzugehen, der seit einigen Wochen immer weitere Kreise zieht. Dieser Skandal wirft ein verheerendes Licht auf die rechten Seilschaften, die im italienischen Staatsapparat aktiv sind.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Spionagering um den Chef der Telecom-Sicherheitsabteilung und Ex-Kriminalbeamten, Giuliano Tavaroli, der zehn Jahre lang die Mitschnitte aus abgehörten Telefonaten mit Computerdaten aus Justiz- und Polizeibehörden kombinierte und an die Meistbietenden verkaufte. Unterstützt wurde er vom Vizechef des staatlichen Geheimdienstes SISMI, Marco Mancini. Bespitzelt wurden Unternehmer, Politiker, Intellektuelle, Manager und Sportprominente - angeblich bis zu 100.000 Menschen.

Bisher wurden 25 Personen festgenommen, darunter neben den Hauptverantwortlichen auch Polizisten, Steuerfahnder und die Sekretärin eines Mailänder Staatsanwalts. Zahlreiche Wohnungen wurden durchsucht. Der Sicherheitschef des Mobilnetzes, Adamo Bove, hatte die Turiner Staatsanwaltschaft über die Missbrauch von Telefongesprächslisten informiert. Kurz darauf war er in Neapel von einer Brücke in den Tod "gesprungen".

Siehe auch:
Die neue italienische Regierung
(19. Mai 2006)
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