Von der Antikriegs- zur Kriegspartei

Rifondazione Comunista mobilisiert für den Truppeneinsatz im Libanon

Rifondazione Comunista, die italienische "Partei für kommunistische Neugründung", setzt sich mit allen verfügbaren Mitteln für den italienischer Truppeneinsatz im Libanon ein. Das Nationale Sekretariat der Partei, die seit April 2006 der Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi angehört, hat die italienische Libanon-Mission ausdrücklich begrüßt. Die Abgeordneten der Partei stimmten am 17. Oktober im Senat demonstrativ für das Dekret über die Truppenentsendung.

Italien beteiligt sich mit 2.500 Soldaten an der UNIFIL-Mission im Südlibanon. Es stellt damit das größte Kontingent der Truppe, die laut UN-Resolution 1701 von bisher 5.000 auf 15.000 Mann aufgestockt wird. Im kommenden Jahr wird Italien das Kommando der UNIFIL von Frankreich übernehmen. Frankreich stellt selbst ein großes Truppenkontingent, während Deutschland das Kommando über die Seestreitkräfte übernommen hat, die die libanesische Küste abschotten.

Der Auftrag der Truppe besteht darin, den Waffennachschub an die Hisbollah zu stoppen. Sowohl Israel als auch die USA haben der Mission zugestimmt, nachdem es Israel im Sommer trotz massiver Bombenangriffe nicht gelungen war, die Hisbollah zu zerschlagen, die vor allem unter der schiitischen Bevölkerung des Libanon über großen Einfluss verfügt. Die UNIFIL soll mithin vollenden, was Israel durch seinen massiven Kriegseinsatz nicht gelungen ist - die Ausschaltung oder zumindest die Neutralisierung der Hisbollah.

Der Blauhelmeinsatz im Libanon wird zudem - ähnlich wie die ISAF-Truppe in Afghanistan - Amerika den Rücken für weitere Provokationen gegen Syrien und den Iran freihalten.

Vor allem aber verschafft die Mission den europäischen Mächten die Gelegenheit, militärische Präsenz in einer Region zu zeigen, in der sie über massive eigene wirtschaftliche und politische Interessen verfügen und die lange Zeit von den USA und ihren engsten Verbündeten dominiert wurde. Der italienische Außenminister Massimo D’Alema (Linksdemokraten) hat den Libanoneinsatz ungeniert mit den Worten begründet, er sei "eine große Gelegenheit für Europa, das im Nahen Osten nie ein großes Gewicht gehabt hat und vor allem bezahlt hat, aber weniger als Mitspieler anerkannt war".

Rifondazione hat nun die Aufgabe übernommen, diesem Einsatz in der Öffentlichkeit die notwendige Weihe als "Friedensmission" zu verschaffen. In einer Erklärung des Nationalen Sekretariats vom 14. September wird die UN-Interventionstruppe als Instrument geschildert, das "den Krieg unterbrechen, den Dialog begünstigen und die Möglichkeit eines Weges des garantierten Friedens für alle Konfliktparteien herbeiführen" könne.

Dabei leugnet Rifondazione schlicht, dass Italien und die anderen europäischen Mächte eigene imperialistische Interessen verfolgen. Sie feiert den Libanoneinsatz als Sieg über den amerikanischen "Unilateralismus" und bezeichnet die UNO, in der die Großmächte den Ton angeben, als Ausdruck des Willens der "internationalen Gemeinschaft". "Die UN muss ihre Führungsrolle wiederherstellen und Europa muss damit beginnen, selbständig die Initiative zu ergreifen", heißt es in der Erklärung des Nationalen Sekretariats.

Die Parteizeitung Liberazione überschlägt sich in immer neuen Artikeln geradezu vor Begeisterung für die neue "Friedensmission".

"Die UNO-Mission im Libanon ist eine Mission, die der PRC aus tiefster Überzeugung unterstützt", schreibt zum Beispiel Giovanni Russo Spena, neapolitanischer Senator der Partei, am 19. August, in Liberazione. "Mit der Resolution, die Bomben und Raketen im Libanon und in Israel zum Schweigen brachte, spielen die Vereinten Nationen zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren wieder ihre spezifische und unersetzliche Rolle. Das ist das Zeichen einer Wende von vielleicht historischer Tragweite. Das Ende des Unilateralismus..."

Der Nahost-Beauftragte der Partei, Fabio Amato, erklärte: "Der Waffenstillstand im Libanon und die Bestätigung der UNIFIL-Mission stellen eine Chance dar, der Politik und Diplomatie und auch den Volksbewegungen ihre Stimme wieder zurückzugeben. In dieser Hinsicht hat die UN eine entscheidende Rolle übernommen..."

Er lässt keinen Zweifel daran, dass es darum geht, das Gewicht Europas in den Krisengebieten zu stärken: "Europa hat seine Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten unter Beweis gestellt, was der Neubeginn einer politischen Friedensinitiative sein könnte. Die Vorstellung eines Großen Nahen Ostens, wie Bush sie entworfen hat, ist das Gegenteil einer Politik für Europa und das Mittelmeer, wie wir sie verteidigen können."

Auch Roberto Musacchio, Europapolitiker von Rifondazione, spricht davon, dass Europa neu lanciert werden müsse: "Es gibt Raum für eine Außenpolitik des Zusammenlebens im Mittelmeer, und diesen Raum muss Europa in Besitz nehmen", schreibt er am 24. August in Liberazione.

Mit dieser Wende verabschiedet sich Rifondazione Comunista endgültig vom Pazifismus und bekennt sich offen zum Militarismus. Früher benutzte die Partei linke Phrasen, um in den zahlreichen Massenprotesten eine führende Rolle spielen zu können. Gemeinsam mit den Gewerkschaften versuchte sie, den wachsenden gesellschaftlichen Widerstand unter Kontrolle zu halten.

Seitdem sie in die Prodi-Regierung eingetreten ist, handelt sie als direkte Agentur des bürgerlichen Staates. Mit 41 Sitzen in der Abgeordnetenkammer und 27 Sitzen im Senat spielt sie für die Durchsetzung der arbeiterfeindlichen Politik der Prodi-Regieurung eine unverzichtbare Rolle.

Es ist nun für jedermann klar geworden, dass ihre Ablehnung des Irakkriegs nicht die Opposition der Arbeiterklasse gegen den Imperialismus zum Ausdruck brachte, sondern die nationalen Interessen jener Teile der italienischen und europäischen Bourgeoisie, die sich durch das unilaterale Vorgehen der USA an den Rand gedrängt und ausgeschlossen fühlten.

Solange Italien noch von Silvio Berlusconi regiert wurde, der ein enges Bündnis mit George W. Bush unterhielt und den Irakkrieg vorbehaltlos unterstützte, konnte Rifondazione ihren Nationalismus hinter pazifistischer Rhetorik verbergen. Seitdem sie unter Romano Prodi selbst Regierungsverantwortung trägt, bekennt sie sich offen zu den Interessen des europäisch orientierten Teils der italienischen Bourgeoisie.

Die einstige Antikriegspartei beschäftigt sich heute damit, Kundgebungen für den Militäreinsatz im Libanon zu organisieren. Im August 2006 rief Rifondazione zu einer Demonstration in Assisi auf, bei der sie mit dem Slogan "Forza ONU" (Vorwärts UNO) die UNIFIL-Mission als einzig gangbaren Weg zum Frieden verherrlichte. Eine weitere Demonstration ist für Anfang November geplant.

Noch im Juli, als es im Parlament um die Finanzierung der Afghanistan-Mission ging, hatte ein Teil von Rifondazione dagegen gestimmt oder sich der Stimme enthalten. Sobald jedoch Prodi die Vertrauensfrage stellte, krochen alle zu Kreuz. Seither hat Italien seine Beteiligung an der ISAF-Mission in Afghanistan von 1.400 auf 1.800 Soldaten aufgestockt.

Die Zusammenarbeit von Rifondazione mit Romano Prodi ist nicht allein auf die Kriegsfrage beschränkt. Anfang Oktober kam es im Parlament zu Tumulten, als die Regierung den Haushaltsplan für das nächste Jahr vorstellte. Er beinhaltet Einsparungen über dreißig Milliarden Euro, massive soziale Kürzungen sowie gewisse Steuererhöhungen für die besser gestellten Mittelschichten. Rifondazione nutzt die Agitation rechter Oppositionsparteien gegen den Haushalt als Vorwand, um ihre Verteidigung des Haushalts trotz all seiner sozialen Grausamkeiten zu begründen.

Stalinistische Tradition und pablistischer Pseudo-Trotzkismus

Die Rechtswende von Rifondazione ist das logische und unausweichliche Ergebnis ihrer Geschichte, ihrer politischen Perspektive und ihrer gesellschaftlichen Orientierung.

Rifondazione wurde im Februar 1991 nach der Auflösung der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) gegründet, deren Mehrheit die Partei der Linken Demokraten bildete und sich vom Namen und der traditionellen Symbolik der KPI distanzierte. In der Rifondazione-Führung saßen von Anfang an gestandene Stalinisten, die fürchteten, die Rechtswende der alten KPI-Mehrheit könnte ein politisches Vakuum und Raum für eine echt sozialistische Bewegung schaffen.

Das Rifondazione-Programm stand ganz in der stalinistischen Tradition der KPI, die nach dem Sturz der Mussolini-Diktatur der bürgerlichen Regierung beigetreten war. Sie hatte die antifaschistische Resistenza entwaffnet, die bürgerliche Verfassung anerkannt und sich in jeder Hinsicht als verlässliche Stütze der bürgerlichen Ordnung bewährt. Ängstlich darauf bedacht, eine unabhängige Entwicklung der italienischen Arbeiterklasse zu verhindern, verbündete sich die KPI auf der Grundlage von parlamentarischen Manövern und von politischem Opportunismus mit Sozialdemokraten und liberalen bürgerlichen Parteien.

Rifondazione nahm die verschiedensten linken Gruppierungen in ihren Reihen auf, die im Verlauf der Radikalisierung der 1960er und 1970er Jahre entstanden waren. Sie durften als organisierte Fraktionen in die Partei eintreten und hatten in jedem Parteigremium Sitz und Stimme. Diese Gruppen übernahmen die Aufgabe, für das Image von Rifondazione als revolutionärer Alternative zu den reformistischen Parteien zu sorgen.

Die Schlüsselrolle spielte eine pseudo-trotzkistische Gruppe, die dem pablistischen Vereinigten Sekretariat angehört und deren Führer Livio Maitan (1921-2004) war. Diese Organisation, die zurzeit den Namen Sinistra Critica trägt, war wesentlich dafür zuständig, Rifondazione in der Europäischen Linken als alternatives "sozialistisches" Modell darzustellen.

Heute bringt diese Fraktion die innerparteiliche Opposition gegen Rifondaziones Rechtswende auf Kurs und stellt damit das Überleben der Prodi-Regierung sicher, die im Parlament von den Stimmen der Rifondazione-Abgeordneten abhängt. Sie übte zum Teil Enthaltung, stimmte aber nicht gegen die Afghanistan- und die Libanon-Mission. Ihre Begründung lautete, in der Bevölkerung sei der Widerstand nicht stark genug, deshalb könne sie es nicht riskieren, eine Krise der Prodi-Regierung herbeizuführen. Damit übernehmen die Pablisten direkte politische Verantwortung für die militaristische Politik des italienischen Imperialismus und für die Sparmaßnahmen, die Prodi gegen die Arbeiterklasse durchsetzt.

Wie reaktionär diese politische Haltung der Pablisten ist, wird noch an einem weiteren Beispiel deutlich: Rifondazione geht sogar so weit, den Schulterschluss mit den rechtesten Kräften im italienischen Parteienspektrum zu suchen. Am 16. September nahm ihr prominentester Vertreter, Fausto Bertinotti, an einem öffentlichen Podiumsgespräch mit Gianfranco Fini teil, bei dem es um die "Identität als Italiener, Lateiner und Vertreter des Westens" ging. Bertinotti war seit 1994 Parteivorsitzender von Rifondazione und ist heute Präsident der Abgeordnetenkammer; Fini ist Chef der neofaschistischen Alleanza Nazionale.

Das Treffen fand während des Jahrestags der faschistischen Jugendorganisation Azione Giovane in Rom statt und dauerte über zwei Stunden. Fini äußerte sich lobend über Bertinotti und gratulierte ihm zu seiner "Treue zu den eigenen Ideen, die jedoch eindeutig nicht meine Ideen sind". Bertinotti rechtfertigte sein Treffen mit dem Repräsentanten der Mussolini-Nachfolger mit den Worten: "Man muss eine Brücke schlagen, auch zwischen sehr unterschiedlichen Positionen."

Dieses Treffen war eine schallende Ohrfeige für alle, die unter dem Faschismus gelitten haben oder heute noch unter den Übergriffen rechtsradikaler Kräfte leiden. Immer häufiger kommt es zu brutalen Angriffen faschistischer Schläger auf Sozialzentren, besetzte Häuser, Flüchtlingsheime oder Jungendzentren. Nur wenige Tage vor dem freundschaftlichen Gespräch Bertinottis mit Fini wurde der 26-jährige römische Jugendliche Renato Biagetti nach einer Musikveranstaltung eines Rifondazione-nahen Jugendzentrums in Ostia auf dem Nachhauseweg von zwei bewaffneten Schlägern erstochen.

Fausto Bertinotti, der den opportunistischen Charakter von Rifondazione Comunista perfekt verkörpert, sieht in seinem neuen "Brückenschlag" mit den Rechten eine nationale Notwendigkeit in schweren Zeiten. Tatsächlich verschafft Rifondazione mit ihrem Rechtsschwenk den rechtesten Kräften in Italien neuen Auftrieb. Es ist eine Entwicklung, die enorme Gefahren für die italienische und internationale Arbeiterklasse beinhaltet.

Ähnlich wie die Linkspartei.PDS in Deutschland und die Parteien der radikalen Linken in Frankreich, bestehend aus Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR), Lutte Ouvrière (LO) und Parti des Travailleurs (PT), dient Rifondazione als wichtige Stütze des Staates. Arbeiter und Jugendliche müssen die Lehren aus der Politik, Entwicklung und Geschichte dieser Organisationen ziehen und für die Entwicklung einer wirklich sozialistischen Orientierung kämpfen.

Siehe auch:
Regierung Prodi legt Haushaltsplan für 2007 vor
(4. Oktober 2006)
Italien will Soldaten in den Libanon senden
( 15. August 2006)
Prodis linke Krücke: Bertinotti ist italienischer Parlamentspräsident
( 4. Mai 2006)
Livio Maitan, 1923-2004: Eine kritische Würdigung
( 21.-23. Oktober 2004)
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