Oberster Gerichtshof Sri Lankas verbietet Anrufung von internationalem Menschenrechtsgremium

Der Oberste Gerichtshof von Sri Lanka hat entschieden, dass srilankische Bürger kein Recht haben, sich mit Beschwerden an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen (UNHRC) in Genf zu wenden. Dies stellt einen schweren Angriff auf demokratische Rechte dar. Das Gericht erklärte, der Beitritt des Landes zu dem optionalen Protokoll des Internationalen UN-Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, Zivilpakt) sei "verfassungswidrig und illegal" gewesen.

Eine fünfköpfige Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Sarath N. Silva verkündete diese Entscheidung am 15. September. Parallel dazu weitet sich der Bürgerkrieg aus, und es gibt fundierte Berichte über Entführungen, willkürliche Hinrichtungen und das "Verschwindenlassen" von Menschen durch die Armee und ihre paramilitärischen Verbündeten. Insbesondere der kaltblütige Mord an siebzehn einheimischen Mitarbeitern der französischen Hilfsorganisation Action Contre la Faim (ACF) in Muttur Anfang August ist bekannt geworden. Es gibt jedoch noch zahlreiche ähnliche Fälle, in die das Militär direkt verwickelt ist.

Keiner der vielen Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte in diesem Jahr ist ernsthaft und von unabhängiger Seite untersucht worden. Weil überhaupt keine Armeeangehörigen angeklagt wurden, sind internationale Menschenrechtsorganisationen zum Schluss gekommen, dass es im Land eine "Kultur der Straflosigkeit" gibt. Das Oberste Gericht hat jetzt praktisch jedes formelle internationale Eingreifen in Fällen grober Menschenrechtsverletzungen unmöglich gemacht.

Das Oberste Gericht begründete seine Entscheidung mit der Verteidigung der srilankischen Souveränität. Weil der Beitritt zu dem optionalen ICCPR-Protokoll 1997 von der damaligen Präsidentin Chandrika Kumaratunga unterzeichnet aber vom Parlament nicht ratifiziert wurde, habe er "keinen Einfluss auf die Gesetze des Landes", heißt es im Urteil. Damals allerdings war Kumaratungas Entscheidung in den Medien als großer Schritt der Regierung gelobt worden, die geltenden internationalen Menschenrechtsnormen umzusetzen.

Die Verteidigung der "nationalen Souveränität" durch das Gericht liegt auf einer Linie mit der Hetze der singhalesischen Extremisten gegen jede internationale Kritik an der Wiederaufnahme des Kriegs und den Verbrechen der Armee. Die singhalesisch-chauvinistischen Parteien Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und Jathika Hela Urumaya (JHU), die beide die Regierung unterstützen, haben wiederholt gefordert, Norwegen vom Vorsitz der Überwachungsmission des internationalen Friedensprozesses abzuberufen, weil das Land angeblich Sympathien für die LTTE hege und die srilankische Souveränität verletze.

Das Urteil des Obersten Gerichts erfolgte auf einen Antrag von Nallaratnam Sinharasa, der erreichen wollte, dass eine Entscheidung des UNHRC zu seinem Fall "in srilankisches Recht umgesetzt wird". Sinharasa war 1993 unter dem berüchtigten Antiterrorgesetz und aufgrund von Notstandsbestimmungen verhaftet worden, die schon seit fast seit vierzig Jahren in Kraft sind.

Sinharasa wurde schwer gefoltert, was bei ihm zu dauerhafter Erblindung führte. Nach fast fünf Monaten Haft soll er im Dezember 1993 ein Geständnis unterschrieben haben, das in singhalesisch geschrieben war, einer Sprache, die er gar nicht lesen konnte. Ihm wurde im Prozess vorgeworfen, an Angriffen auf Armeelager beteiligt gewesen zu sein, und im September 1995 wurde er wegen Verschwörung zum Sturz der Regierung in fünf Fällen schuldig gesprochen. Er wurde zu insgesamt fünfzig Jahren Gefängnis verurteilt, die später in einem Revisionsverfahren auf 35 Jahre reduziert wurden.

Sinharasas Verurteilung beruhte ausschließlich auf seinem "Geständnis". Die Staatsanwaltschaft konnte keinen einzigen weiteren Beweis vorlegen. Sinharasa berichtete, dass ein Polizist seinen Daumenabdruck auf das Dokument gedrückt habe, als er sich weigerte, das Geständnis zu unterzeichnen. Dieses Stück Papier wurde von dem Gericht als Beweis akzeptiert. Nach dem Antiterrorgesetz liegt die Beweislast, dass das Geständnis unter Folter erpresst wurde, beim Angeklagten.

Sinharasa wandte sich an das UNHRC, weil es für ihn unmöglich war, der Beweisführung nach Paragraph 16(2) des Antiterrorgesetzes gerecht zu werden. Er war gezwungen worden, das Geständnis im Beisein eben jener Polizisten zu unterzeichenen, die ihn zuvor gefoltert hatten.

Seine Behandlung war eine grobe Verletzung von Artikel 14, Paragraph 3(g) des UN-Zivilpakts, in dem es heißt, dass ein Mensch "nicht gezwungen werden [darf], gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen". Das UNHRC erklärte, dass das srilankische Antiterrorgesetz diese Bestimmung verletze und der Beweis dafür, dass ein Geständnis nicht unter Zwang abgelegt wurde, von der Strafverfolgungsbehörde zu erbringen sei.

Das UNHRC stellte außerdem fest, dass Sinharasas Rechte auch durch die lange Wartezeit auf seine Berufungsverfahren vor dem Obersten Gericht verletzt wurden. Es dauerte mehr als vier Jahre - von September 1995 bis Januar 2000 - bis die Revision begann.

Der Spruch des Obersten Gerichts vom vergangenen Monat schafft einen Präzedenzfall für den Ausstieg Sri Lankas aus anderen internationalen Verträgen und Vereinbarungen, denen das Land früher beigetreten war. Die Entscheidung öffnet Tür und Tor für die Sicherheitskräfte, Grundrechte aus dem Zivilpakt straflos zu verletzen. Sie wird auch zu weiteren Entführungen und Morden ermutigen, mit denen Angehörige der tamilischen Minderheit und alle Kriegsgegner eingeschüchtert und terrorisiert werden sollen.

Bezeichnenderweise hatte das Oberste Gericht nichts dazu zu sagen, dass das Antiterrorgesetz und andere Gesetze in Sri Lanka demokratische Rechte verletzen, und es forderte auch keine Änderungen in der srilankischen Gesetzgebung. Mit dem Argument, dass srilankisches Recht den absoluten Schutz der Verfassung genießt, verteidigt es in der Praxis die vorhandenen antidemokratische Gesetze und damit die groben Verletzungen demokratischer Rechte durch die Sicherheitskräfte.

Das gleiche Argument wurde von der Regierung als Antwort auf die Entscheidung des UNHRC zum Fall Sinharasa vorgebracht. Das Oberste Gericht zitierte zustimmend die Aussage der Regierung, dass sie nach der Verfassung nicht das Recht habe, "den Sträfling zu entlassen oder eine Wiederaufnahme des Prozesses zu gewähren", und dass "von ihr nicht erwartet werden kann, die Verfassung Sri Lankas zu verletzen".

Im Schlussabsatz des Urteils erklärte das Gericht sein Verständnis für die "Hilflosigkeit der Regierung gegenüber dem Menschenrechtskomitee..., was kein gutes Licht auf die Republik Sri Lanka wirft". Um dem Land und der Regierung künftige Peinlichkeiten zu ersparen, erklärte es den Beitritt von 1997 zum optionalen Protokoll für ungültig und wies Sinharasas Antrag gänzlich ab.

Es ist kein Zufall, dass das Oberste Gericht Sri Lankas gerade jetzt ein solches Urteil spricht, da der US-Kongress ein Gesetzeswerk beschließt, das die Genfer Konventionen umgeht und willkürliche Inhaftierung von und Folter an so genannten ungesetzlichen Kämpfern durch die CIA und das amerikanische Militär rechtfertigt. Unter dem Banner ihres angeblichen "Kriegs gegen den Terror" hat die Bush-Regierung ein reaktionäres Klima geschaffen, das Regierungen in aller Welt ermutigt, sich über bisher allseits akzeptierte Normen internationalen Rechts hinwegzusetzen.

Im politischen und medialen Establishment in Colombo herrscht ein auffälliges Schweigen in Bezug auf das Urteil des Obersten Gerichts. In einem der wenigen Kommentare beklagte Kishali Jayawardene in ihrer Kolumne in der Sunday Times vom 1. Oktober den Mangel an Diskussion "in der Öffentlichkeit, in Organisationen der Zivilgesellschaft, im Justizwesens und, was am wichtigsten ist, unter Juristen an den Hochschulen".

Sie fuhr fort: "Die Urteilsverkündung des Obersten Gerichts wirkt sich auf alle Rechtsgebiete aus, nicht nur auf die Umsetzung der internationalen Menschenrechte. Das Schweigen zu diesen Fragen ist ein weiteres Zeichen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die keine kraftvolle demokratische Idee und Bewegung mehr hat."

Das Fehlen jeder Diskussion ist auch ein Symptom für die Geschlossenheit der herrschenden Kreise Sri Lankas, während die Offensive der Regierung und der Armee gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) regelrecht eskaliert. Nicht nur die Verletzung von Grundrechten durch die Sicherheitskräfte, auch der offene Bruch der Waffenstillstandsvereinbarung von 2002 durch die Armee stieß auf keinerlei Kritik.

Vergangenen Freitag versuchte die Europäische Union, eine harmlose Resolution in die Beratungen des in Genf tagenden UNHRC einzubringen. Die Resolution äußert sich kritisch zur Menschenrechtsbilanz Sri Lankas und führt als Beleg mehrere Entführungen und die Ermordung von Zivilisten an. Menschenrechtsminister Mahinda Samarasingha reagierte gestern darauf, indem er der EU vorwarf, sie habe seine Regierung nicht einmal vorher angehört. Er nannte die Initiative "unberechtigt" und behauptete, die Regierung würde Menschenrechtsverletzungen nachgehen.

In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Obersten Gerichts hat die Regierung jedoch angesichts der immer heftigeren Kämpfe mit der LTTE nicht die geringste Absicht, die Verbrechen der Sicherheitskräfte von einem internationalen Gremium untersuchen zu lassen oder die Armee an die Kandare zu nehmen.

Siehe auch:
Regierung behindert Untersuchung über Mord an internationalem Hilfspersonal
(3. Oktober 2006)
Demonstration der SEP in Sri Lanka gegen amerikanisch-israelischen Krieg im Libanon
( 11. August 2006)
Die SEP in Sri Lanka fordert vollständige Aufklärung des Mordes an Sivapragasam Mariyadas
( 7. September 2006)
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