Bundestag verlängert deutsche Teilnahme am "Krieg gegen Terror"

Der Deutsche Bundestag hat am 10. November mit großer Mehrheit der weiteren deutschen Beteiligung an der US-geführten Operation Enduring Freedom zugestimmt. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie die oppositionelle FDP stimmten dafür, lediglich die Linkspartei und - erstmals - die Grünen votierten dagegen.

Die Bundeswehr kann demnach für ein weiteres Jahr bis zu 1.800 Soldaten im Nahen Osten, in Asien und in Afrika für den so genannten "Krieg gegen den Terror" einsetzen. Das Einsatzgebiet umfasst laut Bundestagsbeschluss neben dem Nato-Gebiet "die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete".

Bereits am 28. September hatte der Bundestag die Verlängerung der deutschen Teilnahme an der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan beschlossen. Die Bundeswehr stellt dort knapp 3.000 der insgesamt 20.000 Soldaten.

Im Gegensatz zur ISAF, die im Dezember 2001 durch einen Beschluss des Weltsicherheitsrats zustande kam, verfügt Enduring Freedom über keine völkerrechtliche Legitimation. Die US-Regierung begann die Operation einen knappen Monat nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und begründete sich nur ganz allgemein mit dem Recht auf "Selbstverteidigung".

Wichtigster Teil von Enduring Freedom war der Krieg gegen Afghanistan. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes kämpfen dort amerikanische und verbündete Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom weiter gegen angebliche Terroristen - wobei niemand genau feststellen kann, ob es sich bei den zahlreichen Opfern dieses Kriegs tatsächlich um Kämpfer der Taliban und von Al Qaeda, oder um einheimische Aufständische gegen die Besatzungsmacht und um unschuldige Zivilisten handelt.

Die Operation Enduring Freedom ist aber nicht auf Afghanistan beschränkt. Die USA und ihre Verbündeten nehmen sich das Recht heraus, von Zentralasien bis Ostafrika gewaltsam gegen angebliche "Terroristen" vorzugehen.

Die deutsche Bundesmarine ist im Rahmen von Enduring Freedom am Horn von Afrika im Einsatz. Sie hat die Aufgabe übernommen, vom Standort Dschibuti aus den etwa 3.000 Kilometer langen Seeweg zwischen dem Rotem Meer, dem Golf von Aden und dem Indischen Ozean bis zur kenianischen Hafenstadt Mombasa zu überwachen. Sie überprüft Schiffe, die verdächtigt werden, "Personen oder Güter zu transportieren, mit denen der internationale Terrorismus unterstützt werden könnte". Zigtausend Schiffe sind bis heute fotografiert, registriert, in Seekarten verewigt und über Funk abgefragt worden. Die Bundesmarine hat auch zwei Hubschrauber im Einsatz und war zeitweise mit drei Flugzeugen, so genannten Seefernaufklärern, an der Operation Enduring Freedom beteiligt.

In den deutschen Medien wird darüber berichtet, als sei dies rechtlich selbstverständlich. Es handelt sich aber nicht um Hoheitsgewässer Deutschlands oder verbündeter Länder, in denen hier deutsche Kanonenboote auf Kontrollfahrt sind. Die Bundesmarine maßt sich vielmehr Hoheitsrechte in somalischen und internationalen Hoheitsgewässern an. Man stelle sich vor, russische, chinesische oder iranische Kriegsschiffe würden mit einem derart schwammigen und willkürlichen Mandat in geostrategisch wichtigen Gewässern patrouillieren. Die Reaktionen in Washington und Berlin kann man sich denken.

Ein Tag bevor der Bundestag das Mandat verlängerte, wurde bekannt, dass sich die Bundesmarine nicht nur auf Überwachungsaufgaben beschränkt hat. Während des Irakkriegs gab sie amerikanischen und britischen Kriegsschiffen regelmäßig Geleitschutz und unterstützte damit einen Krieg, der von der Bundesregierung offiziell abgelehnt wurde.

Auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei-Fraktion antwortete das Verteidigungsministerium, die deutsche Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" habe im Rahmen von Enduring Freedom im Jahr 2002 zwölf Mal Kriegsschiffe und 14 Mal Hilfsschiffe der britischen und der amerikanischen Armee durch die Meerenge zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden eskortiert. Neun Eskorten von Hilfs- und Kriegsschiffen seien in den sechs Wochen vor Beginn des Krieges am 20. März 2003, weitere neun während der ersten beiden Kriegswochen und 13 seit dem offiziellen Kriegsende im April 2003 erfolgt.

In der Öffentlichkeit war über diese Hilfsdienste für den Irakkrieg bis zur Anfrage der Linksfraktion nichts bekannt. Das hinderte den Bundestag allerdings nicht daran, der Verlängerung des Mandats zuzustimmen.

KSK

Ausdrücklich verlängerte er auch den Einsatz der hundert Soldaten der Elitetruppe KSK (Kommando Spezialkräfte), obwohl in den vergangenen Wochen bekannt geworden ist, dass diese an den illegalen Gefangennahmen und Verschleppungsaktionen (Renditions) der amerikanischen Geheimdienste und Streitkräfte beteiligt waren.

Die Einsätze des KSK unterliegen strikter Geheimhaltung. Erst durch die Aussagen des langjährigen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz, der nach seiner Gefangennahme in einem amerikanischen Gefangenenlager in Afghanistan von deutschen Soldaten verhört wurde, weiß man, dass KSK-Soldaten in einem solchen Lager Wachdienst geleistet haben.

Inzwischen musste das Verteidigungsministerium zugeben, dass dies nicht nur die zwei Soldaten betrifft, die Kurnaz gesehen hat. Laut der Zeitung Die Welt berichtete Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert (CDU) dem Verteidigungsausschuss des Bundestags, dass eine ganze Gruppe von KSK-Soldaten sowie ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtensdiensts (BND) als "Wachverstärkung" in einem amerikanischen Gefangenenlager in Kandahar Dienst taten. Sie hätten am Transport und an der Bewachung der Gefangenen mitgewirkt.

Die deutsche Soldaten hätten - "unterstützt durch zeitweise bis zu 150 afghanische Ortskräfte" - sogar ein eigenes Feldlager aufgebaut. Die Situation in dem Lager sei für die Soldaten katastrophal gewesen. Es habe keine Frischverpflegung, "Vitaminmangel mit skorbutartigen Mangelerscheinungen" und zwei Toiletten für 1.500 Mann gegeben. Man kann sich leicht vorstellen, wie unter diesen Umständen die Situation der Gefangenen war, die von den Soldaten bewacht wurden.

Laut Wichert waren die KSK-Soldaten auf den Wachtürmen des Lagers eingesetzt, nahmen an Streifengängen innerhalb des Lagers teil und halfen beim "Transport" von Gefangenen. Damit ist gemeint, dass "die gefesselten Gefangenen, die als körperlich geschwächt und durch vorherige Kampfhandlungen gestresst beschrieben wurden, unter den Armen eingehakt und von einem Platz zum anderen geführt wurden". "Geschleift" wäre hier wohl der passendere Ausdruck.

Bei Durchsuchungen von Gefangenen durch KSK-Kräfte sei es darum gegangen, "versteckte Ladungen" zu finden, so eine weitere beschönigende Umschreibung aus dem Bericht. Gemeint sind hier offenbar demütigende Durchsuchungen von Körperöffnungen.

Die Welt berichtet auch über "einen von US-Soldaten an das KSK übergebenen Datenträger, der offenbar Fotos, Verhörprotokolle und Namenslisten von Gefangenen enthielt". Berlin war also bestens informiert, was in den illegalen Gefangenenlagern der USA vor sich ging. Dieser Datenträger sei allerdings verschwunden und "trotz intensiver Nachsuche" nicht wieder gefunden worden.

Dies alles hat den Bundestag nicht dran gehindert, mit 436 gegen 101 Stimmen bei 26 Enthaltungen der Verlängerung des Enduring Freedom -Mandats zuzustimmen. Die Regierung führte lediglich eine Klausel ein, wonach sie in Zukunft das Parlament regelmäßig über die Mission unterrichten werde - eine Klausel, von der ausgerechnet das KSK ausgenommen ist. Es wird weiterhin im Zwielicht agieren.

Als die rot-grüne Parlamentsmehrheit am 16. November 2001 erstmals die deutsche Beteiligung an Enduring Freedom beschloss, musste Bundeskanzler Schröder die Abstimmung noch mit der Vertrauensfrage verbinden, um Abweichler in den eigenen Reihen zur Räson zu zwingen. Seither ist das Mandat fünf Mal problemlos verlängert worden.

Die Grünen haben jedes Mal zugestimmt, einmal sogar aus der Opposition heraus. Wenn sie nun erstmals dagegen stimmen, dann nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern weil sie die deutschen Interessen nicht mehr ausreichend gewahrt sehen. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn erklärte dazu, Deutschland habe kaum mehr Einfluss darauf, wie der Einsatz geführt werde. "Wir haben dort nichts zu melden, offensichtlich."

Der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer betonte, die Grünen seien nicht grundsätzlich gegen den Einsatz des KSK im Rahmen von Enduring Freedom. Und Kuhn verwies darauf, dass seine Partei der Verlängerung des ISAF-Madats zugestimmt habe und nicht grundsätzlich gegen den Afghanistan-Einsatz sei.

Die ISAF hat in jüngster Zeit in Afghanistan viele Aufgaben von Enduring Freedom übernommen. Im Süden und Osten des Landes machen Nato-Einheiten der ISAF Jagd auf Aufständische. Der Druck auf das im Norden stationierte Bundeswehrkontingent wächst, sich an diesen gefährlichen Einsätzen zu beteiligen. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer forderte erst am Wochenende in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung, "die Beschränkungen aufzuheben, die einzelne Nationen ihren Einsatzkräften auferlegt haben". Deutsche Regierungsmitglieder weisen derartige Forderungen bisher noch zurück.

Doch das KSK ist bereits an den Kampfhandlungen im Land beteiligt. Lange Zeit hatte es geheißen, es befände sich gegenwärtig keine KSK-Soldaten in Afghanistan und die Verlängerung ihres Mandats geschehe lediglich auf Vorrat. Nun hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zugegeben, dass sehr wohl KSK-Mitglieder in Afghanistan im Einsatz sind - allerdings nicht im Rahmen von Enduring Freedom, sondern im Rahmen der ISAF. Sie haben, so das Verteidigungsministerium, im Oktober zusammen mit Soldaten anderer Nationen mehrere Terrorverdächtige bei Kabul festgenommen.

Siehe auch:
Europa reagiert mit wachsendem Militarismus auf Bushs Wahlniederlage
(14. November 2006)
Die neue Rolle der Bundeswehr
( 10. November 2006)
Anstößige Fotos zeigen wahren Charakter der deutschen "Friedensmission" in Afghanistan
( 28. Oktober 2006)
Murat Kurnaz und die zwielichtige Rolle deutscher Spezialeinheiten in Afghanistan
( 25. Oktober 2006)
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