Kongresswahlen in den USA

Demokratische Partei erlangt Mehrheit in beiden Häusern

Die Demokratische Partei hat bei den amerikanischen Kongresswahlen vom 7. November die Mehrheit in beiden Parlamentskammern erlangt. Im Repräsentantenhaus verfügt sie jetzt über mindesten 230 der 435 Sitze und im Senat beträgt ihre Mehrheit 51 zu 49 Sitze. Die Mehrheit im Senat war entschieden, als die Republikaner George Allen in Virginia und Conrad Burns in Montana ihre Niederlage eingestanden und auf eine Neuauszählung der Stimmen verzichteten.

Sechs Republikanische Senatoren verloren ihren Sitz. Neben Allen und Burns verloren Rick Santorum aus Pennsylvania, ein führender Vertreter der Republikaner, Lincoln Chafee aus Rhode Island, Michael DeWine aus Ohio und James Talent aus Missouri ihre Mandate.

Neben dem Sieg über sechs Republikanische Senatoren verteidigten die Demokraten erfolgreich vier umkämpfte demokratische Senatssitze, und zwar in New Jersey, Maryland, Michigan und Minnesota. Den einzigen Sieg eines Republikaners in einem knappen Rennen gab es in Tennessee, wo Bob Corker den Senatssitz gewann.

Im Repräsentantenhaus gewannen die Demokraten mindestens 28 Sitze hinzu, weit mehr als die fünfzehn, die zur Mehrheit nötig gewesen wären. Bei weiteren acht Sitzen bleibt die Neuauszählung der Stimmen abzuwarten oder sind die letzten Stimmen noch nicht ausgezählt. Da diese acht Sitze allesamt von Republikanern gehalten wurden, wird jeder weitere Sieg eines Demokraten einen Ausbau der Demokratischen Mehrheit bedeuten.

Etwa 21 Abgeordnete der Republikaner konnten ihr Mandat nicht verteidigen; fast die Hälfte von ihnen kommt aus dem Nordosten der Vereinigten Staaten: zwei aus New Hampshire, einer aus Connecticut, drei aus New York und vier aus Pennsylvania. Drei weitere Republikanische Abgeordnete aus Indiana erlitten eine Niederlage, und ebenso je einer aus Minnesota, Iowa, Kansas, Kentucky, North Carolina, Florida, Arizona und Kalifornien. Die Demokraten gewannen weitere sieben Wahlkreise, wo die bisherigen Republikanischen Mandatsträger aus verschiedenen Gründen (Alter etc.) nicht mehr antraten.

Die Demokraten gewannen einen solchen nicht-verteidigten Wahlkreis unter anderem in Texas, wo sie den Sitz des ehemaligen Republikanischen Fraktionschefs im Repräsentantenhaus Tom DeLay holten, der wegen einer Spendengeldaffäre zurückgetreten war. Das gleiche gilt für den Wahlkreis von Robert Ney in Ohio, denn Ney war als Vorsitzender des Verwaltungsausschusses im Repräsentantenhaus zurückgetreten und stand nicht wieder zur Wahl, nachdem er öffentlich die Annahme von Schmiergeldern eingestanden hatte. Außerdem gewannen die Demokraten den Sitz des Republikaners Mark Foley in Florida, der nach seiner Verwicklung in einen Sexskandal ebenfalls nicht wieder zur Wahl antrat.

Die beiden führenden Republikaner im mächtigen Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses, der unter anderem sämtliche Steuerfragen behandelt, verloren ihre Sitze: Clay Shaw aus Florida und Nancy Johnson aus Connecticut. Deborah Pryce, die in der vergangenen Legislaturperiode einen hohen Posten in der Republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus innehatte, liegt in ihrem Wahlkreis in Ohio zwar knapp in Führung, aber die Auszählung aller Stimmen bleibt noch abzuwarten.

Die Republikaner sind nur knapp an einer noch katastrophaleren Niederlage vorbeigeschrammt. Neben den acht Republikanischen Sitzen, die noch in der Schwebe sind, haben zehn weitere Republikanische Kandidaten mit maximal fünf Prozent Vorsprung nur knapp ihre Mandate halten können. Zu ihnen gehört Thomas Reynolds aus New York, der dem Wahlkampfkomitee der Republikaner im Repräsentantenhaus vorsteht.

Zwar fielen viele einzelne Ergebnisse äußerst knapp aus, aber die Gesamtniederlage der Republikaner zeigt sich an einer erstaunlichen Tatsache: Nicht ein einziger Demokratischer Sitz wurde von einem Republikanischen Herausforderer erobert, weder im Repräsentantenhaus noch im Senat oder bei einer der gut drei Dutzend Wahlen, die auf bundesstaatlicher Ebene um das Gouverneursamt stattfanden.

Die Niederlage ist viel schwerer als am Verlust der knappen Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat abzulesen ist. Die Demokraten eroberten in sechs Bundesstaaten das Amt des Gouverneurs, das zuvor Republikaner innehatten. In Maryland setzten sie sich gegenüber dem amtierenden Gouverneur Robert Ehrlich durch und gewannen in Massachusetts, New York, Ohio, Iowa und Colorado die offenen Gouverneursämter. Das Verhältnis in den 50 Bundesstaaten veränderte sich von 28 zu 22 für die Republikaner auf 28 zu 22 für die Demokraten. Allerdings behielten die Republikaner die Kontrolle in drei der vier größten Bundesstaaten: Kalifornien, Texas und Florida.

Auch auf der Ebene der Staatsparlamente erzielten die Demokraten große Gewinne. Sie vergrößerten ihre Fraktionen in allen Teilen des Landes, selbst im Süden, wo sie seit 1982 keine Gewinne mehr verbucht hatten. Die Demokraten übernahmen in neun Parlamenten die Mehrheit von den Republikanern, darunter in Michigan, Indiana, im Senat von Wisconsin sowie in Parlament und Senat von Iowa.

In New Hampshire, einem traditionell Republikanischen Staat, wurde der Demokratische Gouverneur wiedergewählt und die Demokraten übernahmen die Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Damit haben sie zum ersten Mal seit 1874 die völlige Kontrolle über die Staatsorgane. Das Gleiche schafften die Demokraten in Colorado zum ersten Mal seit 1960 und in Iowa zum ersten Mal seit 1964.

Beide Republikanischen Kongressabgeordneten aus New Hampshire wurden von ihren Demokratischen Herausforderern besiegt, eine Folge der Anti-Kriegs- und Anti-Bush-Stimmung, die in den Staaten von Neu England besonders ausgeprägt ist. Die Demokraten stellen nun 21 von 22 Kongressabgeordneten aus dieser Region.

In Vermont hat der langjährige unabhängige Kongressabgeordnete Bernard Sanders den Senatssitz gewonnen, den der in den Ruhestand gehende Senator James Jefford frei macht. Der Sozialdemokrat Sanders wird der Demokratischen Fraktion beitreten. Er ist der erste Kandidat, der sich selbst als Sozialist bezeichnet und einen Sitz im US Senat gewonnen hat.

Umfragen am Wahltag bestätigten, dass Wähler vor allem von der Frage des Kriegs im Irak bewegt waren, der in allen Teilen des Landes von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt wird. Die Öffentlichkeit lehnt den Krieg viel schärfer ab als die demokratischen Kandidaten, die sich überwiegend darauf konzentrierten, die Kriegsführung der Bush-Regierung zu kritisieren sowie eine neue Strategie für einen Sieg über die Aufständischen zu fordern, und nicht die Legitimität des Kriegs in Frage stellten.

Die den Krieg befürwortende Washington Post gab in ihrer Analyse des Wahlergebnisses zu: "Den Umfragen zufolge war die Wahl zu großen Teilen ein nationales Referendum über Präsident Bush und den Irakkrieg. 60 Prozent der Wähler sagten am Dienstag beim Verlassen der Wahllokale, sie lehnten den Irakkrieg ab und 40 Prozent sagten, sie hätten ihre Stimme gegen Bush abgegeben. [...] 80 Prozent der Wähler, die den Irakkrieg befürworten, wählten die Republikaner, und 80 Prozent derer, die ihn ablehnen, wählten die Demokraten."

Die Wahlumfragen zeigten, dass 40 Prozent den Irakkrieg "stark ablehnen" und 56 Prozent den Rückzug einiger oder aller Truppen wünschen. In einem Bundesstaat nach dem anderen zeigte sich eine enge Verbindung zwischen der Ablehnung des Kriegs und der Stimmabgabe für Demokratische Kandidaten, auch wenn nur wenige Demokraten für einen Rückzug der amerikanischen Truppen eintraten.

Die New York Times bewundert offenbar die Doppelzüngigkeit des Demokratischen Wahlkampfs und stellt fest: "In liberaleren Wahlkreisen forderten die Demokraten den Abzug der Truppen. In konservativeren Wahlkreisen forderten sie einen Plan für den Sieg. Aber in so ziemlich jedem Wahlkreis griffen sie die Regierung für ihren verfehlten Kurs im Irak an und warfen dem von den Republikanern dominierten Kongress vor, die Regierung nicht effektiv zu kontrollieren."

In New Jersey zum Beispiel sagte fast die Hälfte der Wähler, die Kriegsfrage sei sehr wichtig für ihre Entscheidung bei der Wahl für den Senat gewesen. Zwei Drittel von ihnen stimmten für den Demokraten Robert Menendez, der im Oktober 2002 im Kongress mit Nein gestimmt hatte, als der Krieg per Resolution beschlossen wurde.

In Ohio stellten sich 56 Prozent gegen den Krieg und von diesen stimmten 82 Prozent für den Demokratischen Senatskandidaten Sherrod Brown, der auch 2002 gegen die Kriegsresolution gestimmt hatte. 34 Prozent der Wähler in Ohio sagten, sie wollten mit der Wahl ihre Opposition gegen Bush zeigen. Dagegen erklärten nur 19 Prozent, ihre Stimme sollte Bush unterstützen.

Unter den Wählern in Rhode Island zeigte sich die stärkste Anti-Bush- und Anti-Kriegsstimmung. 75 Prozent waren mit Bushs Bilanz unzufrieden, 56 Prozent waren sehr unzufrieden; gleichermaßen sagten 73 Prozent, sie seien gegen den Krieg, und 52 Prozent, sie seien sehr dagegen. Von den Kriegsgegnern stimmten 65 Prozent für den Demokraten Sheldon Whitehouse, der sich mit Leichtigkeit durchsetzte, obwohl der bisherige Mandatsträger Lincoln Chafee der einzige unter den Kandidaten der Republikanischen Partei war, der im Kongress gegen die Kriegsresolution gestimmt hatte.

Die größte Wahlüberraschung gab es in Virginia, wo der bisherige Senator George Allen, ein wortreicher Verteidiger des Kriegs, in den bevölkerungsreichen Vorstädten Nord-Virginias eine vernichtende Niederlage einstecken musste. In diesem Landstrich sind das Pentagon und seine Auftragnehmer die größten Arbeitgeber. Der Demokrat James Webb, ein Ex-Republikaner und ehemaliger Verteidigungsstaatsekretär der Reagan-Regierung, kritisierte den Krieg als "strategischen Fehler", der das amerikanische Militär von anderen potentiellen Zielen wie dem Iran, Syrien oder Nordkorea ablenke.

Die einzige Ausnahme in der Siegeswelle der Demokraten bei den stark umkämpften Senatssitzen bildete Tennessee, einer der wenigen Bundesstaaten, in denen Umfragen zufolge noch eine gewisse Unterstützung für den Krieg herrscht, wenn auch nur von einer äußerst knapper Mehrheit der Befragten. Die Umfragen am Wahltag ergaben, dass 49 Prozent der Wähler für den Krieg und 48 Prozent dagegen waren. Das ist auch fast exakt das Ergebnis, mit dem der Republikaner Bob Corker über den Demokraten Harold Ford siegte. Ford erhielt die große Mehrheit der Anti-Kriegs-Stimmen, obwohl er seinen Wahlkampf als entschiedener Befürworter des Kriegs führte und damit prahlte, 2002 im Repräsentantenhaus für die Kriegsresolution gestimmt zu haben.

In noch einem weiteren Staat siegte der Pro-Kriegskandidat für den Senat - und zwar Joseph Lieberman, der in der letzten Legislaturperiode als Senator die Demokraten von Connecticut vertreten hatte. Lieberman hatte die Vorwahlen innerhalb der Demokratischen Partei zur kommenden Präsidentschaftskandidatur gegen Ned Lamont verloren, einen Kandidaten, der die Anti-Kriegsstimmung bediente. Lieberman kandidierte daraufhin als Unabhängiger und wurde de facto zum Kandidaten der Republikaner. Er wurde vom Weißen Haus und von den meisten Republikanischen Würdenträgern im Staat unterstützt. Er siegte mit 50 Prozent zu 40 Prozent über Lamont, wobei ihm zugute kam, dass Lamont die Kriegsfrage aus seinem Wahlkampf im Herbst fast völlig ausklammerte.

Lieberman hat versprochen, sich im Januar der Demokratischen Fraktion anzuschließen, wenn ihm im Gegenzug seine Altersprivilegien und seine Ausschusssitze erhalten bleiben. Aber er kann natürlich jederzeit zu den Republikanern wechseln, was die demokratische Mehrheit im Oberhaus über Nacht kippen würde. Bei einer Pattsituation im Senat würde Vizepräsident Cheneys Stimme den Ausschlag geben.

Andere Einzelergebnisse der Wahlumfragen deuten auf eine längerfristige Krise der Republikaner hin, weil die Zustimmung zu der Partei gerade bei den Bevölkerungsgruppen stark zurückgeht, deren Einfluss am schnellsten zunimmt. Bei den Wählern lateinamerikanischer Herkunft fiel die Unterstützung für die Republikaner von 40 Prozent in 2004 auf 30 Prozent bei dieser Wahl. Jüngere Wähler im Alter von 18 bis 29 Jahren stimmten mit 60 zu 38 Prozent für die Demokraten, während sie dies vor zwei Jahren nur mit 55 zu 45 Prozent getan hatten. Der Irakkrieg war für junge Menschen, die erstmals wählen durften, die bei weitem wichtigste Frage.

Der andere wichtige Faktor bei der Wahl war die wachsende Unzufriedenheit mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation. Das deutlichste Zeichen für den Abgrund, der zwischen dem offiziellen Washington und der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung klafft, war wohl die Bemerkung Bushs bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch nach der Wahl. Er sagte dort, der Krieg habe die "gute" wirtschaftliche Lage im Bewusstsein der Wähler überlagert.

"Das Wahlergebnis ist erstaunlich und hat mich schon überrascht", sagte Bush, " denn die Wirtschaft ist stark. Und oft werden Kongresswahlen dadurch entschieden, wie die Wirtschaft läuft. Aber es scheint, dass die Wählerschaft das anders empfindet. Die Wirtschaft - die guten Nachrichten aus der Wirtschaft wurden von der Härte dieses Kampfes und der Härte des Krieges erdrückt."

In Wirklichkeit sahen die meisten Wähler am 7. November die Wirtschaft als weiteres Minus der Bush-Regierung und stimmten entsprechend. Den Umfragen zufolge sagten 39 Prozent der Wähler, die Wirtschaft sei äußerst wichtig für ihre Wahlentscheidung, und 60 Prozent von ihnen wählten die Demokraten.

Das war besonders in Ohio offensichtlich, einem Bundesstaat, der vom Niedergang der verarbeitenden Industrie in den USA besonders stark betroffen ist. Eine große Mehrheit der Wähler in Ohio, 62 Prozent gegenüber 37 Prozent, sahen die Wirtschaftsdaten negativ. 75 Prozent von ihnen wählten den Demokratischen Kandidaten Brown. Diejenigen, von denen die Wirtschaft als positiv beurteilt wurde - im Allgemeinen die Bessergestellten - wählten zu 71 Prozent den Republikaner DeWine.

Im Bundesstaat Pennsylvania, der ähnlich stark vom verarbeitenden Gewerbe geprägt ist, gab es vergleichbare Ergebnisse. In Missouri sagten 46 Prozent der Wähler, die Wirtschaft sei für ihre Wahlentscheidung die wichtigste Frage, wichtiger noch als der Irak. Bei diesen hatte die Demokratin Claire McCaskill einen Vorsprung von 61 zu 39 gegenüber dem Republikaner James Talent.

Siehe auch:
Rumsfelds Entlassung: Das erste Bauernopfer nach den Wahlen in den USA
(11. November 2006)
Für eine sozialistische Alternative in den US-Wahlen 2006
( 19. Januar 2006)
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