Sri-Lanka: Friedensgespräche gescheitert - Bürgerkrieg verschärft sich

Vergangene Woche scheiterten in Genf Gespräche zwischen der srilankischen Regierung und den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE). In keiner einzigen Frage wurde Übereinstimmung erzielt, nicht einmal über eine neue Gesprächsrunde. Das Scheitern der Gespräche wird unvermeidlich zu einer Ausweitung des Kriegs führen, der dieses Jahr schon Tausende Menschenleben gefordert hat.

In Muhamalai und Nagarkovil, auf der Halbinsel Jaffna im Norden Sri Lankas, brachen nur wenige Stunden nach Beendigung der Gespräche heftige Artilleriegefechte zwischen der Armee und der LTTE aus. Noch während die Verhandlungen in Genf andauerten, stattete Armeechef Sarath Fonseka Jaffna einen Besuch ab, um mit örtlichen Militärkommandanten "die Sicherheitslage" zu diskutieren.

Präsident Mahinda Rajapakse stimmte lediglich deshalb zu, eine Delegation "ohne Vorbedingungen" nach Genf zu senden, weil er die immer fadenscheiniger werdende Farce aufrechterhalten wollte, seine Regierung strebe einen Verhandlungsfrieden an. Seit Juli hat das Militär von ihm den Befehl - unter Verletzung des Waffenstillstands von 2002 - eine Offensive zu führen. Dabei wurde das von der LTTE kontrollierte Gebiet in Mavilaru und Sampur im Osten, sowie Teile des Muhamalai-Bezirks auf der Halbinsel Jaffna besetzt.

Die Regierung hat nicht die Absicht, zum Waffenstillstand von 2002 zurückzukehren, weil das bedeuten würde, der LTTE entrissene Gebiete aufzugeben. Infolgedessen waren die Aussichten selbst auf eine begrenzte Übereinkunft in Genf von Anfang an schlecht.

Iqbal Athas, der verteidigungspolitische Korrespondent der Sunday Times, schrieb vergangenes Wochenende: "In Colombo wollten mächtige Gruppen, dass die Streitkräfte ihre Offensive solange fortsetzen, bis das militärische Potential der Guerillas geschwächt ist." Athas hat enge Verbindungen zu srilankischen Armee- und Geheimdienstkreisen.

Man einigte sich nicht mal über eine Tagesordnung für die zweitägigen Gespräche. Der norwegische Minister für internationale Entwicklung, Eric Solheim, versuchte auf beide Seiten Druck auszuüben und warnte, wenn die Gespräche scheitern sollten, würde die Regierung Hilfsgelder einbüßen, und die LTTE würde weltweit noch stärker in die Isolation gedrängt. Aber die Drohungen blieben erfolglos.

Presseberichte deuten darauf hin, dass es in den Sitzungen hinter verschlossenen Türen erbitterte Auseinandersetzungen gab. Laut Daily Mirror soll LTTE-Chefunterhändler S.P. Thamilchelvan gesagt haben, die LTTE sei bereit, "das Vergangene zu vergessen", und die Rückgabe von Sampur und anderen Gebiete nicht erwähnt haben. Die Hauptforderung der LTTE bestand in der Freigabe der Schnellstraße A9, die durch LTTE-Gebiet nach Jaffna führt, um Nahrungsmittel und andere Versorgungsgüter zu den Menschen transportieren zu können, die in den Gebieten im Norden von der Versorgung abgeschnitten sind.

Die Delegation der Regierung wies die Forderung jedoch zurück und bot allein den Gütertransport übers Meer an. Chefunterhändler Nimal Sirapala de Silva appellierte provokativ an die LTTE, im Norden und Osten in den unter ihrer Kontrolle stehenden Gebieten die Arbeit von Gerichten der Regierung, von Polizei und politischen Parteien zuzulassen, damit sich die Lage "normalisieren" könne. Ein solcher Schritt würde die militärische Position der LTTE weiter untergraben und auf ihrem Gebiet Provokationen von Regierung und Armee Tür und Tor öffnen.

Die Gespräche scheiterten schließlich an der Frage der Schnellstraße A9. De Silva bestand darauf, dass diese Autoverbindung "aus Sicherheitsgründen" unterbrochen bleiben müsse, und beschuldigte die LTTE, sie habe in der Vergangenheit von Fahrzeugen, die ihr Gebiet durchquerten, erpresserische Zölle erhoben. Ein Angebot der von Norwegen geführten Sri Lanka Überwachungsmission (SLMM), die Straße zu kontrollieren, um humanitäre Hilfslieferungen nach Jaffna zu ermöglichen, lehnte er ab.

In ihrer Presseerklärung betonte die LTTE, dass die A9 erst geöffnet werden müsse, bevor es irgendeine neue Verhandlungsrunde geben könne. Sie erklärte, "die Sperrung der Schnellstraße A9 hat die Halbinsel Jaffna für über 600 000 Menschen in ein offenes Gefängnis" unter Armeebesetzung verwandelt, und bezeichnete die Blockade als neue "Berliner Mauer".

Solheim erklärte bei der Beendigung der Gespräche: "Beide Parteien haben wiederholt, dass sie sich an das Waffenstillstandsabkommen gebunden fühlen und versprochen, keinerlei militärische Offensiven zu beginnen." Aber die Regierung und das Militär haben immer wieder ihre Absicht unter Beweis gestellt, den Waffenstillstand zu missachten, indem sie LTTE-Territorium unter diversen "humanitären" und "defensiven" Vorwänden besetzten.

Der Hauptgrund der Regierung, die Wiedereröffnung der Schnellstraße A9 zu verweigern, besteht darin, dass ihre Sperrung der Armee ermöglicht, den Druck auf die LTTE aufrechtzuerhalten. Das Militär plant eine Offensive, um strategische Schlüsselgebiete an dieser Straße zurückzuerobern. Dazu gehört auch der Elefantenpass, das Tor zur Halbinsel Jaffna, den die Armee im Jahr 2000 zum ersten Mal verloren hatte.

Am 11. Oktober eröffnete die Armee eine größere Operation gegen LTTE-Positionen in Muhamalai, nördlich des Elefantenpasses, wurde jedoch zurückgeschlagen. Behauptungen, dieser Angriff sei "defensiver Natur" gewesen, wurden schnell als Lüge entlarvt, nachdem die die LTTE 75 Soldaten übergeben hatte, die alle auf ihrem Territorium getötet wurden. Insgesamt wurden in diesen erbitterten Kämpfen ungefähr 130 Soldaten getötet und über 500 verletzt.

Die LTTE reagierte am 16. Oktober mit einem Selbstmordattentat, bei dem nahe der Stadt Habarana mindestens 116 Marinesoldaten getötet wurden, und eröffnete am 25. Oktober einen Angriff auf den Marinekomplex der Hafenstadt Galle im Süden. Nach dem Scheitern der Genfer Gespräche warnte die LTTE, die Armee plane eine weitere Offensive auf der Halbinsel Jaffna.

Die Politik der Regierung in Colombo

Rajapakse hat die aggressive Militärpolitik seiner Regierung aus zwei Gründen sorgfältig zu verschleiern versucht. Erstens lehnt die Bevölkerung eine Erneuerung des Bürgerkriegs, der seit 1983 Zehntausende Menschenleben gekostet hat, mit überwältigender Mehrheit ab. Zweitens will der Präsident sich die Unterstützung der internationalen Großmächte erhalten, um auf die LTTE Druck ausüben zu können, zu seinen Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Rajapakse gewann die Präsidentschaftswahl im vergangenen November nur knapp mit der Unterstützung von zwei extremistischen singhalesischen Parteien - der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und der Jathika Hela Urumaya (JHU). Seine Sri Lanka Freedom Party (SLFP) führte lange Gespräche mit JVP-Führern mit dem Ziel einer formellen Koalition. Aber letztlich scheiterten die Verhandlungen, weil die JVP von der Regierung forderte, das Waffenstillstandsabkommen von 2002 aufzukündigen und auf die Dienste Norwegens als Überwacher des internationalen "Friedensprozesses" zu verzichten.

Vergangene Woche unterzeichnete die SLFP ein Abkommen mit der oppositionellen United National Party (UNP) über die Bildung einer Großen Koalition. Es ist das erste Mal, dass die langjährigen Rivalen eine gemeinsame Regierung bilden. Die UNP hatte 2002 als Regierungspartei den Waffenstillstand mit der LTTE unterzeichnet und versucht, ein Abkommen zur Teilung der Macht auszuhandeln, um den Krieg zu beenden. Aber die Gespräche wurden ständig von der SLFP, der JVP und dem Militär sabotiert. Die SLFP-UNP Koalition wird jetzt als ein "Konsens" verkauft, um den Krieg zu beenden, aber das Abkommen lässt dem Militär freie Hand, seine Operationen fortzusetzen.

Beide Parteien reagieren sehr empfindlich auf Vorwürfe der JVP, sie verrieten das Land. Parallel zu den Gesprächen in Genf organisierte die JVP ein umfangreiches Programm von "Treffen mit dem Volk", um jegliche Verhandlungen zu denunzieren. Sie warf der SLFP-UNP-Koalition vor, "Verhandlungen vorzubereiten, die für die Tiger-Terroristen vorteilhaft sind und die begrenzten Kriegsanstrengungen für einen Sieg über die Tiger-Terroristen schwächen". Die JVP fordert nichts weniger als eine umfassende Offensive, um die LTTE zu zerstören.

Der Zusammenbruch der Gespräche in Genf hat erneut die politische Perspektive der LTTE entlarvt, die darauf abzielt, die Unterstützung der Großmächte für ein Abkommen mit Colombo zur Teilung der Macht zu bekommen. Sie wandte sich in Genf in erster Linie an die Co-Vorsitzenden der Gespräche und an die "internationale Gemeinschaft", damit diese Druck auf die srilankische Regierung ausüben, den Waffenstillstand von 2002 einzuhalten. Die Co-Vorsitzenden - die USA, die EU, Japan und Norwegen - sitzen der internationalen Gruppe der Geberländer für Sri Lanka und dem so genannten Friedensprozess vor.

Die Großmächte sind aber an einem Frieden in Sri Lanka nur interessiert, wenn er ihren eigenen Interessen in Südasien dient. Besonders die USA sind entschlossen, Druck auf die LTTE auszuüben, damit sie ihrer Entwaffnung zustimmt und eine minimale politische Rolle akzeptiert. US-Beamte haben angedeutet, dass Washington sich vorstellen könnte, Colombo militärisch zu unterstützen. Für den Vorabend der Verhandlungen waren zum ersten Mal gemeinsame Manöver von Marineeinheiten der USA und Sri Lankas geplant, die erst in letzter Minute verschoben wurden.

Die Co-Vorsitzenden beanspruchen, unvoreingenommen und neutral zu sein, haben aber keinerlei Kritik an dem provokativen Vorgehen des srilankischen Militärs und an seinen offensichtlichen Übergriffen auf LTTE-Gebiet geübt. Während eines Besuchs in Colombo am 19. und 20. Oktober erklärte US-Vizeaußenminister Richard Boucher ganz offen, die USA unterstützten die Friedensgespräche, aber gleichzeitig "widersetzen wir uns gemeinsam mit der Regierung und dem Volk Sri Lankas dem Terrorismus".

Neben der Rajapakse-Regierung tragen auch die USA und die anderen Großmächte politische Verantwortung für die Eskalation des Bürgerkriegs in Sri Lanka.

Siehe auch:
Waffenstillstandsbeobachter: Srilankische Armee hat Mitarbeiter von Hilfsorganisation getötet
(5. September 2006)
Demonstration der SEP in Sri Lanka gegen amerikanisch-israelischen Krieg im Libanon
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