Italienische Rechte mobilisiert gegen Regierung Prodi

Die italienische Rechte gibt sich auch acht Monate nach den verlorenen Parlamentswahlen vom April nicht geschlagen.

Der Wahlprüfungsausschuss des Senats, der zweiten Parlamentskammer, hat diese Woche auf Drängen der rechten Opposition beschlossen, 700.000 leere und ungültige Stimmzettel in sieben Regionen überprüfen zu lassen. Ergeben sich Unregelmäßigkeiten, sollen die Nachprüfungen auch auf andere Regionen ausgedehnt und die gültigen Stimmzettel ebenfalls nachgezählt werden. Da das Wahlergebnis äußerst knapp ausfiel, wäre ein Regierungswechsel dann nicht ausgeschlossen.

Wahlverlierer Silvio Berlusconi hatte bereits am Wahlabend von Wahlbetrug gesprochen. Seither hat er die Mitte-Links-Regierung seines Nachfolgers Romano Prodi immer wieder als "illegitim" bezeichnet. Nun triumphiert er über den Nachprüfungsbeschluss.

Es gibt allerdings deutliche Hinweise, dass nicht das Prodi-, sondern das Berlusconi-Lager das Wahlergebnis gefälscht hat. So legte Enrico Deaglio, Chefredakteur der Zeitschrift Diario, vor kurzem eine Filmdokumentation vor, wonach die Rechte das Wahlergebnis mit Hilfe eines manipulierten Computersystems zu ihren Gunsten fälschte.

Doch im Unterschied zu den Rechten, die ihre Anschuldigungen mit schamloser Dreistigkeit vorbringen, lässt das Regierungslager jegliche Aggressivität vermissen. Es setzt auf Beschwichtigung und Appeasement. Die Regierungsparteien haben im Senat sogar für die Überprüfung der Stimmzettel gestimmt. Sie rechtfertigten ihre Kapitulation vor Berlusconi mit der Begründung, so könne das politische Klima entgiftet und versachlicht werden. Berlusconi habe dann keinen Vorwand mehr, die Regierung als illegitim zu bezeichnen. Als ob sich dieser rechte Demagoge jemals um den Wahrheitsgehalt seiner Vorwürfe gekümmert hätte!

Berlusconi beschränkt seine Bemühungen, die Regierung Prodi zu Fall zu bringen, nicht auf die Anfechtung des Wahlergebnisses. Er mobilisiert unzufriedene Mittelschichten und den rechten Bodensatz der Gesellschaft und bringt sie auf die Straße. Dabei schreckt er auch vor einem offenen Pakt mit faschistischen Kräften nicht zurück.

Rechte Massendemonstration

Am Samstag den 2. Dezember versammelte sich in Rom eine gewaltige Menge zu einer rechten Massendemonstration und bejubelte den Auftritt Silvio Berlusconis auf der Piazza San Giovanni. Die Schätzungen über die Teilnehmerzahl reichen von "mehreren Zehntausend" über 700.000 (Polizeiangabe) bis hin zu den unglaubwürdigen "zwei Millionen", mit denen sich Berlusconis Forza Italia brüstet.

Doch selbst wenn es "nur" Hunderttausend waren: Ein derartiger Massenaufmarsch für die Opposition, an deren Spitze rechtspopulistische und neofaschistische Demagogen stehen, ist eine ernste Warnung an die italienische Arbeiterklasse. Der Verrat der alten Arbeiterparteien, dessen bisheriger Höhepunkt der Eintritt von Rifondazione Comunista in die Prodi-Regierung und ihre Unterstützung für deren Haushaltsplan 2007 darstellt, verschafft der Reaktion die Gelegenheit, von einem Massenpublikum gehört zu werden.

Auf einer gewaltigen Bühne, auf mehrere Riesenleinwände übertragen, erschien der Medienmogul Berlusconi neben Gianfranco Fini, dem Chef der neofaschistischen Alleanza Nazionale, und Umberto Bossi, dem Vorsitzenden der separatistischen Lega Nord. Neben ihnen stand die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, die eine eigene neofaschistische Partei namens Alternativa Sociale führt. Über ihren Köpfen prangte der Spruch: "Gegen das Regime - für die Freiheit".

Berlusconi, der sich zur Zeit wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Bilanzfälschung vor Gericht rechtfertigen muss und der während seiner Regierungszeit vor allem für eine Bereicherung der Reichen gesorgt hatte, beschuldigte die Regierung Prodi, sie regiere gegen das Volk, gegen die Sparer, die Familien, die Schule, die Rentner, die Unternehmer und die Wirtschaft. Seine Rede enthielt keine eigenen programmatischen Aussagen, sondern lebte von demagogischen Vorwürfen gegen Prodi, den er beschuldigte, er stütze sich "auf kommunistische Barbarei".

Die Kundgebung setzte gezielt auf nationalistische Gefühle. Sie wurde begleitet vom Abspielen der Nationalhymne und wehenden rot-weiß-grünen Fahnen. Berlusconi appellierte in seiner Rede an Heimat, Vaterland und Tradition und brüllt zum Schluss: "Es lebe Italien, es lebe die Freiheit!", ehe er, wie Mussolini, mit erhobenem rechtem Arm minutenlang unter den "Viva"-Rufen der Menge verharrte.

In der Demonstration marschierten offen faschistische Kontingente, die durch "Duce-Duce"-Rufe, dumpfes Gegröle und den faschistischen Gruß auffielen und Parolen gegen Moslems, Schwarze und Homosexuelle schrieen. Sie stellten jedoch eine Minderheit dar.

Der überwiegende Teil bestand aus wütenden Angehörigen des Mittelstands, Händlern, Kaufleuten, kleinen Selbständigen usw. Es waren aber auch verwirrte Arbeiter und Gruppen von Jugendlichen zu sehen. Die Parolen lauteten: "Weniger Steuern - mehr Freiheit". Prodi wurde beschuldigt, die Bürger durch seine Steuerpolitik "bis auf die Unterhosen auszuziehen". Auf Transparenten wurde der Regierungschef als Pinocchio mit Lügennase oder als Vampir dargestellt und "Vamprodi" genannt: "Erst saugt er uns das Blut aus, dann verschlingt er uns".

Sparhaushalt 2007

Hintergrund und unmittelbarer Anlass der Demonstration war der Sparhaushalt von Prodis Finanzminister Tommaso Padoa Schioppa, dem das Parlament erst zugestimmt hatte, als Prodi zum sechsten Mal die Vertrauensfrage stellte. Der Haushaltentwurf enthält Steuererhöhungen für den Mittelstand, die von Sozialminister Paolo Ferrero (Rifondazione Comunista) entworfen wurden. Er sieht vor, die Steuern für Jahreseinkommen ab 40.000 Euro zu erhöhen. Der höchste Steuersatz wird demnach schon mit 75.000 Euro statt bisher mit 100.000 Euro Jahreseinkommen erreicht. Außerdem will die Regierung den Kampf gegen die Steuerhinterziehung verschärfen.

Trotz der so gewonnenen Mehreinnahmen sieht das Budget 2007 Einsparungen von über 33 Milliarden Euro, Einschnitte ins soziale Netz und Kürzungen vor. Auf diese Weise soll der Staatshaushalt saniert und das Defizit unter die EU-Höchstgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes herunterdrückt werden.

Die Steuererhöhungen für den Mittelstand kommen somit nicht den sozial Schwachen zugute, sondern sie sollen Italien für eine kapitalistische Offensive auf den europäischen und globalen Märkten fit machen. In dieser Beziehung steht Prodi von Seiten der Banken und des Unternehmerverbandes Confindustria unter Druck, dessen Chef Luca Cordero di Montezemolo seit Jahren "mutige Schritte gegen die Vergeudung" fordert.

Die arbeitende Bevölkerung, der die Regierung Prodi im Frühjahr ihren Wahlsieg verdankte, wendet sich immer stärker von ihr ab. Vor wenigen Wochen gingen in Rom zweimal Zehntausende Arbeiter, öffentliche Bedienstete, Arbeitslose und prekär Beschäftigte gegen den neuen Haushalt auf die Straße. Eine Umfrage zeigt, dass die Regierung zurzeit in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr hinter sich hat.

Aber die Wut und Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse findet keine politische Ausdrucksmöglichkeit. Rifondazione Comunista, die sich lange Zeit als linke Alternative dargestellt hatte, ist seit Mai Bestandteil der Regierung Prodi und trägt die Politik der Kürzungen und Angriffe mit.

Sozialminister Paolo Ferrero von Rifondazione hat den Angriffen auf das Gesundheitswesen, auf die Renten, die Bildung und den öffentlichen Verkehr zugestimmt. Mit dem Spruch "Auch die Reichen weinen" wies er darauf hin, dass die etwas wohlhabenderen Mittelschichten ebenfalls bluten müssen. Damit hat Rifondazione die Opposition gegen den Sparhaushalt ganz den Rechten überlassen.

Ob Prodis Haushalt auch die Zustimmung des Senats findet, ist noch nicht sicher, da das Regierungslager dort nur eine hauchdünne Mehrheit hat. Prodi versucht deshalb, seine Basis durch eine Annäherung an die katholischen Christdemokraten von der UDC auszuweiten. Die UDC war bisher Koalitionspartner von Berlusconi, hat sich aber von der Demonstration vom 2. Dezember distanziert und in Palermo eine eigene Kundgebung organisiert. "Er geht sogar soweit, die Steuerhinterziehung zu legitimieren", sagte UDC-Chef Pierferdinando Casini über seinen einstigen Verbündeten Berlusconi.

Ein Bündnis mit der UDC käme einem weiteren Rechtsruck der Prodi-Regierung gleich, die dadurch ihre Abhängigkeit von den Rifondazione-Ministern verringern und das Tempo der Wirtschaftsliberalisierung weiter verschärfen könnte.

Diese Entwicklung zeigt, was die politische Perspektive von Rifondazione Comunista wert ist. Vor anderthalb Jahren hatte Fausto Bertinotti, der damalige Parteisekretär und heutige Präsident der Abgeordnetenkammer, den Anschluss an das Prodi-Lager mit der Notwendigkeit begründet, Berlusconi von der Macht zu verjagen. Nur so sei eine "neue Epoche sozialer Reformen" möglich, hatte er damals behauptet. "Wer nicht in der Lage ist, zur Verwirklichung dieses Ziels beizutragen, wird von der politischen Szene verschwinden und den Bezug zu den Massen verlieren."

Heute zeigt sich, dass gerade die Unterordnung unter die bürgerliche Regierung Prodi derselben umso schärfere Angriffe auf die Arbeiterklasse ermöglicht hat. Rifondazione unterstützt diese Angriffe und überlässt die Massen faktisch der Demagogie der Rechten. Nichts könnte deutlicher zeigen, wie dringend heute der Aufbau einer neuen, unabhängigen Arbeiterpartei in Italien ist.

Siehe auch:
Ein Porträt der Regierung Berlusconi: "Alle für einen einer für sich" - Berlusconis Forza Italia
(27. März 2002)
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