Führung der Linkspartei huldigt dem verstorbenen DDR-Spionagechef Markus Wolf

Am 9. November starb im Alter von 83 Jahren der ehemalige Spionagechef der DDR Markus Wolf friedlich in seinem Bett.

Wolf leitete 34 Jahre lang den Auslandsnachrichtendienst im ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Fast die ganze Nachkriegszeit hindurch spielte Wolf in der DDR eine Schlüsselrolle und leitete als rechte Hand von Stasichef Erich Mielke den Aufbau eines gewaltigen Polizeistaatsapparats, mit dessen Hilfe die stalinistische Bürokratie bis zum kläglichen Ende des Regimes 1989 ihre Interessen verteidigte.

Dass zu seiner Beerdigung am 25. November auch eine hochrangige Delegation russischer Politiker in Deutschland einflog, stellte daher keine große Überraschung dar. An der Spitze der russischen Delegation stand Botschafter Wladimir Kotenew, der Wolf auf der Trauerfeier als loyalen Freund der Sowjetunion feierte. Sicherlich stand Wladimir Putin selbst dahinter, der während seiner Zeit als Leiter des KGB in Dresden die Arbeit seines Kollegen Wolf bestens kennen und schätzen gelernt hatte.

Unter den ca. 1.500 Trauergästen auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin befanden sich zudem zahlreiche führende Vertreter aus Politik und Geheimdienstmilieu der DDR. Mielke selbst war im Jahr 2000 gestorben, aber sein langjähriger Vizechef Gerhard Neiber war ebenso anwesend wie Fritz Strelitz, ehemaliger stellvertretender DDR-Verteidigungsminister, und Werner Grossmann, Wolfs Stellvertreter an der Spitze des Auslandsnachrichtendienstes.

Auch bekannte Gesichter aus der ostdeutschen Kulturbürokratie ließen sich sehen, unter ihnen der ehemalige stellvertretende Kulturminister Klaus Höpke und Theaterdirektor Manfred Wekwerth. Letzterer war der letzte Präsident der ostdeutschen Akademie der Künste und verlas eine lange Gedenkrede für den verstorbenen Geheimdienstchef.

Die aktuelle Politprominenz war auf der Beerdigung fast durchwegs in Gestalt von Politikern der Linkspartei-PDS vertreten. Die Linke.PDS ist die Nachfolgepartei der SED, der stalinistischen DDR-Regierungspartei. Die Anwesenheit führender PDS-Vertreter beim Begräbnis widerlegt die Behauptung, die diese Organisation seit siebzehn Jahren bei jeder Gelegenheit vorbringt, sie habe sich vom Erbe und den Methoden der ostdeutschen stalinistischen Bürokratie losgesagt.

Lothar Bisky, PDS-Vorsitzender und Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament, hielt die Grabrede für Markus Wolf, und der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow (der letzte DDR-Ministerpräsident vor der Wiedervereinigung) machte deutlich, dass die Führung der Linkspartei nicht nur zu ihrer Herkunft steht, sondern auch auf die Kontinuitäten stolz ist, die sie mit dem Unterdrückerregime von SED und Stasi verbinden.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Linkspartei.PDS versucht, ihren Einfluss in Westdeutschland durch eine Vereinigung mit der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) zu vergrößern, einer Gruppe, die sich aus Gewerkschaftsbürokraten, enttäuschten Sozialdemokraten und einer Reihe kleinbürgerlich radikaler Organisationen zusammensetzt. Der Auftritt des WASG-Vorsitzenden Klaus Ernst neben Bisky und Modrow auf Wolfs Beerdigung zeigt, dass diese Organisation keinerlei Skrupel kennt, einem Mann die Ehre zu erweisen, der eine zentrale Rolle bei der Schaffung eines überaus repressiven Polizeiapparates spielte.

Markus Wolf entstammte dem jüdischen Bildungsbürgertum; seine Familie war durch die Ereignisse, die Deutschland im frühen Zwanzigsten Jahrhunderts erschütterten, radikalisiert worden und hatte sich infolge dem Kommunismus zugewandt. Sein Vater Friedrich Wolf (1888-1953) war Arzt, und seine Erfahrung als Sanitäter im ersten Weltkrieg führte ihn in die Reihen der Kommunistischen Partei. Friedrich Wolf schrieb außerdem Theaterstücke und spielte eine Rolle im Kampf gegen repressive Gesetze wie das reaktionäre Abtreibungsverbot der Weimarer Republik. Als Jude und Kommunist war Friedrich Wolf gezwungen, mit seiner Familie Deutschland zu verlassen, als die Nazis an die Macht kamen.

Friedrich Wolf repräsentierte eine breite Schicht von Intellektuellen in Deutschland, die in den 1920er Jahren für den Kommunismus gewonnen wurden und bereit waren, im Kampf für den Sozialismus große Opfer zu bringen. Diese Männer und Frauen zeichneten sich durch Idealismus und tief empfundenen Hass auf den Faschismus aus, doch dies wurde von der stalinistischen Bürokratie in Moskau missbraucht und ausgenutzt. Die stalinistische Bürokratie hatte in der Komintern das Ruder übernommen, nachdem sie Trotzki aus der Sowjetunion verbannt und die Reihen der Linken Opposition dezimiert hatte.

Als Teil der deutschen Exilgemeinde in der Sowjetunion besuchte Friedrich Wolfs ältester Sohn Markus die Komintern-Akademie in Moskau, wo er als Jugendlicher erstmals Personen wie dem späteren ersten DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck und dem späteren SED-Parteisekretär Walter Ulbricht begegnete.

Nach der Auflösung der Komintern 1943 durch Stalin arbeitete Markus Wolf als Radiojournalist in Moskau. Zum Kriegsende gehörte er der Delegation deutscher Kommunisten an, die nach Berlin zurückkehrte, um im sowjetisch besetzten Osten des Landes die Anweisungen der Moskauer Führung umzusetzen.

Für die Führung der stalinistischen Bürokratie in Ostdeutschland wurden ältere Personen wie die langjährigen deutschen Kommunisten Ulbricht und Pieck ausgewählt, die sich in den 1930er Jahren schon hervorgetan hatten. Damals beteiligten sie sich an der systematischen Säuberung der deutschen Exilpartei von "Dissidenten" - sprich Trotzkisten und anderen sozialistischen Kritikern von Stalins Regime.

In den 1930er Jahren war Markus Wolf noch zu jung, um in diesen Säuberungen selbst eine Rolle zu spielen, aber er wuchs in einer Atmosphäre auf, die von der Hetze auf Oppositionelle durchdrungen war. Sein schneller Aufstieg in die Spitzen der ostdeutschen Bürokratie nach dem Krieg machte klar, dass er die Lehren aus dieser Zeit verinnerlicht hatte und das Vertrauen seiner stalinistischen Meister in Moskau genoss.

Im Alter von 22 Jahren traf Wolf am 27. Mai 1945 in Berlin ein und nahm seine Arbeit als Journalist auf. In dieser Eigenschaft nahm er als Beobachter an den Nürnberger Prozessen teil. Der Dissident Wolfgang Leonhard schrieb über ein Treffen mit seinem Jugendfreund "Mischa", dem jungen Markus Wolf im Jahr 1947: "Noch wichtiger jedoch war seine Tätigkeit als verantwortlicher Kontrolleur der wichtigsten politischen Sendungen. Mischa, der ausgezeichnete Beziehungen zu den höchsten sowjetischen Stellen hatte, bewohnte eine luxuriöse Fünf-Zimmer-Wohnung [...] in Westberlin."

1947 übte Leonhard eine führende Funktion im stalinistischen Zentralsekretariat in Ostdeutschland aus und verfasste die meisten politischen Handbücher der Partei. In Wolfs Villa am Glienickersee, eine Stunde von Berlin entfernt, diskutierte Leonhard mit Wolf über seine Pläne, im Parteiprogramm den so genannten "deutschen Weg zum Sozialismus" stärker zu betonen. Leonhard wurde prompt von Wolf zurechtgewiesen, der seinen Vorschlag ablehnte und erklärte, das Parteiprogramm müsse in diesem Punkt umgeschrieben werden. Wolf sagte zu Leonhard: "Es gibt höhere Autoritäten als euer Zentralsekretariat."

Der Vorfall macht deutlich, dass die sowjetischen Behörden überzeugt sein konnten, in Markus Wolf einen vertrauenswürdigen Verbündeten zu haben, der ihre Interessen auch gegen andersdenkende Elemente in der Führung der stalinistischen Partei Ostdeutschlands verteidigte. Wolf zahlte seinen Moskauer Herren dieses Vertrauen in 34 Jahren treuer Dienste zurück.

Vier Jahre später machte Ulbricht auf sowjetischen "Rat" hin Wolf zum Chef des Auslandsgeheimdienstes. Zwei Jahre danach begannen die Arbeiter im Juni 1953 in Berlin und anderen ostdeutschen Städten einen Aufstand gegen die stalinistische Bürokratie. Einige Wochen lang hing das Schicksal der herrschenden Clique in Ostdeutschland am seidenen Faden. Russische Panzer retteten schließlich das Regime und schlugen die Rebellion nieder. Die Bürokratie reagierte auf den Aufstand mit einer Welle von Repressionen und einem massiven Ausbau des Stasi-Apparats.

Jetzt wurde Wolfs Auslandsgeheimdienst mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengeschlossen und Wolf zum Stellvertreter des ersten Stasi-Chefs Ernst Wollweber. "Innere Sicherheit" und "Auslandsaufklärung" waren jetzt zwei Seiten derselben Medaille - sie waren "Schwert und Schild" der Partei, um jede unabhängige Regung von Seiten der Arbeiterklasse zu unterdrücken und die Macht der Partei zu sichern.

1957 wurde Wollweber durch seinen Stellvertreter Erich Mielke ersetzt, der die Stasi bis zur Auflösung der DDR leitete. Zu dieser Zeit wurde auch Wolfs Abteilung in Hauptverwaltung Aufklärung (HA) umbenannt.

Als Chef der HA schuf Wolf ein Netz von 4.000 Spionen, die teilweise tief in die westdeutschen Parteien und in internationale Organisationen wie die Nato eindrangen. Wolfs größter Erfolg, den er später auch als seinen schwersten Rückschlag bezeichnete, war der Aufstieg des Agenten Günther Guillaume in der SPD, der es bis auf den Posten des persönlichen Referenten von Bundeskanzler Willy Brandt schaffte. Die Enttarnung Guillaumes führte 1974 zum Rücktritt Brandts als Bundeskanzler.

Wolf betrachtete Brandt (der in den 1930er Jahren selbst eine schändliche Rolle bei der Verfolgung von Trotzkisten gespielt hatte) als potentiellen Verbündeten, der den außenpolitischen Einfluss der DDR vergrößern konnte, indem er die so genannte "Ostpolitik" der SPD fortsetzte und ausbaute. Wolf und seine Chefs im Zentralkomitee der SED wollten Brandt im eigenen Interesse an der Regierung halten.

In seinen Memoiren schrieb Wolf, dass er in den 1970er Jahren von wachsenden Zweifeln am Kurs der SED-Führung geplagt wurde. Wolfs Abneigung gegen seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den ungehobelten Polizisten Erich Mielke, war ein offenes Geheimnis. Trotz etwaiger Vorbehalte gegenüber der offiziellen politischen Führung blieb Wolf aber auf seinem Posten und ging erst in den letzten Jahren der DDR und nach mehr als dreißig Dienstjahren in den Ruhestand.

Wolf spielte bei den Massendemonstrationen von 1989, die den Untergang der DDR ankündigten, keine aktive Rolle. Aber er ließ sich überreden, am 4. November 1989 zu der gewaltigen Menge auf dem Berliner Alexanderplatz zu sprechen. Wolf zeigte Verbundenheit zu dem Polizeiapparat, den er so gewissenhaft aufgebaut hatte, und forderte in seiner Rede Milde für Stasimitarbeiter. Er erntete die Buhrufe der Menge.

Nach kurzem Exil in Moskau zu Beginn der 1990er Jahre kehrte Wolf nach Deutschland zurück, wo ihn die Behörden des inzwischen wiedervereinigten Deutschlands vor Gericht stellten und 1993 wegen "Landesverrats" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilten. Der Prozess gegen Wolf war Bestandteil einer breit angelegten antikommunistischen Kampagne führender politischer Kreise in Westdeutschland. Damit sollten die besten Bedingungen für die Durchsetzung "westlicher" Werte - d.h. der Werte der kapitalistischen Marktwirtschaft - im ehemals stalinistischen Osten geschaffen werden. Wolf kämpfte vier Jahre gegen dieses Urteil, das er als "Siegerjustiz" verurteilte.

Westdeutsche Gerichte hatten nach der Wiedervereinigung in mehreren Prozessen versucht, durch willkürliche Gesetzesinterpretation prominente Politiker und andere hochrangige Vertreter Ostdeutschlands für Aktivitäten zu belangen, die üblicherweise als normale Aufgaben eines Staates angesehen werden, wie beispielsweise die Verteidigung der eigenen Grenzen. Wolf konnte aufzeigen, dass sich die Rücksichtslosigkeit seiner Methoden nicht von denen führender westlicher Geheimdienste unterschied.

Die westdeutschen Behörden hatten wenig in der Hand, um dieses Argument zu widerlegen. Ihr eigener Geheimdienst war über viele Jahre von Reinhard Gehlen geleitet worden, der auch zu Hitlers wichtigsten Leuten gehört hatte. Gehlen hatte nach dem Krieg seinen Geheimdienst mit Hilfe seiner alten Nazikontakte und -freunde aufgebaut, zuerst in Zusammenarbeit mit der CIA und später im Dienste der westdeutschen Regierung in Bonn.

Es ist allerdings wahrscheinlicher, dass Wolfs Urteil deshalb auf eine zweijährige Bewährungsstrafe abgemildert wurde, weil er zuviel wusste - d.h. Kenntnis von peinlichen und belastenden Tatsachen über die Aktivitäten westdeutscher Politiker in der Nachkriegszeit hatte. Im Ergebnis musste Wolf jedenfalls nicht ins Gefängnis.

Wolf war ein kultivierter Mensch und ein völlig anderes Kaliber als der preußische Polizeibüttel Mielke. Bei seinen Aktivitäten gegen den westdeutschen Staat war ihm von großem Nutzen, dass er gründlich verstand, welche Kontinuitäten aus der Nazizeit in der deutschen Nachkriegsdemokratie herrschten. Er zitierte gerne aus der Literatur, und in seinen Memoiren führt er Brechts Stück "Die Maßnahme" an, um seine Arbeit in der DDR zu rechtfertigen: "Welche Niedrigkeit begingst du nicht?" Dies sei, erklärte Wolf, "das Motto für jeden Aspekt der Geheimdienstarbeit, den man klassisch als Desinformation bezeichnet".

Im Namen des Kampfs für den Sozialismus und des Antifaschismus schufen die ostdeutschen Stalinisten, unter ihnen Wolf, einen Polizeistaat, dessen wichtigste Aufgabe die Unterdrückung jeder Opposition gegen die herrschende Clique war. Die Aktivitäten von Agenten wie Guillaume beherrschten zwar die Schlagzeilen, aber die HA unter Wolf störten und sabotierte auch den Aufbau einer wirklich sozialistischen Opposition in Westdeutschland, die sich gegen die stalinistische Bürokratie stellte.

Seine Abteilung war unverzichtbarer Bestandteil eines Staats, der unter den Unterdrückerregimes der modernen Geschichte einen der vorderen Plätze einnimmt. Als der stalinistische Staat 1989 zusammenbrach, standen etwa 91.000 Hauptamtliche und 300.000 Informanten auf den Gehaltslisten der Stasi. Das bedeutet, dass etwa zwei Prozent der Ostdeutschen damit beschäftigt waren, ihre Mitbürger auszuspionieren.

Die Tatsache, dass führende Mitglieder der Linkspartei und der WASG bereit sind, den Hut vor so einem Mann zu ziehen und ihm zu huldigen, muss als Warnung verstanden werden. Diese Leute sind bereit, Wolfs Erbe aufzugreifen und mit ähnlichen Methoden jede unabhängige soziale Bewegung oder Initiative der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Siehe auch:
Zum Tode von Erich Mielke - Die Karriere eines deutschen Stalinisten
(16. August 2000)
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