Airbus-Aktionstag in Hamburg

Gewerkschafter verwandeln Kundgebung in Plattform für rechte CDU-Politiker

Dicht gedrängt standen die Arbeiter während der gestrigen Protestkundgebung auf dem Spielbudenplatz im Zentrum der Hansestadt. 20.000 waren es nach Angaben der IG Metall. Viele waren aus den anderen Airbus-Produktionsstandorten in Bremen, Buxtehude, Laupheim, Stade und Varel nach Hamburg gereist. Dazu kamen Delegationen aus Zulieferbetrieben, und auch auffallend viele Jugendliche waren zu sehen. Ganze Schulklassen hatten vom Unterricht frei bekommen, und einige hielten Schilder mit der Aufschrift: "Mein Papa soll die Arbeit behalten", oder "Wer denkt an unsere Zukunft?".

Ein Großteil der versammelten Arbeiter hatte sich vor gut zwei Wochen an den spontanen Streiks und Protestaktionen beteiligt, mit denen die Beschäftigten auf die Ankündigung der Airbus-Konzernleitung reagiert hatten, 10.000 Arbeitsplätze abzubauen. Weil alle europäischen Produktionsstandorte in Frankreich, Deutschland, England und Spanien betroffen sind, fand der Vorschlag, eine gemeinsame europäische Protestdemonstration und Kundgebung der Beschäftigten aller betroffenen Länder in Brüssel durchzuführen, spontane Unterstützung.

Doch wenige Tage bevor diese gemeinsame Aktion stattfinden sollte, wurde sie von den Gewerkschaften abgesagt. Stattdessen wurden unter der Überschrift "Europäischer Aktionstag" nationale Veranstaltungen durchgeführt, auf denen chauvinistische Stimmungen geschürt wurden.

In Hamburg lud die Gewerkschaft als Hauptredner der Kundgebung drei führende CDU-Politiker ein: Christian Wulff, Ministerpräsident von Niedersachsen, Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und Ole von Beust (CDU), Erster Bürgermeister der Freien Hansestadt Hamburg. Von Beust war allerdings verhindert und ließ sich von seinem Finanzsenator Ulrich Nussbaum vertreten.

Bisher waren CDU-Spitzenpolitiker auf gewerkschaftlichen Großveranstaltungen höchst selten und schon gar nicht als Hauptredner aufgetreten. Wagten sie ein Grußwort, wurden sie meist minutenlang ausgepfiffen. Die ständigen Angriffe der CDU auf soziale Errungenschaften und demokratische Rechte sind bekannt und verhasst. Diesmal begrüßte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Airbus, Rüdiger Lütjen, die CDU-Politiker mit überschwänglicher Freundlichkeit, bedankte sich für ihr Erscheinen und forderte die versammelten Arbeiter zu einem "kräftigen Beifall" auf, der allerdings eher verhalten blieb.

Die übelste nationalistische Rede hielt Ministerpräsident Oettinger. Er begann mit den Worten: "Wir streiten für Airbus in Deutschland." Alle deutschen Standorte müssten im Rahmen des Konzerns bleiben und verteidigt werden. Niemand habe ihn bisher davon überzeugt, dass "die Probleme durch den Verkauf von Werken gelöst werden". Es gehe nicht an, "dass Probleme, die vom Management gemacht worden sind, auf die Arbeiter abgewälzt werden".

"An den Arbeitern liegt es nicht. Ich bekunde hier ausdrücklich meinen Respekt vor ihrer Arbeit", rief Oettinger, der sonst bei jeder Gelegenheit mehr Sozialabbau fordert und als unvermeidbare Notwendigkeiten im internationalen Wettbewerb darstellt. Spitzentechnologie setze hochqualifizierte Fachkräfte voraus, betonte er und rief: "Wo, wenn nicht hier auf dem Gebiet der Spitzentechnologie soll Deutschland führend sein und seine weltweit führende Position verteidigen?"

Europa müsse sich zusammenraufen, um der amerikanischen Konkurrenz entgegenzutreten. "Die Amerikaner kaufen bei Boeing", das wisse jeder. Europa müsse große Anstrengungen unternehmen, um dem "Technologie- und Wissenschaftsstandort die Treue zu halten". Das gehöre auch zur "Geschäftsidee von EADS und Airbus".

Als DaimlerChrysler einen Teil seiner Anteile verkauft habe, hätten sich die Bundesländer mit Airbus-Standorten dazu entschlossen, die Anteile zu kaufen, "um zu verhindern, dass die Russen oder ein Hedgefonds sie erwerben". Dadurch hätten die Regierungen der betroffenen Bundesländer dafür gesorgt, dass der deutsche Anteil an Airbus nicht minimiert werde und "die Augenhöhe gegenüber Frankreich" erhalten bleibe.

Vor Oettinger hatte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff die "Erfolgsstory von Airbus" beschworen. Die "technologische Kompetenz" läge in hohem Maße in Deutschland und müsse auch hier bleiben. Er sehe sehr unmittelbar die "Gefahr des Verlusts des technologischen Know-hows", auch durch die Ausgliederung und den Verkauf von Werken. Der Unternehmensverband müsse erhalten bleiben. In Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und dem Management sei es sehr wohl möglich, die Probleme auch im Rahmen des Konzerns zu lösen. "Ich kenne sehr fähige Betriebsräte, die sehr kluge Vorschläge gemacht haben", betonte Wulff.

Es müsse eine "sehr enge Zusammenarbeit von Betriebsräten, Managern und der Politik" geben, forderte er. Dann könnten die Probleme gelöst werden, und dann würden die Marktanteile für Airbus stark zunehmen. Bereits jetzt seien die Augen der Welt auf Europa gerichtet, und daher müsse die Zusammenarbeit in Europa intensiviert werden.

Wulfs Hinweis auf die enge Zusammenarbeit von Betriebsräten und Managern bezieht sich auf den VW-Konzern, an dem das Land Niedersachsen ebenfalls einen Anteil hält. Dort sind im Rahmen dieser Zusammenarbeit die Löhne massiv gesenkt und die Arbeitsbedingungen verschlechtert worden. Auch die Telekom plant, 55.000 Beschäftigte in ein eigenes Sub-Unternehmen auszugliedern und zu weit schlechteren Bedingungen zu beschäftigen. Ähnliches schwebt Wulf für Airbus vor.

Als letzter Kundgebungsredner sprach Finanzsenator Nussbaum. Er fasste seine Bemerkungen in der Formel zusammen: "Airbus braucht Deutschland und Deutschland braucht Airbus", was mit allgemeinem Beifall auf der Bühne quittiert wurde.

Um die nationalistische Ausrichtung der Reden zu kaschieren, widmete sich der Vorsitzende der IG Metall Jürgen Peters der europäischen Solidarität. "Wir lassen uns nicht spalten! Nur gemeinsam sind wir stark! Ein Angriff auf die Belegschaft an einem Standort ist ein Angriff auf alle und wird unseren gemeinsamen Widerstand hervorrufen." Diese und ähnliche Phrasen - alle schon tausendmal gehört - wiederholte er in verschiedenen Variationen.

Doch aussagekräftiger als alle Worte und Versprechungen des IG Metall-Chefs war die Tatsache, dass die Gewerkschaft die Bühne rechten CDU-Politikern überlassen hat. Dieser Schritt kennzeichnet einen weiteren scharfen Rechtruck der Gewerkschaften, die immer direkter als Agenten der großen Konzerne und der Großen Koalition agieren.

Peters sagte, von dieser "großartigen Kundgebung" werde ein Signal der Einheit und der Geschlossenheit ausgehen. In Wirklichkeit geht ein ganz anderes Signal von ihr aus. Sie zeigt, ein grenzüberschreitender Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten nicht im Bündnis mit den Gewerkschaften, sondern nur gegen ihren Widerstand möglich ist. Die Gewerkschaften haben sich für jedermann sichtbar auf die Seite ihrer Regierungen und der Konzernleitung gestellt.

Mitglieder der Partei für Soziale Gleichheit verteilten eine Erklärung der Redaktion der wsws, in der es heißt: "Ein Bruch mit den Gewerkschaften und Betriebsräten ist die Grundvoraussetzung für die Verteidigung der Arbeitsplätze bei Airbus. Die Belegschaften müssen unabhängige Verteidigungskomitees aufbauen, die untereinander Kontakt aufnehmen und sich an die Arbeiterklasse ganz Europas wenden. Sie müssen Kontakt zu der Belegschaft von Boeing aufnehmen. Die Beschäftigten der Flugzeugindustrie dürfen sich weder in Europa noch über den Atlantik hinweg spalten und gegeneinander ausspielen lassen. Nur auf dieser Grundlage kann ein Arbeitskampf organisiert werden, der das "Power 8"-Konzept zu Fall bringt."

Stimmen von Arbeitern

Im Gegensatz zu den nationalistischen Tiraden der auf der Bühne versammelten CDU- und SPD-Politiker vertraten die Arbeiter, mit denen unser Reporterteam sprechen konnte, durchweg die Ansicht, es müsse ein gemeinsamer Kampf um alle Arbeitsplätze in Deutschland, Frankreich, Spanien und England geführt werden.

"Die machen mit uns, was sie wollen, wenn wir uns untereinander spalten lassen", sagte Björn F., der seit 1989 bei Airbus Hamburg in der Montage arbeitet.

Der gleichen Ansicht waren seine Kollegen Dieter K. und Volker K., die bereits seit über 20 Jahren bei Airbus arbeiten und zur Zeit in der Galvanik eingesetzt sind. Bei dem Airbus-Programm "Power 8" ginge es an allen Standorten um Einsparungen im Interesse der Aktionäre, sagten sie: "Die Aktionäre wollen Profit sehen." Bereits heute würden ständig neue Zeitstudien zur Grundlage für die Verschärfung des Arbeitsdrucks gemacht. "Einsparungen überall, wir sollen immer schneller arbeiten und möglichst unsere Pausen durcharbeiten", berichteten die drei.

Die geplanten Werksverkäufe und Auslagerungen, so auch ein Angestellter der Kalkulation, der seit 27 Jahren bei Airbus arbeitet, dienten letztlich dazu, niedrigere Löhne durchzusetzen und die Kosten zu senken, um die Aktionäre zufrieden zu stellen.

Die Tatsache, dass CDU-Politiker, die für ihre arbeiterfeindliche Politik in den jeweiligen Bundesländern bekannt sind, zur Kundgebung sprechen konnten, sorgte für Unsicherheit. Ein älterer Arbeiter meinte, wahrscheinlich hätten die Politiker Angst, dass es zu gemeinsamen Kampfmaßnahmen komme, und würden deshalb den Belegschaften ihre Hilfe versprechen. Andere Arbeiter sahen den Auftritt der Politiker jedoch positiv. Sie hofften, ein staatliches Eingreifen auf Länderebene könne sie vor zu großer Willkür der Unternehmensleitung schützen.

In einer Diskussion mit mehreren jungen Airbus-Arbeitern am Ende der Kundgebung wurde deutlich, wie sehr das Sanierungsprogramm "Power 8" des Airbus-Vorstands die Belegschaften überrascht hat. Es erschien ihnen widersinnig, dass ein Konzern, der genug Aufträge hat und ohne Unterlass produziert, aus eigener Initiative den bisher reibungslosen Ablauf dieses Produktionsprozesses gefährdet.

Die jungen Arbeiter betonten, dass durch Werksverkäufe und Teilauslagerungen eine gut eingespielte, hochqualifizierte Mannschaft auseinandergerissen wird, was sich auf die Qualität und letztendlich auf die Sicherheit der Flugzeuge negativ auswirken werde.

Viele Arbeiter waren nicht nur über ihre eigene Zukunft besorgt, sondern empört, dass ein hochmoderner Betrieb zerschlagen wird.

Siehe auch:
Ein Besuch bei den Airbus-Werken in Méaulte - Arbeiter lehnen Nationalismus der Gewerkschaften ab
(16. März 2007)
Airbus-Arbeiter streiken in Frankreich und Deutschland gegen massiven Stellenabbau
( 7. März 2007)
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