Irakkriegsverweigerer in Deutschland verurteilt

Immer mehr US-Soldaten verweigern Dienst im Irak

Am Dienstag, den 6. März wurde der amerikanische Soldat Agustin Aguayo von einem amerikanischen Militärgericht in Würzburg für schuldig befunden, Fahnenflucht begangen zu haben. Sein Urteil lautet auf acht Monaten Haft in einem Militärgefängnis. Außerdem wird er unehrenhaft aus der Armee entlassen und verliert damit seine Bezüge und Versorgungsleistungen. Der US-Militärstaatsanwalt hatte eine zweijährige Gefängnisstrafe für Aguayo beantragt.

Der 35jährige Aguayo, der die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt und in Los Angeles lebte, stammt ursprünglich aus Guadalajara in Mexiko. Nachdem er sich 2002 bei der US-Armee eingeschrieben hatte, war er einer der vielen Amerikaner mexikanischer Abstammung, die in den Irak geschickt wurden. Während seiner Grundausbildung bei der Armee stellte Aguayo allerdings fest, dass er den Krieg ablehnt, und beantragte im Februar 2004, als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen aus der Armee entlassen zu werden.

Sein Antrag wurde ignoriert, und im gleichen Jahr schickte die Armee ihn für ein Jahr in den Irak, um als Sanitäter bei den Kampfeinheiten in Tikrit zu dienen. Seit 2004 bemühte sich Aguayo als Kriegsgegner permanent um die Entlassung aus der Armee.

Als seine Einheit Anfang September letzten Jahres für ein weiteres Jahr in den Irak abkommandiert wurde, entschied Aguayo, dass dieser Befehl nicht mit seinem Gewissen zu vereinbaren war. Nachdem er fast drei Jahre mit der Armee über Kreuz gelegen hatte, um seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu erreichen, entfernte sich Aguayo am 1. September 2006 unerlaubt von der Truppe, um nicht mit seiner Einheit in den Irak verlegt zu werden. Einen Tag später, am 2. September 2006, stellte er sich den Militärbehörden.

Aber anstatt ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen, bestanden seine kommandierenden Offiziere darauf, ihn in den Irak zu schicken - notfalls unter Anwendung unmittelbarer körperlicher Gewalt, gefesselt und gebunden. Daraufhin floh Aguayo aus seiner Kaserne in Deutschland und kehrte mit Hilfe deutscher Antikriegsaktivisten nach Kalifornien zurück. Dort versteckte er sich bis zum 26. September 2006 und stellte sich im Anschluss an eine Pressekonferenz in Los Angeles erneut den Militärbehörden.

Auf seiner Website erklärt Aguayo die Gründe für seine Weigerung, in den Irak zu gehen:

"Ich bin auch deshalb gegen Krieg, weil ich aus erster Hand die direkten Folgen von Einsätzen in Kampfgebieten gesehen habe. Ich habe gesehen, dass die "Operation Freiheit für den Irak II" das Leben vieler Veteranen zerstört hat. Viele Männer kamen verstümmelt zurück, mit zahllosen physischen und psychischen Wunden wie dem Posttraumatischen Stresssyndrom. Ich habe persönlich erlebt, dass Kameraden nach ihrer Rückkehr Selbstmord begangen, sich zu Tode getrunken oder zu starken Drogen gegriffen haben. Es ist offensichtlich, dass das Leben dieser Männer durch den Krieg zerstört wurde. Diese Konsequenzen der Kriegsteilnahme sind ein weiterer Grund, warum Krieg grundlegend unmoralisch und falsch ist.

Während meines letzten Einsatzes habe ich gesehen, wie Soldaten das irakische Volk in Worten und Taten entwürdigen. Ich habe gesehen, wie zahllose unschuldige Leben durch den Krieg vorzeitig beendet wurden. Ich habe die Sinnlosigkeit von alldem noch immer nicht verkraftet - irakische Zivilisten, die ihr Leben verloren, weil sie Konvois oder Kontrollpunkten zu nahe kamen; Soldaten, die versehentlich von ihren eigenen Leuten erschossen wurden; [sprachliche] Missverständnisse, die Todesopfer kosteten."

Auf der gleichen Pressekonferenz im September erklärte Agustins Frau Helga, warum sie ihren Mann voll unterstützt. Sie sagte über den Krieg: "Er hat ihn verändert und zwar nicht zum Guten. Ich habe meinen Mann Stück für Stück sterben sehen. Er soll [unseren Töchtern] lehren, für Überzeugungen einzutreten. Denn wenn man dies nicht tut, dann verletzt man die Menschen in seiner Umgebung."

Immer mehr Deserteure

Vor Aguayo standen bereits eine ganze Reihe von US-Soldaten vor zivilen Kammern und Militärrichtern, weil sie sich weigerten, im Irak zu dienen. Vor kurzem stand der 29jährige Leutnant Ehren Watada als erster US-Offizier vor Gericht, weil er den Befehl verweigert hatte, in den Irak zurückzukehren.

Watada erklärte zu seiner Verteidigung, er nehme lediglich sein verfassungsmäßiges Recht wahr, nicht in einem völkerrechtswidrigen Krieg zu kämpfen. Der Amerikaner japanischer Herkunft beschrieb die Invasion und Besetzung im Irak als "illegalen und ungerechten Krieg [...] für Profit und imperialistische Herrschaft". Watadas Anwalt Eric Seitz verteidigte seinen Mandanten auf der Basis der Nürnberger Prinzipien, nach denen Soldaten die Pflicht haben, im Falle eines völkerrechtswidrigen und ungerechten Krieges ungesetzliche Befehle zu verweigern. Nachdem sein erster Prozess wegen Verfahrensfehlern ohne Urteil endete, wird Watada Mitte März erneut vor Gericht stehen.

Ebenfalls im vergangenen Monat erhielt der 23jährige Mark Wilkerson, ein Fachmann der US-Armee, wegen Fahnenflucht eine Gefängnisstrafe von sieben Monaten.

Die Entscheidung der amerikanischen Militärbehörden, eine ganze Reihe Kriegsgerichtsverfahren gegen Armeeangehörige zu eröffnen, wurde vor dem Hintergrund wachsender Unzufriedenheit und schlechter Moral bei den US-Soldaten getroffen. Die oft aus Arbeiterfamilien stammenden Rekruten treten in die Armee ein, weil dies oft die einzige Alternative zu schlecht bezahlter Arbeit oder Arbeitslosigkeit in den USA ist.

Sie sind in die Armee eingetreten in der Erwartung, dass sie in diesem Krieg höchstens kurzzeitig eingesetzt würden. Sie gingen davon aus, dass der Krieg bald gewonnen und beendet wäre. Viele dieser Soldaten werden jetzt zu zusätzlichen Einsätzen geschickt oder können nicht nach Hause zurückkehren. Immer mehr Soldaten stellen die rechtliche Grundlage und Berechtigung des Krieges ebenso wie ihre Anwesenheit in dem fremden Land in Frage.

Michael Sharp unterstützt als Leiter der gemeinnützigen Organisation Military Counseling Network amerikanische Soldaten in Deutschland dabei, die Armee zu verlassen. Seinen Angaben zufolge sind die Anfragen nach Unterstützung bei seiner Organisation dramatisch angestiegen. "Seit Bushs Rede [zur Truppenaufstockung im Irak] sind wir von neuen Anträgen überschwemmt worden", sagte er. Vergangenen Monat hat die Gruppe 30 neue Anträge entgegengenommen, dreimal so viel wie üblich.

Wie nicht anders zu erwarten, gibt das US-Verteidigungsministerium an, keine Statistiken über die Zahl amerikanischer Soldaten in Übersee zu führen, die sich unerlaubt von der Truppe entfernen. Ein deutlicher Hinweis, dass ihre Zahl stark ansteigt, ergibt sich jedoch laut Spiegel Online aus der Anzahl von Soldaten, die in den wichtigsten US-Verfahrenszentren (Fort Sill im Bundesstaat Oklahoma und Fort Knox in Kentucky) nach "Kapitel 11" aus der Armee entlassen werden. Diese Art der Entlassung ist für Soldaten vorgesehen, die sich in Übersee absetzen und später stellen oder zu Hause festgenommen werden.

Von Oktober 2002 bis September 2005 wiesen beide Zentren einen jährlichen Durchschnitt von 1.546 bei dieser Art von Entlassungen auf. Vergangenes Jahr stieg diese Zahl auf 1.19988 an, d.h. auf mehr als fünf pro Tag. Für 2007 liegen noch keine Zahlen vor.

Der Unterstützungsgruppe für Kriegsdienstverweigerer in Kanada zufolge haben 200 bis 300 Soldaten den Weg über die nördliche Grenze gewählt, um dem Marschbefehl zu entgehen. Der wachsende Widerstand in der Armee fand auch in einer Petition an den Kongress Ausdruck, die von mindestens 1.600 aktiven Soldaten unterzeichnet wurde. Darin heißt es: "Wir können auf Dauer nicht im Irak bleiben und es lohnt auch nicht den Preis."

Agustin Aguayo ist jetzt der erste US-Soldat, der im Zusammenhang mit dem Irakkrieg von einem Kriegsgericht außerhalb der USA verurteilt wurde. Die deutsche Regierung hat zu dem Vorgehen gegen Aguayo auf deutschem Boden kein Wort geäußert. Dies wiederum spricht Bände über die Rolle der Großen Koalition und ihrer Vorgängerin, der Rot-Grünen Koalition.

Ein hohes deutsches Gericht hat schon 2005 festgestellt, dass der Irakkrieg völkerrechtswidrig ist. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig urteilte in dem Fall des deutschen Majors Florian Pfaff, der nach der Invasion der US-Truppen und ihrer Verbündeten einen Befehl verweigert hatte. Pfaff argumentierte, er wollte keine Befehle befolgen, die ihn zu einem aktiven Teil des Irakkriegs gemacht hätten, den er für völkerrechtswidrig hielt. Daraufhin wurde er zum Hauptmann degradiert und die Bundeswehr erhob gegen ihn Anklage wegen Befehlsverweigerung.

In seinem Urteil von 2005 bezog sich das Leipziger Gericht auf die Charta der Vereinten Nationen und kam zu dem Schluss, dass der US-Krieg im Irak das Völkerrecht verletzt. Es urteilte im Sinne des Offiziers und machte seine Degradierung rückgängig. Das Gericht nannte nicht nur den Irakkrieg völkerrechtswidrig sondern befand auch, dass die Anklage gegen den Offizier den Grundgesetzartikel 4, Absatz 1 verletzte, der die Gewissensfreiheit garantiert.

Um ihren transatlantischen Alliierten nicht zu vergrätzen, ignorierten die Rot-Grüne Regierung wie auch die aktuelle große Koalition das Urteil und fuhren fort, den amerikanischen Krieg hinter den Kulissen zu unterstützen. Erst diese Woche wurde bekannt, dass die Koalitionsregierung von Kanzlerin Angela Merkel die Entlassung des Deutsch-Türken Murat Kurnaz aus Guantanamo Bay um weitere zwei Monate verzögert hatte. Kurnaz hatte schon viereinhalb Jahre in Haft verbracht, obwohl die deutschen Behörden bereits kurz nach seiner Inhaftierung wussten, dass er unschuldig war, und die US-Behörden ihn freilassen wollten.

Die jüngste Verurteilung des amerikanischen Soldaten Agustin Aguayo in Würzburg ist ein weiteres Beispiel für die Verstrickung der deutschen Regierung in die amerikanischen Kriegsverbrechen. Sie unterstreicht ein weiteres Mal, wie notwendig es ist, alle amerikanischen Militärstützpunkte auf deutschem Boden dauerhaft zu schließen.

Siehe auch:
Für eine internationale Bewegung von Arbeitern und Jugendlichen gegen den Irakkrieg
(26. Januar 2007)
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