Mai-Veranstaltung der PSG findet im Rathaus Schöneberg statt

Berliner Verwaltungsgericht entscheidet gegen Bezirksamt

Die Mai-Veranstaltung der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) findet wie geplant am 1. Mai um 15 Uhr im Rathaus Schöneberg statt. Die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat am Freitagmorgen eine einstweilige Anordnung erlassen, die das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg verpflichtet, der PSG einen entsprechenden Raum zur Verfügung zu stellen.

Mittelpunkt der öffentlichen Veranstaltung bildet ein Vortrag von David North, dem Chefredakteur der World Socialist Web Site, zum Thema "In Verteidigung von Leo Trotzki: Eine Antwort auf die postsowjetische Schule der Fälschung". North setzt sich darin mit neu erschienenen Trotzi-Biografien auseinander, die die Rolle des wichtigsten marxistischen Gegners des Stalinismus grob verfälschen.

"Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten", heißt es dazu in der Einladung, "wird weiter an der politischen Lüge gestrickt, die das 20. Jahrhundert über weite Strecken geprägt hat: der Gleichsetzung von Sozialismus und Stalinismus. Der Grund dafür ist nicht schwer zu durchschauen. Es wird immer offenkundiger, dass der Kapitalismus die Menschheit in eine Sackgasse führt, die von schreiender sozialer Ungerechtigkeit, einem immer irrationaleren Wirtschaftsleben und von Kriegen geprägt ist."

Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat versucht, diese Veranstaltung zu verhindern. Nachdem der Antrag der PSG seit über zwei Wochen vorlag und ein Raum mündlich fest zugesagt war, beschloss eine Sitzung des Bezirksamts am 17. April, das Rathaus am 1. Mai zu schließen. Die PSG sah darin einen Akt der politischen Zensur, der mit bürokratischen Maßnahmen kaschiert werden sollte, und beantragte beim Verwaltungsgericht Berlin eine einstweilige Anordnung. Diesem Antrag ist das Gericht nun nachgekommen.

In seiner Begründung folgt das Gericht über weite Strecken der Argumentation der PSG und ihres Rechtsanwalts Sebastian Scharmer von der Berliner Kanzlei Hummer/Kaleck. Es gelangt zum Schluss, der zeitliche Ablauf lege "den Verdacht nahe, dass die Schließung des Rathauses am 1. Mai nur erfolgt, um die Veranstaltung des Antragstellers [der PSG] zu verhindern". Das Land Berlin sei aber "verpflichtet, alle Parteien gleich zu behandeln. (...) Da die Antragsstellerin eine nicht verbotene politische Partei ist, hat sie daher zur Gewährleistung des Grundsatzes der Chancengleichheit Anspruch auf Gleichbehandlung".

Eine öffentliche Stelle sei zwar "befugt, ihre Einrichtungen an Feiertagen abweichend von der bisherigen Praxis zu schließen oder die Praxis der Vergabe ihrer Einrichtungen aus einem wichtigen Grund zu ändern," heißt es weiter in der gerichtlichen Begründung. "Geschieht dies aber, nachdem ein Antrag auf Überlassung bereits vorliegt, so setzt sie sich dem nahe liegenden Verdacht aus, dass sie ihre Praxis nicht aus einem anzuerkennenden allgemeinen Grund geändert hat, sondern nur, um den Antrag ablehnen zu können (...) Von einem solchen Fall ist hier auszugehen."

Das Gericht sieht dies durch den zeitlichen Ablauf der Ereignisse bestätigt. Aus dem Sitzungsprotokoll des Bezirksamts vom 17. April gehe hervor, dass ein "eindeutiger und klarer Beschluss" zur Schließung des Rathauses gar nicht vorliege. Von der Schließung des Rathauses sei "erstmals im Zusammenhang mit der geplanten Veranstaltung der Antragstellerin [der PSG] die Rede" gewesen. So entstehe "insgesamt der Eindruck", der vom Bezirksamt "genannte sachliche Grund für die Schließung des Rathauses" sei "nur vorgeschoben, um die beabsichtigte Überlassung eines Raumes zu verhindern. Ein solches Vorgehen ist mit der Pflicht, die politischen Parteien gleich zu behandeln, nicht zu vereinbaren."

Die Entscheidung des Gerichts ist eine schallende Ohrfeige für CDU, SPD und Grüne, die selbstherrlich bestimmen, welche politische Ansichten gehört werden dürfen und welche nicht, und öffentliche Einrichtungen behandeln wie ein Gutsherr sein Eigentum. Sie macht deutlich, wie wichtig es ist, nicht vor der selbstherrlichen Arroganz des Machtkartells in Politik und Wirtschaft zurückzuweichen, das in der Berliner Landespolitik sehr ausgeprägt ist.

Noch zwei Tage vor dem Gerichtsbeschluss hatte eine von diesen drei Parteien dominierte Bezirksverordnetenversammlung die Öffnung des Rathauses für die Mai-Versammlung der PSG mit großer Mehrheit abgelehnt. Der für die Raumvergabe zuständige Baustadtrat Bernd Krömer von der CDU - aber auch Bezirksverordnete von SPD und Grünen - äußerten sich dabei in abfälligster Weise über die PSG. Krömer beschimpfte sie als "irgendeine sektiererische Gruppe" und deutete unter dem Gelächter der Bezirksverordneten an, die Mai-Versammlung könnte auch "in einer Telefonzelle" durchgeführt werden.

Ausgerechnet die CDU, die Partei von Diepgen und Landowsky, die hysterischen Antikommunismus stets mit hemmungsloser Korruption verband und deren Namen untrennbar mit Filz, Vetternwirtschaft und Skandalen verbunden ist, hat sich hier das Recht angemaßt, darüber zu entscheiden, welche Partei in öffentlichen Gebäuden auftreten darf und welche nicht.

Die SPD steht ihr dabei in nichts nach. Auch sie gehört zum sprichwörtlichen "Berliner Filz". Und die Grünen haben sich nahtlos in das Kartell der Macht eingefügt und streben im Bündnis mit der CDU danach, die gegenwärtige Koalition aus SPD und Linkspartei.PDS an den Fleischtrögen der Hauptstadt abzulösen.

Millionen Menschen, vor allem viele Familien, sind täglich mit den sozialen Auswirkungen dieser rücksichtslosen Politik im Interesse der Reichen, mit Schikanen und Willkür in Ämtern und Behörden konfrontiert. Die Feindschaft, mit der alle etablierten Parteien auf die Partei für Soziale Gleichheit reagieren, kommt daher, dass sich die PSG nicht darauf beschränkt, die Missstände anzuprangern und dagegen zu protestieren. Sie vertritt ein sozialistisches Programm, das darauf ausgerichtet ist, die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung gegen das Kartell der Absahner in Politik und Wirtschaft zu mobilisieren.

Man kann davon ausgehen, dass auch das Thema der Mai-Versammlung ein Grund für die Versuche der etablierten Parteien war, sie zu verhindern.

Aufgrund der Lage der Stadt inmitten der DDR hat der Antikommunismus in Westberlin stets besonders hysterische und giftige Formen angenommen. Er speiste sich immer wieder neu aus den Verbrechen der Stalinisten. So lange die Machthaber in Ostberlin und Moskau sich als Sozialisten aufspielten und jede selbstständige politische Regung der Arbeiterklasse unterdrückten, war es auch für die Arbeiterklasse im Westen schwer, sich eine sozialistische Perspektive zu eigen zu machen.

Heute steht und fällt dieser Antikommunismus mit der These, dass die Verbrechen des Stalinismus das unausweichliche Ergebnis der Oktoberrevolution von 1917 waren und es keine sozialistische Alternative zum Stalinismus gab. Der politische Kampf, den Leo Trotzki und die Linke Opposition in der Sowjetunion und weltweit geführt haben, beweist das Gegenteil. Er liefert den historischen Beweis, dass es eine sozialistische Alternative zum Stalinismus gab. Das erklärt das Paradox, weshalb Leo Trotzki nicht nur in Moskau und Ost-Berlin als Unperson Nr. 1 galt, sondern dieselbe Rolle für die rechten Antikommunisten in Westberlin spielt.

Wir rufen alle Leser der WSWS auf, an der Mai-Veranstaltung der PSG teilzunehmen und mit David North über diese Fragen zu diskutieren.

Siehe auch:
Schöneberger Rathaus wurde aus politischen Gründen geschlossen
(27. April 2007)
Veranstaltung der PSG und ISSE am 1. Mai in Berlin
( 17. April 2007)
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