Gedenkveranstaltung des IKVI für Raveenthiranathan Senthil Ravee in Paris

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) beging am 15. April eine Gedenkveranstaltung für Raveenthiranathan Senthil Ravee. Senthil war ein Mitglied der Vierten Internationale aus London und am 28. Februar einem tragischen Verkehrsunfall zum Opfer gefallen. Die Versammlung, die im Kongresszentrum FIAP Jean Monnet in Paris stattfand, war von über hundert Personen besucht, unter ihnen zahlreiche Tamilen.

Sprecher der Versammlung waren Amuthan, Chefredakteur der tamilischen Abteilung der World Socialist Web Site, und weitere führende IKVI-Mitglieder: Wije Dias, Nationalsekretär der Socialist Equality Party (SEP) von Sri Lanka, Chris Marsden, Nationaler Sekretär der britischen SEP und Peter Schwarz, Vorstandsmitglied der PSG in Deutschland.

Über dem Podium waren zwei große Transparente mit Photographien von Senthil angebracht. Außerdem war der Text eines tamilischen Gedichtes abgedruckt, das ein indischer Genossen speziell für diese Gedenkveranstaltung geschrieben hatte. Sein Inhalt lautet etwa: "Senthil kämpfte für die sozialistische Weltrevolution, dies war der Odem seines Lebens. Wir führen diese Revolution fort. So atmet Senthil noch immer und wir schreiten voran."

Der Versammlungsleiter, Stephane Hugues, begrüßte Senthils Frau Anparasi, wie auch Chelyan, einen guten Freund von Senthil, der sich noch immer von den Verletzungen erholen muss, die er bei dem gleichen Unfall erlitten hatte.

Zu Beginn der Versammlung erhoben sich alle Beteiligten zu einer Schweigeminute.

Mehrere Sprecher wiesen darauf hin, dass zu dieser Versammlung Teilnehmer aus vier Kontinenten, aus Europa, Asien, Australien und Nordamerika, angereist waren. Bereits daran könne man den Internationalismus erkennen, den Senthil und das IKVI verkörperten. Die Arbeiterklasse habe mit Senthils Tod einen wichtigen Führer verloren. Aber sein Leben sei, wie sie sagten, eine Inspiration für alle jungen Revolutionäre.

Amuthan bestand darauf, dass man Senthils Leben und politische Entwicklung nur in ihrem historischen Zusammenhang verstehen könne. Er sagte: "Senthil war Teil einer Generation, die einen hohen Preis für den Verrat der LSSP (Lanka Sama Samaja Party), der ehemaligen trotzkistischen Partei von Sri Lanka, zahlen musste, die 1964 als Bündnispartner der nationalen Bourgeoisie in die kapitalistische Regierung eintrat."

Andere Sprecher gingen darauf ein, dass er als junger Tamile die schreckliche rassistische Tamilenunterdrückung miterleben musste. Aber er wies eine nationalistische Perspektive stets zurück, die angeblich das tamilische Volk verteidigte, während sie das Schicksal der Arbeiter anderer Nationalitäten ignorierte. Senthil war durch seinen Kontakt mit dem IKVI sozialistischer Internationalist geworden und setzte sich für die Emanzipation der Arbeiterklasse in Frankreich, Großbritannien und Indien ein.

Senthil habe sich unermüdlich der Analyse historischer Fragen gewidmet, die sich zur Zeit der 1990er Jahre stellten, als große politische Verwirrung die Ausbreitung revolutionären Bewusstseins unter den Massen verhinderte.

Amuthan erinnerte an zahlreiche Gespräche, die er mit Senthil führte, in denen es darum ging, welcher Weg die tamilischen Arbeiter vorwärtsbringen würde und wie der Krieg beendet werden könne. Als Senthil Kontakt zum IKVI aufnahm, durchschaute er bereits die Rolle der nationalistischen und arbeiterfeindlichen Organisationen in Sri Lanka. Damals versetzte die internationalistische Perspektive des IKVI die stalinistischen Organisationen der Insel in Alarmzustand. So gab beispielsweise die stalinistische französisch-tamilische Literaturgruppe eine Broschüre mit dem Titel Trotzkistische Gefahr in Sri Lanka heraus.

Senthil, der die internationalen Perspektiven des IKVI verinnerlicht hatte, sagte oft: "Das srilankische Problem beginnt nicht in Sri Lanka, wie auch seine Lösung nicht von Sri Lanka ausgehen wird." Er nahm niemals, weder in Sri Lanka noch in Frankreich, einen nationalistischen Standpunkt ein.

Wije Dias erklärte der Versammlung, an den Reden auf Senthils Trauerfeier in England habe er sehen können, wie sehr Senthils Parteigenossen in Europa sein politisches Leben schätzten.

"Senthil wurde 1969 in Jaffna geboren und wuchs als Kind unter den Teeplantagenarbeitern auf. Seine Vorfahren gehörten zu diesen Arbeitern, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aus Tamil Nadu in Indien nach Sri Lanka gebracht worden waren, um auf den britischen Gummiplantagen zu arbeiten. Aber diese Arbeiter, die zur Zeit der Unabhängigkeit von 1948 über zwölf Prozent der Inselbevölkerung ausmachten, wurden mit der Begründung, dass sie Einwanderer seien, ihrer Bürgerschaftsrechte und Stimmrechte beraubt." Dies war der Ursprung des kommunalen Sumpfes, der sich in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren in Form eines blutigen Bürgerkriegs auf der ganzen Insel ausgebreitet hat.

Dias erklärte, dass die trotzkistische Bolschewistisch-Leninistische Partei Indiens (BLPI), der die srilankische Sektion angehörte, die Arbeiterklasse vor einem künftigen kommunalen Blutbad gewarnt habe. Ein solches Massaker würde unweigerlich auf die Verabschiedung der Gesetze über Staatsangehörigkeit folgen. Mitte der 1950er Jahre wandte sich jedoch die srilankische Sektion, die den Namen Lanka Sama Samaja Party (LSSP) angenommen hatte, dem Parlamentarismus zu und unterstützte die bürgerliche Sri Lanka Freedom Party (SLFP). "1956 weitete sie ihre Zusammenarbeit auf die Bandaranaike-Regierung aus, die an der Spitze der kommunalistischen Gewalt gegen Tamilen stand", sagte Dias.

Er erklärte: "Der politische Rückzug der LSSP wurde vom pablistischen Internationalen Sekretariat, das damals unter Führung von Ernest Mandel stand, rückhaltlos unterstützt." Dieses hatte, wie er sagte, die revisionistische Linie ausgearbeitet, die darin bestand, dass man Druck auf bürgerliche Parteien auszuüben und den Kampf für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse aufzugeben hatte. Diese opportunistische Politik kulminierte im historischen Verrat von 1964, als die LSSP in die bürgerliche, von der SLFP geführte Regierung eintrat.

Ein ähnlicher Verrat der Stalinisten und Maoisten öffnete sowohl in Indien wie in Sri Lanka den rechten und autoritären Regierungen den Weg an die Macht. So konnte die UNP eine Politik des freien Marktes einführen und entfesselte 1983 den rassistischen Bürgerkrieg.

In diesem politischen Klima kam Senthil auf die Welt und wuchs heran. Wie Dias erklärte, war er anfänglich von den "nationalistischen Tamilengruppen angezogen, die proklamierten, die soziale Befreiung der Tamilen könne durch ein nationalistisch-separatistisches Programm erreicht werden. Ohne Zweifel öffnete die Erklärung des IKVI vom November 1987, Die Situation in Sri Lanka und die politischen Aufgaben der Revolutionary Communist League, Senthil und vielen anderem tamilischen und singhalesischen Jugendlichen die Augen."

Die Intervention des IKVI "legte den Grundstein für die Kontinuität des Kampfs für Trotzkismus in Sri Lanka, von der Gründung der Revolutionary Communist League 1968 bis hin zum Kampf, den heute die Socialist Equality Party führt."

Dias schloss mit den Worten: "Das sind die Bedingungen, unter denen die SEP in Sri Lanka und das IKVI weltweit für die Vereinigung der Arbeiterklasse und Jugend und für den sozialistischen Internationalismus kämpft."

Chris Marsden überbrachte die Grüße "im Namen all jener der SEP von Großbritannien, die Senthil liebten und respektierten, aber heute nicht herkommen konnten, - viele, weil sie aktiv am Wahlkampf der regionalen SEP-Kandidaten für das schottische Parlament und das walisische Abgeordnetenhaus teilnehmen".

Er sagte: "Senthil war ein Pionier, weil er Vorläufer einer neuen Generation sozialistischer Kämpfer war, die heute ihren Weg zur Vierten Internationale finden." Er sei der Bewegung beigetreten, als man nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in der UdSSR und in Osteuropa landauf landab der Tod des Sozialismus verkündet habe.

"Die britische SEP ist außerordentlich stolz, dass einer unserer tamilischen Genossen, Thayan, als Kandidat für das Abgeordnetenhaus von Wales kandidiert", sagte Marsden. "Das erlaubt uns, die Erfahrungen der Arbeiterklasse in Sri Lanka und auf dem indischen Subkontinent in unseren Wahlkampf aufzunehmen und Arbeiter vor den gefährlichen Implikationen des schottischen und walisischen Nationalismus zu warnen, besonders wenn all die pseudo-‚linken’ Tendenzen heute Separatismus propagieren."

Er schloss mit den Worten, Marxisten suchten keinen falschen Trost in Gott oder hofften auf ein Leben nach dem Tode. "Senthil widmete sein Leben dem menschlichen Fortschritt, und dafür wird man sich an ihn erinnern und ihn in Ehre halten."

Peter Schwarz sprach von der Zeit, als Jugendliche der hochindustrialisierten Länder sich für die "Dritte Welt" einsetzten, jedoch "nicht auf einer sozialistischen, sondern nur auf einer humanistischen Grundlage". Dies habe in die Sackgasse der Unterstützung bürgerlichen Nationalismus’ geführt. Schwarz erklärte, sehr wenige Arbeiter aus unterdrückten Ländern hätten damals am Kampf für die soziale Emanzipation der Arbeiter in den fortgeschrittenen Ländern teilgenommen. Senthil sei jedoch ein solcher Mann, der bis ins Herz der IKVI-Perspektiven vorgedrungen sei. Unterdrückung und Armut könnten nur durch den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse auf Weltebene überwunden werden, und dies schließe an erster Stelle die Arbeiter der imperialistischen Länder mit ein.

Schwarz wies darauf hin, dass die weltweite Bewegung gegen den Irakkrieg 2003 ein Vorbote wachsender Massenopposition gewesen sei, und erwähnte die häufigen Massenstreiks und Demonstrationen gegen Angriffe auf demokratische Grundrechte in den fortgeschrittenen Ländern, besonders in Frankreich. Die Arbeiterklasse sei jedoch politisch entmündigt.

Senthil habe sich der Aufgabe gewidmet, diese Entmündigung der Arbeiterklasse zu überwinden, sagte Schwarz. Er habe verstanden, dass dies einen unversöhnlichen Kampf gegen die Pseudolinke erforderlich mache. Es gebe kaum ein Land, wo die Bourgeoisie so viele scheinlinke Parteien zur Verfügung habe, wie Frankreich, um die Arbeiterklasse von einer marxistischen Perspektive zu isolieren. Senthil habe den schrecklichen Preis des Opportunismus am eigenen Leib erfahren. Sein persönliches Leben sei zum großen Teil von den Konsequenzen des historischen Verrats der LSSP bestimmt gewesen. Schwarz erinnerte daran, wie Senthil Tausende Handzettel über die opportunistische Politik der französischen kleinbürgerlich-radikalen Linken in Paris verteilt hatte.

Er betonte Senthils unstillbares Interesse an historischen und theoretischen Fragen und sagte, wenn die Arbeiterklasse nicht die Lehren aus der Geschichte zöge, sei sie dazu verurteilt, die tragischen Erfahrungen noch einmal zu durchlaufen. Das IKVI sei das Gedächtnis der Arbeiterklasse. Zum Schluss versicherte Schwarz, das Andenken an Senthil werde vor allem durch die Fortsetzung seines Kampfs in Ehren gehalten werden.

Eine Spendensammlung für einen Memorialfonds zur Unterstützung von Senthils Frau und seinen drei kleinen Kindern stieß auf große Hilfsbereitschaft und ergab über 5.500 Euro. Mehr als 4.000 Euro waren davor bereits gesammelt worden.

Siehe auch:
Mehrere hundert Menschen erweisen Senthil die letzte Ehre
(31. März 2007)
Raveenthiranathan Senthil Ravee: 12. Oktober 1969 - 28. Februar 2007
( 8. März 2007)
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