Zum Rücktritt von Weltbank-Chef Wolfowitz

Am Ende gab Weltbankpräsident Paul Wolfowitz winselnd auf. Er nahm eine zurückhaltend formulierte Resolution vom Gouverneursrat der Bank hin, in der ihm Dank für seine zweijährige Arbeit an der Spitze der internationalen Kreditinstitution ausgesprochen wird, es aber auch heißt: "Es wurden Fehler begangen."

Der Skandal, der zu seinem Rückzug führte, ist ebenso schäbig wie auch von relativ geringer Bedeutung. Wolfowitz hatte eine Lohnerhöhung von 60.000 Dollar für seine Lebensgefährtin Shaha Ali Riza, eine Angestellte der Bank auf mittlerer Ebene, veranlasst und danach offensichtlich fälschlich behauptet, die Ethik- und Personalkommission der Bank habe dem Vorgang zugestimmt.

Als die tatsächlichen Umstände durch eine Kontrollgruppe aufgedeckt wurden, begann der Betriebsrat der Bank Proteste zu organisieren und Wolfowitz' Rücktritt zu fordern. Der Gouverneursrat setzte einen Untersuchungsausschuss ein, um die Angelegenheit zu durchleuchten. Der am 14. Mai vorgelegte Ausschussbericht erklärt eindeutig, dass Wolfowitz regelwidrig gehandelt hat und offenbar glaubte, sich nicht an Vorgaben halten zu müssen.

Wolfowitz' eherne Verteidiger beim Wall Street Journal behaupten, der Finanzskandal um Shaha Ali Riza sei von Mitarbeitern der Bank, die aus Europa und Drittweltländern stammen, künstlich hochgespielt worden. Diese hätten mit Unterstützung der europäischen Mächte gegen Wolfowitz geschossen, weil sie seine "Reformvorhaben" ablehnten.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Behauptung liegt schon eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass sich das Wall Street Journal und großer Teile der republikanischen Rechten plötzlich sorgen, es könnten Privatangelegenheiten zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden. Als sie die Amtsenthebung von Bill Clinton betrieben, waren sie nicht von solchen Skrupeln geplagt.

Es ist allerdings wahr, dass sich in der Wolfowitz-Affäre tiefere politische Fragen ausdrücken. Sie entspringt vor allem dem Konflikt zwischen dem amerikanischen Imperialismus und seinen großen Konkurrenten in Europa und Asien. Am Ende gab es eine ziemlich klare Frontstellung zwischen den relativ isolierten Verteidigern von Wolfowitz in den USA, Kanada und Japan auf der einen Seite und allen europäischen Mächten, unter ihnen Großbritannien, Frankreich und Deutschland, sowie China, Indien, Brasilien und den meisten ärmeren Ländern auf der anderen Seite.

Diese Spannungen existierten während der gesamten zweijährigen Amtszeit Wolfowitz' an der Spitze der Bank, die im Ruf steht, die Forderungen des internationalen Finanzkapitals an die unterdrückten Länder mit etwas geringerer Härte durchzusetzen. Wenn der Internationale Währungsfond (IWF) der Knüppel ist - Kredite werden nur zu harten und sehr eng gefassten Bedingungen vergeben, bis hin zu direkten Vorschriften bezüglich der inländischen Wirtschaftspolitik - so ist die Weltbank das Zuckerbrot - Kredite zu niedrigen Zinsen, manchmal direkt als Hilfsgelder, und ein großer Teil der Mittel geht an die ärmsten Länder des afrikanischen Kontinents.

Wolfowitz versuchte, die Politik der Bank enger in den Dienst der amerikanischen Außenpolitik zu stellen, auch wenn er dies verdecken wollte, indem er wortreich die Korruption verurteilte und ein stärkeres Interesse an Afrika und anderen armen Ländern versprach. Kredite an Länder, die mit den USA in Konflikt gerieten, wurden gekündigt - so geschehen im Falle Usbekistans, als das Land seine Basen für US-Luftangriffe auf Afghanistan schloss. Kredite wurden an Länder umgeleitet, die direkt von den USA kontrolliert werden, wie der Irak und Afghanistan, und solche, die mit der Bush-Regierung freundliche Beziehungen unterhalten.

Um diese Politik durchzusetzen, brachte Wolfowitz sein eigenes Führungspersonal mit, unter ihnen ehemalige Berater aus dem Pentagon und dem Weißen Haus, die die Beschäftigten der Bank durch ihre arrogante Art und ihre rechten Anschauungen vor den Kopf stießen. Weiterhin nahm der Weltbank-Präsident rechte Politiker aus Regierungen hinzu, die mit den USA im Irak verbündet waren. Die ehemalige spanische Außenministerin Ana Palacio wurde zur obersten Beraterin ernannt, während der rechte und ultrakonservative Juan Jose Daboub aus El Salvador zu einem der beiden Verwaltungsdirektoren wurde.

Im April wurde eine Anordnung von Daboub bekannt, nach der in den Schriften der Weltbank keine Bezugnahme auf "Familienplanung" und "Klimawandel" mehr stattfinden sollte. Dies steht im Einklang mit den Plänen der Bush-Regierung, Geburtenkontrolle und das Recht auf Abtreibung zu unterlaufen sowie die Tatsache der Erderwärmung zu leugnen.

Als der Shaha-Riza-Skandal während des Frühjahrstreffens der Weltbank Mitte April in Washington zum ersten Mal bekannt wurde, war bereits klar, dass Wolfowitz nicht länger die Unterstützung einer Mehrheit der Weltbankgouverneure genoss. Fast alle europäischen Regierungen sprachen sich gegen ihn aus, und das Europäische Parlament verabschiedete eine Resolution, in der seine Entlassung gefordert wurde.

Wolfowitz beschimpfte seine Kritiker lauthals und behauptete, Opfer einer Schmutzkampagne zu sein, die nicht vor "der systematischen Verbreitung gefälschter Indiskretionen und irreführender, unvollständiger und persönlicher Informationen halt macht". Er schwor, auf keinen Fall zurückzustecken. Das Weiße Haus, wo man sich gleichzeitig mit der Krise um Justizminister Alberto Gonzales konfrontiert sah, zeigte anfänglich eine Wagenburgmentalität. US-Vizepräsident Dick Cheney und Chefberater Karl Rove verlangten eine rückhaltlose Verteidigung der beiden Politiker.

Das Abrücken von dieser Haltung, den eigenen Mann bis zum Letzten zu verteidigen, ist ein Zeichen für die internationale Isolierung und die politische Schwäche der Bush-Regierung.

Die entscheidende Rolle in der Weltbankaffäre scheint die deutsche Regierung gespielt zu haben, die den drittgrößten Beitrag zu den Finanzen der Bank leistet und die im laufenden Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Eckhardt Deutscher, der deutsche Vertreter im Direktorium der Weltbank und gleichzeitig Vorsitzender des Gremiums, erklärte in einer Rede am 19. April, dass die Bank auf "Glaubwürdigkeit, Glaubwürdigkeit und noch einmal Glaubwürdigkeit" in ihrer Führung angewiesen sei. Er spielte damit eindeutig auf Wolfowitz' Predigten gegen Korruption in aller Welt und seine dem entgegen gesetzte private Praxis an.

Als Kanzlerin Merkel später Washington besuchte, soll sie die Frage mit Präsident Bush besprochen haben. Merkel äußerte sich nicht öffentlich, dennoch verteidigte Bush bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus Wolfowitz wortreich. Dieser auffällige Gegensatz sagt einiges über die scharfen Spannungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.

Der letzte Schlag kam, als die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) am 16. Mai offen Wolfowitz' Rücktritt forderte und erklärte, er sei beim kommenden Afrika-Forum der Weltbank in Berlin nicht willkommen. "Er täte der Bank und sich selbst einen großen Dienst, wenn er zurückträte", sagte sie. "Es wäre für alle das Beste."

Es gibt viele Ironien in der Wolfowitz-Affäre. Der ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsminister, einer der wichtigsten Befürworter und Architekten des Irakkriegs, ist nicht, wie er es verdient hätte, vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt und wegen der Planung eines völkerrechtswidrigen Kriegs und der Verschwörung zum Massenmord verurteilt worden. Stattdessen endet seine Karriere, zumindest in einem öffentlichen Amt, in einem Raffke-Skandal. Wolfowitz wird jetzt vermutlich in die Welt der hochbezahlten Think-Tank-Ehrenliga und der Multi-Millionen-Dollar-Buchverträge eintauchen.

Im Jahre 2005 schied Wolfowitz aus dem Pentagon aus und wurde von den USA für den Chefposten bei der Weltbank nominiert. Seine Ernennung war eine kalkulierte Provokation der Bush-Regierung gegen die große Mehrheit der Länder und Regierungen, die sich in der einen oder anderen Weise gegen die Invasion im Irak ausgesprochen hatten. Sie drückte die Verachtung der herrschenden US-Elite für internationale Institutionen aus - selbst für die, die Washington in der Vergangenheit selbst aufgebaut hat, und besonders für die, die in irgendeiner Weise die militärische, politische und ökonomische Macht Amerikas einschränken.

Die europäischen Länder, die doppelt so viel zur Finanzierung der Weltbank beisteuern wie die USA, nahmen diese Provokation hin und fügten sich der seit 60 Jahren akzeptierten Formel, nach der Europa den Verwaltungsdirektor des Internationalen Währungsfonds stellt und die USA den Weltbank-Präsidenten. Dieses Arrangement zur Aufteilung der Beute geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, als der größte Teil Afrikas und ein Großteil Asiens - fast die Hälfte der Weltbevölkerung - noch unter europäischer Kolonialherrschaft standen und die USA in ihrem halbkolonialen Einflussgebiet in der westlichen Hemisphäre nach Belieben Regierungen einsetzten oder stürzten.

Dass der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der deutsche Kanzler Gerhard Schröder die Wolfowitz-Provokation schluckten, war von zentraler Bedeutung. Beide Staaten hatten während der Debatten im UN-Sicherheitsrat den Irakkrieg abgelehnt, sich aber mit der US-Besetzung abgefunden und wollten keine weitere Konfrontation mit Washington mehr. Sie beugten sich kleinmütig, als ein erwiesener Kriegsverbrecher an die Spitze einer Institution gesetzt wurde, deren Aufgabe angeblich die Bekämpfung der weltweiten Armut ist.

In den zwei Jahren, die in der Zwischenzeit ins Land gegangen sind, hat sich die Krise im Irak verschlimmert, die politische Basis der Bush-Regierung bröckelt und die Weltposition des amerikanischen Imperialismus hat sich in allen Bereichen verschlechtert: auf dem Feld der militärischen Stärke, der Finanzposition und dem moralischen Ansehen. Die Wolfowitz-Affäre ist letzen Endes Ausdruck dieses Niedergangs der Vereinigten Staaten. In ihr spiegelt sich zudem die größere Bereitschaft der Konkurrenzmächte in Europa und Asien, es mit der vermeintlich "einzigen Weltmacht" aufzunehmen.

Siehe auch:
Lebensverlängernde Maßnahmen für die Bush-Clique
(26. April 2007)
Rechte fordern Begnadigung für verurteilten Cheney-Berater
(17. März 2007)
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