Skandal um Sklavenarbeit erschüttert China

Ein Skandal, bei dem es um die brutale Ausbeutung von Sklavenarbeitern in der chinesischen Ziegelindustrie geht, unterstreicht, wie absurd es ist, das Land als "sozialistisch" oder "kommunistisch" zu bezeichnen.

Chinesische Medien berichteten am 27. Mai, dass die Polizei 31 Sklavenarbeiter aus einer Ziegelbrennerei im Bezirk Hongdong in der Provinz Shanxi befreit habe. Bis zum Moment ihrer Befreiung wurden diese Arbeiter gezwungen, täglich achtzehn Stunden unter der Aufsicht von Wachen und Hunden ohne Lohn zu arbeiten. Sie erhielten als Verpflegung einzig Wasser und Brot. Alle Arbeiter erlitten durch das Tragen der heißen Ziegel Verbrennungen am Körper. Acht von ihnen waren geistig so verwirrt, dass sie sich nicht mehr erinnern konnten, woher sie kamen. Keiner von ihnen hatte die Möglichkeit zum Baden oder auch nur Waschen erhalten. Die Shanxi Evening News berichtete, dass der Schmutz an ihren Körpern "so dick war, dass man ihn mit einem Messer abkratzen konnte".

Der Besitzer der Ziegelbrennerei war der Sohn eines lokalen Sekretärs der kommunistischen Partei. Vater und Sohn wurden beide verhaftet. Die meisten ihrer Sklaven waren Emigranten aus ländlichen Gebieten, die in den Bahnhöfen von Zhengzhou und Xian - den Provinzhauptstädten von Henan und Shaanxi - entführt worden waren. Einer der Arbeiter wurde von den Wachen getötet, weil er zu langsam gearbeitet hatte.

Die Durchsuchungen der Polizei gingen nicht auf die Initiative einer Regierungsstelle zurück, sondern waren das Ergebnis einer Kampagne von Eltern, die ihre Kinder an diese Brennereien verloren hatten. Im vergangenen Monat setzten sie einen Fernsehsender in Zhengzhou unter Druck, um auf die Existenz von Zwangsarbeitern aufmerksam zu machen. Erst dieser Schritt zwang die lokalen Behörden zum Handeln.

Der Skandal weitete sich aus, als 400 Väter aus der Provinz Henan eine offene Online-Petition ins Internet stellten, in der sie um Hilfe bei der Rettung ihrer in verschiedenen Ziegelfabriken versklavten Kinder baten. Sie behaupten, dass an die eintausend Kinder entführt und für weniger als 500 Yuan, oder 65 US Dollar, an private Unternehmer verkauft worden seien. Die Kinder, die zum Teil erst acht Jahre alt waren, wurden gezwungen, pro Tag 14 Stunden zu arbeiten. Manche von ihnen wurden verkrüppelt oder starben an den Folgen von Überarbeitung und Misshandlung.

Chai Wei, dessen 17 jähriger Sohn im April in Zhengzhou verschwand, sagte der Zeitung Xinjngbao, dass er Dutzende von Ziegelfabriken abgesucht hätte. "Die Orte an denen diese Kinder leben, sind schlimmer als Hundezwinger. Es gibt dort keine Betten - sie schlafen auf dem blanken Holzboden, während die Wände mit Exkrementen bedeckt sind. Wir sind immer noch erschüttert von dem, was wir sahen." Weiter sagte er, dass die örtliche Polizei nicht daran denkt, den Eltern zu helfen. "Viele lokale Polizisten haben enge Verbindungen zu den Besitzern dieser Fabriken und warnen sie, wenn eine Suchgruppe kommt. Wir lernten, uns nicht auf die Polizei zu verlassen, sondern die Ziegelbrennereien eigenständig abzusuchen."

Innerhalb von einer Woche wurde die Online-Petition auf ihrer ursprünglichen Website 310.000 Mal eingesehen. Als die Petition am 7. Juni auf der bekannten Tianya Site erneut veröffentlicht wurde, zählte sie 580.000 Hits in nur sechs Tagen und erhielt 3.000 Antworten. In den Worten der offiziellen China Daily hat der Skandal "die Nation schockiert und einen öffentlichen Aufruhr entfacht".

Präsident Hu Jintao und Premier Wen Jiabao sahen sich gezwungen, das Ministerium für Arbeit und Soziales, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die staatlich kontrollierte Gewerkschaft für ein Ablenkungsmanöver zu mobilisieren. Sonntagnacht, den 17. Juni, durchsuchten 45.000 Polizeibeamte in den Provinzen Shanxi und Henan 8.000 Ziegelbrennereien und kleinere Bergwerke, in denen Kohle gefördert wird. Bei dieser Aktion wurden 591 Sklaven befreit, darunter 51 Kinder. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass dies allenfalls die Spitze des Eisbergs sei.

Die ersten 31 Opfer, die befreit wurden, erhielten jeder einen Ausgleich von nur 1.000 Yuan (130 US-Dollar), sowie einen Lohn für ihre Arbeit auf der Basis eines Monatslohnes von nur 1.410 Yuan (186 US-Dollar). Die Regierung in Hongdong schickt Abordnungen in der Provinz umher, um die Opfer der Familien zu besuchen und sich bei ihnen zu entschuldigen.

Bislang wurden 186 Fabrikbetreiber und Kompagnons verhaftet. Im Bezirk Hongdong wurden zwanzig Beamte von ihren Posten entfernt oder sehen sich nun mit einer Untersuchung konfrontiert. Zwanzig weitere Personen werden momentan von der Polizei gesucht. Wie bei den Bergwerksunglücken üblich, bei denen jedes Jahr Tausende von Arbeitern getötet werden, werden diese kleineren Bürokraten und Bosse zu den eigentlichen Sündenböcken erklärt.

Die eigentliche Verantwortung liegt aber bei der gesamten Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und ihrer pro-kapitalistischen Politik. Die sich vertiefende Armut hat mehrere zehn Millionen Arbeiter aus den ländlichen Gebieten in die Städte getrieben, wo sie sich als Arbeiter für einen absoluten Niedriglohn verdingen müssen. Viele von ihnen enden in Betrieben, die man nur als Knochenmühlen bezeichnen kann, um dort unter Bedingungen zu schuften, die nicht besser sind als Sklaverei. Diese gewaltige Zahl von "Wanderarbeitern" schafft wiederum die Bedingungen für einen einträglichen Menschenhandel - oft im Zusammenwirken mit den lokalen Behörden, privaten Unternehmern und organisierten Banden.

Zhengzhou’s betriebsame Eisenbahnstation, die pro Tag von an die 150.000 Menschen benutzt wird, ist als Drehscheibe der Sklavenhändler bekannt. Viele Menschen werden mit falschen Versprechen auf Arbeit entführt oder angelockt, und dann als Sklaven an Ziegelbrennereien oder Bergwerke in entfernten Gegenden verkauft. Ein 16-jähriges Opfer, Zhu Guanghui, erzählte Reportern, dass ein örtlicher Arbeitsinspektor ihn für 300 Yuan (40 US Dollar) verkauft habe.

Der Zeitung Chongqing Chengbao zufolge arbeiten 95 Prozent der Ziegelfabriken im Bezirk Hongdong ohne Genehmigung der Regierung und somit illegal. Im Zuge des wachsenden Bedarfs nach Ziegeln, um dem Bauboom des Landes gerecht zu werden, schossen im gesamten ländlichen Raum von Shanxi Ziegelfabriken aus dem Boden. Yang Peng, der eine "legale" Ziegelfabrik betreibt, gibt an, dass seit der Eröffnung seines Betriebes vor einigen Jahren die Preise für Ziegel um 150 Prozent nach oben gingen. "Wanderarbeiter werden geringer bezahlt als einheimische Arbeitskräfte. Um die Kosten niedrig zu halten, beschäftigen die Unternehmer mehr und mehr Migranten. Um die Arbeiter länger am Arbeitsplatz zu halten, halten viele Betriebe den Lohn zurück. Häufig werden Arbeiter geschlagen, wenn sie nach ihrem Lohn fragen", erklärte er.

Die Verwendung von Sklavenarbeit ist mit Sicherheit schockierend, doch handelt es sich hierbei um kein Geheimnis. Viele Ziegelbrennereien, Kohlebergwerke und Fabriken - illegale wie legale - setzen seit Jahren Sklaven oder Zwangsarbeiter ein. Chinas erbärmliche Arbeitsschutzgesetze zeigen keinerlei Wirkung auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt. Das wahnwitzige Wachstum des Landes verlangt nach gewaltigen Mengen an billigen Ziegeln und Kohle. Die chinesische Bürokratie, die emsig damit beschäftigt ist, mit ihren Geschäften Geld zu machen, ist diesen Verhältnissen gegenüber gleichgültig. Sogar die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua musste am letztem Sonntag feststellen: "Die Gründe, warum in den Ziegelfabriken von Shanxi solche schweren Verbrechen begangen werden, liegen in der Zusammenarbeit der Geschäftsleute mit den lokale Behörden."

Die wahren Sorgen der Führung der KP Chinas bestehen darin, dass es zunehmend schwerer wird, die gesamte Arbeiterklasse über die Zustände in der Gesellschaft in Unwissenheit zu halten. Die Öffnung Chinas zur Weltwirtschaft, der gewaltige Zuwachs an Telekommunikationstechnologien, speziell dem Internet, hat neue Kanäle des Informationsaustausches eröffnet, welche den Bemühungen Pekings zum Trotz nicht vollständig kontrolliert werden können. Die plumpe Staatspropaganda, Razzien und Spitzelwesen können unmöglich den Prozess der Bewusstwerdung breiterer Schichten von Arbeitern und Jugendlichen unterbinden.

Der chinesische Propagandaapparat hat wiederholt die Betreiber von Web Sites aufgefordert, diese abzuändern oder feindselige politische Kommentare zu entfernen. Es hat sich jedoch als unmöglich erwiesen, den tief empfundenen Ärger und die Abscheu über die Ausbeutung von Sklavenarbeit vollständig zu zensieren. Das gleiche gilt für die generelle Feindschaft gegenüber den kapitalistischen Verhältnissen und den riesigen sozialen Graben, der sich zwischen Arm und Reich im Land auftut.

Ein Leserbriefe an die Web Site der staatlichen Tageszeitung People’s Daily, brachte einfach das bekannte Zitat von Karl Marx: "So [kommt] das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend [zur Welt]." Ein anderer schrieb: "Shanxi bildet den Mikrokosmos des gesamten Landes, so wie die Reichen im Himmel leben, so leben die Armen in der Hölle". Ein dritter schrieb folgenden Kommentar: "Das Kapital frisst den Menschen, der Kapitalismus frisst den Menschen." Ein anderer bemerkte: "Das Böse ist das Privateigentum." Einige der Schreiber verlangten, die korrupten Parteibonzen aufzuhängen, anstatt sie einfach nur zu verhaften.

Ein Artikel, der unter dem Namen Yundan Shiunuan veröffentlicht wurde, prangerte verärgert die "neue soziale Elite" an. Die Besitzer der ländlichen Ziegelbrennereien seien nur das untere Ende einer sich herausbildenden Kapitalistenklasse. In den Städten vermehrten die weitaus mächtigeren Vertreter dieser Klasse ihren Reichtum durch das Ausplündern staatlicher Firmen oder durch Spekulation an der Börse, was sich von den Betreibern der Ziegelfabriken nicht so sehr unterscheide.

"Im Vergleich zur ‘Eleganz’, ‘Kultur’, ja sogar ‘Wohltätigkeit’ der Spitzen der Gesellschaft, sind diejenigen am unteren Ende von dem Willen durchdrungen, auf der Leiter hochzukommen. Sie sind jedoch durch die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, die geographische Lage und mangelnde Energie eingeschränkt. Das macht ihre Akkumulation von Reichtum barbarischer und auch brutaler, und im Gegensatz zur Verlogenheit an der Spitze ist sie unverhüllter", erklärt Yundan Shiunuan.

"Marx [eigentlich Engels] sagte einst: ‚Für [die Bourgeoisie] existiert nichts in der Welt, was nicht nur um des Geldes willen da wäre, sie selbst nicht ausgenommen, denn sie lebt für nichts, als um Geld zu verdienen, sie kennt keine Seligkeit als die des schnellen Erwerbs, keinen Schmerz außer dem Geldverdienen. Bei dieser Habsucht und Geldgier ist es nicht möglich, dass eine einzige menschliche Anschauung unbefleckt bliebe.’ Im Einklang mit den Erfordernissen des Profits kennt die gesamte Elite keinen anderen Schmerz, selbst wenn sie ihn kennen würde, führe sie fort."

Artikel 1 der chinesischen Verfassung verkündet immer noch, dass der Staat "von der Arbeiterklasse auf der Grundlage des Bündnisses zwischen Arbeitern und Bauern geführt wird. Das sozialistische System ist die Grundlage des Systems der Volksrepublik China."

Diese Behauptung war immer eine Lüge. Doch die ungezüngelten Bewegungen des kapitalistischen Marktes im Verlauf der vergangenen 25 Jahre und die damit einhergehende Transformation Chinas in ein gewaltiges Arbeitslager der Konzerne der Welt haben alle barbarischen Seiten des Kapitalismus und die rohesten Formen der Akkumulation wieder auferstehen lassen. Diesen Zustand Sozialismus zu nennen und China als einen Arbeiterstaat zu bezeichnen, ist eine perverse politische Travestie.

Siehe auch:
Fortschreitender Ausverkauf des Staatseigentums in China
(20. Januar 2007)
Chinas Mittelklasse-Traum zerrinnt
(8. Juni 2006)
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