Über 60 Tote durch Waldbrände in Griechenland

Eine von Menschen gemachte Katastrophe

"Apokalypse", "Inferno" und "Hölle" sind die meistbenutzten Worte, mit denen die gegenwärtige Brandkatastrophe in Griechenland beschrieben wird. Bislang sind über 60 Menschen den Flammen zum Oper gefallen. Hunderte mussten mit Verbrennungen und Rauchvergiftungen in Kliniken eingeliefert werden. Es handelt sich um die schlimmsten Brände seit Jahrzehnten. Am Samstag rief die Regierung den Ausnahmezustand und eine dreitägige Staatstrauer aus.

Neben dem Festland um die Hauptstadt Athen sind vor allem die Halbinsel Peloponnes und Euböa, die größte griechische Insel, betroffen. Dutzende von Dörfern sind von den Flammen eingeschlossen, 15 Dörfer mussten vollständig evakuiert werden. Die allermeisten Opfer kamen beim Versuch ums Leben, ihre Häuser und Grundstücke vor den Flammen zu schützen. Andere starben auf der Flucht aus den vom Feuer eingekreisten Dörfern. Am schlimmsten betroffen ist das Dorf Artemida im Westen der Peloponnes. Allein hier haben die Brände etwa 30 Menschenleben gefordert.

Am Sonntag unterbrach das Feuer die wichtigste Eisenbahnverbindung des Landes zwischen Athen und der Hafenstadt Thessaloniki. Nur in letzter Minute und mit massivem Aufgebot von Feuerwehr und Löschflugzeugen konnte ein Übergreifen der Flammen auf die historischen Stätten von Olympia verhindert werden. Die Umgebung und eine Ausgrabungsstätte in der Nähe wurden allerdings verwüstet.

Das volle Ausmaß der Zerstörungen ist offen, da die Brände noch immer nicht unter Kontrolle sind. Allein am Sonntag sind innerhalb von 24 Stunden nahezu 90 neue Feuer ausgebrochen. Neben den Toten, die zu beklagen sind, verbrannten Zehntausende Hektar Wald und Land sowie viele Hundert Häuser, die unbewohnbar sind. Etwa 3.000 Menschen sind obdachlos. Die Auswirkungen für die Landwirtschaft sind gravierend. Viele Kleinbauern stehen vor dem Ruin, nachdem das Feuer ihren Besitz oder ihre Viehbestände verwüstet hat.

Griechische Fernsehstationen zeigten die ganzen Tage über Bilder verzweifelter Menschen, die versuchten, mit Wassereimern, Gartenschläuchen oder einfach mit abgerissenen Ästen gegen die Feuer anzukämpfen. Die Verzweiflung und Trauer mischte sich dabei zunehmend mit Wut. "Keiner hilft uns, wir sind allein, wir werden hier bei lebendigem Leibe verbrennen," meldeten immer wieder verzweifelte Stimmen über Mobiltelefon.

Verantwortung der offiziellen Politik

Die heuchlerischen Erklärungen und Ansprachen des konservativen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis von der Nea Dimokratia (ND), der am Wochenende von einer "nationalen Tragödie" sprach, oder des sozialdemokratischen Oppositionsführer Georgios Papandreou, der "Szenen biblischer Zerstörung" ausmachte, können nicht über die Verantwortung der politischen Parteien für die gegenwärtige Katastrophe hinwegtäuschen.

Karamanlis versucht, den Klimawandel - der östliche Mittelmeerraum erlebt seit Wochen eine außergewöhnliche Hitzewelle - und kriminelle Brandstiftungen durch Bodenspekulanten für die Katastrophe verantwortlich zu machen. Beides spielt zweifellos eine Rolle, kann aber nicht erklären, warum die Regierung der Katastrophe völlig unvorbereitet gegenüber steht.

Tatsächlich wirft der Umgang mit den verheerenden Waldbränden ein Schlaglicht auf die Verantwortungslosigkeit und die Vetternwirtschaft, die seit Jahrzehnten die Politik der beiden großen Parteien des Landes, der ND und der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), kennzeichnen.

Karamanlis’ ND hatte im Frühjahr 2004 die Parlamentswahlen für sich entschieden, nachdem die PASOK das Land über zehn Jahre lang regiert und wie die anderen sozialdemokratischen Parteien Europas eine rechte, neoliberale Politik verwirklicht hatte, die ausschließlich den Interessen der griechischen und europäischen Unternehmen zu Gute kam.

Unter der PASOK-Regierung wurden unentwegt Gelder für öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur gekürzt, um die Vorgaben aus Brüssel und die Kriterien für die Einführung des Euro zu erreichen. Trotz gegenteiliger Versprechungen hielt Karamanlis an diesem Kurs fest und verschärfte ihn sogar. Während seine Politik in der Bevölkerung zum Teil gewaltsame Proteste auslöste, lobte die EU die Stabilitätspolitik der ND-Regierung. Die Folgen dieser Politik kommen jetzt ans Licht.

Obwohl es in Griechenland regelmäßig zu Waldbränden kommt, wurden Feuerwehr und Brandvorsorge völlig vernachlässigt. Die verfügbaren Kräfte reichen bei Weitem nicht aus, um Feuer vom jetzigen Ausmaß zu bekämpfen.

Rund 9.000 Feuerwehrleute und 1.000 Soldaten sowie etwa 1.800 Löschfahrzeuge sind landesweit im Einsatz und mittlerweile völlig erschöpft. Löschflugzeuge gibt es nur wenige, die dazu noch hoffnungslos veraltet sind. Von den zwanzig eingesetzten Löschflugzeugen mussten die meisten aus dem Ausland angefordert werden.

Die Bewohner der Dörfer beklagten immer wieder die verspätete, unzureichende oder ausgebliebene Hilfe der Behörden. So brannten einige kleinere Dörfer fast vollständig nieder, ohne dass überhaupt Löschfahrzeuge oder Flugzeuge eintrafen. Die griechische Regierung bat erst 24 Stunden nach dem Ausbruch der Feuer um internationale Hilfe.

Am Sonntag wurde ein schon älterer Beschwerdebrief der Feuerwehr von Sparta an das zuständige Ministerium in Athen bekannt. Der Brief beklagte sich, dass die Feuerwehr unter eklatantem Personalmangel leide und seit Jahren aus Kostengründen keine Neueinstellungen genehmigt würden. Fahrzeuge und Ausrüstung seien in einem erbärmlichen Zustand. Die meisten Fahrzeuge seien älter als 15 Jahre, ständig reparaturbedürftig und daher kaum einsatzfähig.

Um solchen Forderungen nach Geldern für die öffentliche Sicherheit einen Riegel vorzuschieben, hatte die Regierung im vergangenen Jahr kurzerhand die komplette Führungsspitze der Feuerwehr ausgewechselt. Erfahrene Beamte wurden durch Anhänger Karamanlis’ mit ND-Parteibuch ersetzt. Dabei verfügten diese teilweise nicht einmal ansatzweise über die nötigen Qualifikationen.

Ein weiteres Beispiel für die Verantwortungslosigkeit der offiziellen Politik sind die mindestens 400 offene Müllhalden, die sich bei Temperaturen, die nicht selten über 40 Grad liegen, regelmäßig entzünden. Einige der gegenwärtigen Feuer sind auf diese Weise entstanden. Obwohl EU-Behörden das Land mehrmals aufgefordert haben, diese Zustände zu beseitigen, weigert sich die Regierung in Athen, in modere Verbrennungsanlagen zu investieren.

Brandstiftung durch Bodenspekulanten

Auch die häufige Brandstiftungen durch Bodenspekulanten haben politische Ursachen. Sie stehen ganz oben auf der Liste der Brandursachen. Die Regierung und ein privater Fernsehsender haben mittlerweile eine Belohnung von bis zu einer Million Euro für die Ergreifung von Brandstiftern ausgesetzt. Bislang wurden drei Männer und eine Frau von der Polizei verhaftet, die in Verdacht stehen, Feuer fahrlässig gelegt zu haben. In Athen wurde ein Brandsatz entdeckt, mit dem einer der Brände gelegt worden war.

Hinter den Brandstiftern stehen kriminelle Bodenspekulanten. Diese zünden unbebaute Waldflächen an, errichten auf den abgebrannten Grundstücken illegal Fundament von Häusern und lassen diese im Nachhinein von den Behörden absegnen. Diese Methode ist altbekannt. Schätzungen zufolge gehen jedes Jahr Dutzende von Bränden auf das Konto dieser Spekulanten.

Der griechische Architektenverband geht davon aus, dass etwa 100.000 Gebäude in Griechenland auf solch illegal erworbenem Bauland stehen. Der Großteil davon sind Villen. Es wird davon ausgegangen, dass auch ausländische Spekulanten diese Art von Immobiliengeschäften mittlerweile ausgedehnt praktizieren. Dabei benutzen sie verarmte Jugendliche oder Kleinkriminelle aus der Gegend als Handlanger, um die Feuer zu legen.

Möglich ist dies nur aufgrund der weit verbreiteten Korruption im Land und einer Gesetzeslage, die solche kriminellen Geschäfte geradezu fördert. Griechische Regierungen, egal welcher Couleur, haben in den vergangenen Jahren gezielt die Eigentumsverhältnisse im Unklaren gelassen, um jenen Unternehmen und Geschäftsleuten, die in der Lage sind, hohe Schmiergelder zu bezahlen, zu günstigem Bauland zu verhelfen.

Eine einheitliche Raumordnungsplanung, ein Wald- und Bodenkataster, existieren nicht. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sind die Gemeinden "vielerorts tatsächlich noch auf uralte Pläne aus osmanischer Zeit angewiesen". Das Blatt zitiert einen Bürgermeister, der die Praktiken der Spekulanten so beschreibt: "Und wenn du ein Auge auf ein Stück Land im Gebiet von Attika geworfen hast, dann behauptest du einfach, es läge nebenan in Gerotsakouli."

Die Regierung Karamanlis wollte noch zu Beginn des Sommers die Verfassung ändern, um die Erschließung von Land zu erlauben, das bisher als Waldgebiet eingestuft war.

Angesichts dieser Verhältnisse muss es in den Ohren der Brandopfer wie Hohn klingen, wenn Regierungschef Karamanlis in einer Ansprache am Samstag "Opfer" und "Verantwortungsbereitschaft" von der Bevölkerung verlangt.

Ungeachtet der steigenden Wut sind sich Regierung und Opposition einig, trotz der Katastrophe die für den 16. September angesetzten Parlamentswahlen durchzuführen. Die ND ist dabei bemüht, jede Verbindung zwischen ihrer Politik und der gegenwärtigen Krise auszublenden. Karamanlis bezeichnete die aufkommende Kritik gegen ihn sogar als "Verschwörung".

Er hatte die Wahlen ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode vorgezogen, um, wie er sagte, ein "starkes Mandat des Volkes" zu erzielen. Karamanlis und die ND sind auf Grund ihrer rechten, unsozialen Politik verhasst wie kaum eine Regierung zuvor. Durch die vorgezogene Wahl hatten sie sich bessere Chancen auf einen Wahlsieg erhofft. Karamanlis plant für den Haushalt 2008 massive Einsparungen in fast sämtlichen Bereichen, um die Staatsverschuldung zu senken und eine groß angelegte Steuerreform zu finanzieren.

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