Lokführer-Streik

Die Streikbrecherrolle von Transnet und DGB wird aggressiver

Während 12.000 Lokführer und Zugbegleiter die Urabstimmung durchführen und Streikvorbereitungen treffen, erhöht die Bahn AG täglich den Druck auf das Fahrpersonal. Bahn-Chef Mehdorn stützt sich dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit den beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet (DGB) und Beamtengewerkschaft GDBA.

Beide Organisationen handeln in einer schamlosen Weise als Streikbrecher und "gelbe Gewerkschaften", wie man es seit den dreißiger Jahren hierzulande nicht mehr erlebt hat. Von Anfang an haben sie die Forderung nach einer deutlichen Anhebung der Gehälter der Lokführer bekämpft, obwohl sie genau wissen, dass die Lokführer und das Fahrpersonal insgesamt für ihre verantwortungsvolle und durch ständigen Schichtdienst geprägte Arbeit einen miserablen Lohn erhalten.

Als die Bahn AG den übrigen Beschäftigten eine Lohnerhöhung von 4,5 Prozent und eine Einmalzahlung von 600 Euro anbot, um die Lokführer zu isolieren, schlossen Transnet und GDBA einen Vertrag ab, der die Klausel enthält, dass die Bahn AG keine Zugeständnisse an die Lokführergewerkschaft GDL machen dürfe. Falls die Bahn AG mit der GDL einen eigenen Spartentarifvertrag (Fahrpersonaltarifvertrag) abschließe, werde der mit Transnet und GDBA vereinbarte Tarifvertrag automatisch ungültig. Das war blanke Erpressung mit dem Ziel, die Lokführer in die Knie zu zwingen.

Auf Anraten von Transnet-Chef Norbert Hansen, der als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ein dickes Gehalt der Bahn AG einstreicht, schickte der Bahnvorstand daraufhin ein Schreiben an alle 136.000 Beschäftigten mit der Aufforderung, mitzuteilen ob sie in einer Gewerkschaft organisiert sind, und wenn ja in welcher. Denn die Mitglieder der Lokführergewerkschaft sollen die Auszahlung der 600 Euro und die Tariferhöhung nicht erhalten.

In Zusammenarbeit mit den Rechtexperten von Transnet hat die Bahn AG nun die Lokführergewerkschaft mit einer Klageflut überzogen. In acht gerichtlichen Verfahren will die Bahn der Gewerkschaft per einstweiliger Anordnung verbieten lassen, zum Arbeitskampf aufzurufen. In einem neunten Verfahren strebt sie ein Verbot der laufenden Urabstimmung an.

"Das ist unerhört, denn Urabstimmungen gehören zur Demokratie", kommentierte die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Wochenende. Unerhört ist aber nicht nur das Vorgehen von Bahnchef Mehdorn, sondern ebenso von Transnet und dem DGB. Diese Gewerkschaften unterstützen und beteiligen sich direkt an der Kriminalisierung von Arbeitskampfmaßnahmen. Das ist eine neue Dimension in der Rechtswende der Gewerkschaften.

Falls die Gerichte in den kommenden Tagen die Streikvorbereitungen für rechtswidrig erklären und Polizeieinheiten die Urabstimmungsboxen beschlagnahmen, tun sie das mit ausdrücklicher Unterstützung des DGB. Lokführer oder Zugbegleiter, die sich dem widersetzen und ihr grundlegendes demokratisches Recht auf Streik verteidigen, sollen vor Gericht gestellt und zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist es, was Transnet und DGB fordern.

Diese Rechtsentwicklung des DGB und seiner Einzelgewerkschaften hat weit reichende politische Implikationen und ist nicht auf den gegenwärtigen Tarifkampf bei der Bahn beschränkt. Die Lokführer haben nichts anderes getan, als völlig berechtigte Forderungen zu stellen, die sich an den steigenden Lebenshaltungskosten und schwierigen Arbeitsbedingungen orientieren. Sie haben sich dabei - zumindest bisher - dem reaktionären Machtkartell von Regierung, Unternehmern und Gewerkschaften widersetzt, das im Interesse der Profitwirtschaft immer neue und immer einschneidendere Sozialkürzungen durchsetzt.

Das werden in Zukunft auch andere Teile der Arbeiterklasse tun. Die unsoziale Politik der Großen Koalition ist zutiefst verhasst und stößt in der Bevölkerung auf wachsende Ablehnung. Der Widerstand dagegen kann sich nicht parlamentarisch entfalten, weil alle Parteien in den Grundfragen gleichgeschaltet sind und die Interessen der herrschenden Elite vertreten. Also wird der Widerstand außerparlamentarische Formen annehmen und sich auch unabhängig von den ausgetretenen Pfaden der Sozialpartnerschaft entwickeln.

Der DGB hat deutlich gemacht, dass er eine solche Entwicklung mit aller Macht verhindern will. Er bietet sich als zentrale Ordnungsmacht an, um jede selbstständige Regung von Arbeitern im Keim zu ersticken oder mit Hilfe der Staatsmacht zu unterdrücken. Das ist die wirkliche Bedeutung der gewerkschaftlichen Unterstützung für die juristische Kampagne gegen den Arbeitskampf der Lokführer.

Auf der anderen Seite sind sich die Lokführer selbst über die politischen Dimensionen ihres Tarifkampfs nicht im Klaren. Die GDL versucht die Auseinandersetzung wie einen "normalen Tarifstreit" zu führen, wobei sie die Schlüsselstellung der Lokführer nutzen will, um einen besseren Abschluss zu erreichen als Transnet. Außerdem versucht die Gewerkschaftsspitze um GDL-Chef Manfred Schell die gegenwärtigen politischen Spannungen, die in allen Parteien über die Privatisierung der Bahn bestehen, auszunutzen, um einen Abschluss zu erreichen, der nicht nur die Lokführer zufrieden stellt, sondern die Existenz der eigenen Gewerkschaft und ihres Funktionärsapparat rechtfertigt und erhält.

Doch die Flut der gerichtlichen Klagen, massive Verbotsdrohungen und die Erpressung von Seiten des DGB, machen klar, dass es sich um eine politische Auseinandersetzung handelt. Die Gegner des Streiks betrachten den Kampf der Lokführer als Ankündigung größerer sozialer Konflikte und wollen mit ihren Attacken jeden Widerstand gegen die Große Koalition einschüchtern und verhindern.

Folglich müssen auch die Lokführer ihren Tarifkampf in größerem politischem Zusammenhang sehen und zum Ausgangspunkt für eine breite politische Bewegung gegen die Große Koalition machen. Dazu ist es notwendig, die Streikbrecherrolle von Transnet und DGB ins Zentrum der Auseinandersetzung zu stellen. Die Lokführer sollten sich an die Mitglieder der anderen Bahngewerkschaften wenden und sie gegen die Streikbrecheraktivitäten von Transnet-Chef Hansen und Co. mobilisieren. In einem gemeinsamen Kampf gegen die Bahn AG, der sich auch gegen die weitere Privatisierung richtet, die gegenwärtig von Verkehrsminister Tiefensee (SPD) mit Hochdruck vorangetrieben wird, sollten sie ihre betriebsbedingte Streikkraft im Interesse aller Beschäftigten einsetzen.

Vor allem aber ist es notwendig, mit der opportunistischen Politik der Sozialpartnerschaft zu brechen und sich einer sozialistischen Perspektive zuzuwenden, die die Bedürfnisse der Bevölkerung höher stellt als die Profitinteressen der Wirtschaft.

Siehe auch:
Lokführer-Streik: Eine Frage der politischen Perspektive
(19. Juli 2007)
Lokführer kämpfen an zwei Fronten
( 11. Juli 2007)
Bahnstreik und Lehren aus Telekom: Baut eine breite Bewegung gegen die Große Koalition auf!
( 6. Juli 2007)
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