Prodis Haushalt: ein Angriff auf die italienische Arbeiterklasse

Der Haushalt 2008, den die Regierung Prodi Ende September verabschiedet hat, ist ein massiver und zynischer Angriff auf den Lebensstandard von Millionen italienischer Arbeiter. Die sozialen Errungenschaften von Jahrzehnten werden systematisch demontiert, während eine schmale Unternehmeroligarchie enorme Profite anhäuft.

Die so genannte radikale Linke, bestehend aus Rifondazione Communista (PRC) und den Italienischen Kommunisten (PdCI), übt bisher nur verhaltene Kritik an einigen besonders krassen Auswüchsen, z.B. an der "Reform" der Renten und des Sozialwesens. Von keiner Partei werden irgendwelche Schritte unternommen, die eine reibungslose Verabschiedung durch das Parlament gefährden könnten.

Weit davon entfernt, die Existenz der Regierung von so lebenswichtigen Fragen wie Renten, Sozialhilfe, Gesundheitsversorgung, öffentlichen Ausgaben, Arbeitsplatzsicherheit oder demokratischen Rechten abhängig zu machen, bilden die "linken" Parteien die letzte Stütze einer Regierung, deren Politik den Interessen der Arbeiterklasse direkt zuwider läuft.

Der Haushalt Prodis begrenzt das staatliche Defizit auf 2,3 Prozent und die Steuerlast auf 43 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2007. Für die kommenden drei Jahre werden sogar noch bessere Werte versprochen, und bis 2011 sollen die Primärausgaben, die 2007 noch 39,9 Prozent des BIPs betragen, auf 38,6 Prozent sinken.

Das Herzstück des Haushalts besteht aus zwei Bestandteilen, die weltweit für den Neoliberalismus kennzeichnend sind: Das sind einerseits Steuernsenkungen, andererseits die Zerschlagung öffentlicher Ausgaben. Von der Steuersenkung profitieren die großen und mittleren Unternehmen. Die Körperschaftssteuer IRES (Imposta sul Reddito delle Società) wird ganz erheblich, von 33 auf 27,5 Prozent reduziert, und eine zweite regionale Steuer namens IRAP (Imposta Regionale sulle Attività Produttive) wird von 4,25 aus 3,9 Prozent abgesenkt.

Am andern Ende der sozialen Leiter werden schätzungsweise 12,5 Millionen Italiener, über zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung, je eine einmalige Gutschrift von 150 Euro erhalten. Eine solche "Leistung" kann aber nur bekommen, wer überhaupt keine Steuern bezahlen muss, weil sein Einkommen zu niedrig ist. Die Einkommensgrenze liegt nach Angaben der Zeitung Il Messaggero bei 700 Euro monatlich für abhängig Beschäftigte und 4.800 Euro jährlich für Selbständige.

Eine weitere Senkung wird bei der ICI (Imposta Comunale sugli Immobili), einer kommunalen Grundsteuer, wirksam. Hier erhalten Eigenheimbesitzer für das erste eigene Haus eine zusätzliche ganzjährige Steuererleichterung von 200 Euro, während Mieter mit einer Steuersenkung von 300 Euro rechnen können. Falls sie ein Jahreseinkommen von über 15.494 Euro, aber unter 30,987 Euro beziehen, beträgt die Reduzierung noch 150 Euro.

Nur ein Bereich, die "Sicherheit der Nation", wird von den Sparmaßnahmen ausgenommen. An diesem Dauerthema ist leicht zu erkennen, dass die Prodi-Regierung fest am "Krieg gegen den Terror" und an repressiven und undemokratischen Maßnahmen gegen Einwanderer festhält. Es werden mindestens 4.500 neue Polizisten, 1.000 zusätzliche Steuerbeamte und 200 neue Gefängniswärter eingestellt, und das entsprechende Budget wird von 7,33 Mrd. Euro auf 7,55 Mrd. Euro erhöht. Während dieser Teil des Haushalts einen kräftigen Schub erhält, werden die Sozialausgaben insgesamt um über 4,5 Mrd. Euro gesenkt.

Die italienische Gesellschaft wird ständig älter, sowohl relativ als auch absolut, und die Geburtenrate hinkt hinter der Sterblichkeitsrate her. So kommen 8,54 Geburten und 10,5 Todesfälle auf 1.000 Menschen. Das Durchschnittsalter steigt, wobei zwanzig Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sind. Betrachtet man diese gesellschaftliche Entwicklung, müsste der Staat eigentlich der technisch fortschrittlichsten Gesundheitsversorgung und der Altenpflege Priorität einräumen. Stattdessen werden beide Bereiche vernachlässigt, und man überlässt es mehr und mehr jedem Einzelnen, Vorsorge zu treffen.

Ein weiteres, stark unterfinanziertes Feld ist die Bildung. Ähnlich wie in den USA in den ersten Jahren der Bush-Regierung, gewährt Prodi einzelnen, ausgewählten Studenten eine geringe Summe für den Bücherkauf. Das ist Ausdruck der Tendenz der Regierung, den Bildungssektor zu privatisieren, während am nötigen Geld für den Aufbau und Unterhalt eines ausreichenden und zeitgemäßen allgemeinen Schulsystems gespart wird.

Der Druck der internationalen Finanzkrise nach dem Zusammenbruch des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkts und dem Bankrott mehrer Bankhäuser in Deutschland und England hat in italienischen Regierungskreisen und besonders bei den Industriekapitänen große Sorgen hervorgerufen. Luca Cordero die Montezemolo, der frühere Ferrari-Präsident, heutige FIAT-Chef und Führer des Unternehmerverbandes Confindustria, hat den neuen Haushalt unverzüglich als "Schritt in die richtige Richtung" gelobt.

Der Prodi-Haushalt ist nicht in der Lage, den Bedürfnissen von Millionen bedrängten Arbeitern gerecht zu werden. Viele Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst laufen aus und werden nicht erneuert, weil die Regierung angeblich kein Geld mehr hat. Prekäre Arbeitsplätze werden nicht abgesichert, und die Zukunft Zehntausender Familien ist ungewiss. Dieses Vorgehen ist kein Zufall. Die Regierung versucht, die Auswirkungen der Haushaltskürzungen zu verzögern, d.h. sie verabreicht das Gift tropfenweise. Letztlich werden die Konsequenzen für die Arbeiterklasse verheerend sein.

Öffentliche Angestellte erhalten keine Gehaltserhöhung oder Steuerbegünstigung. Befristete Arbeitsplätze, die jetzt "Saisonarbeitsplätze" heißen, sind auf höchstens drei Monate begrenzt und können nicht verlängert werden, wie Il Messaggero schreibt. So haben befristete Arbeitsplätze nach diesem Haushalt nicht nur keine Chance auf Normalisierung, sondern sind auch nach Beendigung der Frist nicht erneuerbar.

Die Komplizenschaft der radikalen Linken, bestehend aus Rifondazione (PRC), den Grünen (Verdi) und den stalinistischen Italienischen Kommunisten (PdCI), war vorauszusehen. Ihre inhaltlich unbedeutende Beteiligung an der Ausformulierung des Gesetzes stellt sicher, dass es den Senat passieren wird. Jetzt brüsten sie sich beispielsweise mit der unzulänglichen Summe von 400 Mio. Euro für Behindertenwohnungen oder der Pflanzung von tausend Bäumen gegen Luftverschmutzung. In Wirklichkeit sorgen sie nur für das notwendige Feigenblatt, das die reaktionären Aspekte des Haushalts abdeckt.

Sie behaupten, man müsse das "kleinere Übel" wählen und Prodi unterstützen, um Berlusconi zu verhindern. Also blockieren sie bewusst jeden wirklichen Kampf gegen das Profitsystem - die wahre Ursache der Angriffe auf die Arbeiterklasse - und dessen Repräsentanten.

Am 14. Oktober hält die neu gegründete Demokratische Partei (Partito Democratico, PD) ihre Vorwahlen ab. Die PD ist ein Zusammenschluss aus den Linksdemokraten (Democratici di Sinistra) und der hauptsächlich aus Ex-Christdemokraten bestehenden Margherita. An ihren Vorwahlen können alle über 16-Jährigen teilnehmen, was offensichtlich ein Versuch ist, die Unzufriedenheit großer Teile der Jugend in eine politische Sackgasse zu lenken. Für Unruhe unter der Jugend sorgen der Krieg, der Mangel an vernünftigen Arbeitsplätzen, der Niedergang des Bildungssystems und die sozialen Spannungen.

Die Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL haben für den 26. Oktober einen achtstündigen Streik angekündigt, der von den radikalen Linken unterstützt wird. Arbeiter sollten aber keine Illusionen in solche formalen Proteste hegen, die von den gleichen Gewerkschaften und Parteien organisiert werden, die schon in der Rentenfrage und der Sozialhilfe kapituliert haben.

Für die italienische wie für die internationale Arbeiterklasse gibt es nur einen politischen Weg vorwärts: eine Mobilisierung, die sich auf eine internationale sozialistische Perspektive stützt und von allen bürgerlichen und pseudolinken Handlangern des Profitsystems unabhängig ist.

Siehe auch:
Prodi vollendet was Berlusconi begonnen hat
(10. August 2007)
Die ehemalige Kommunistische Partei Italiens rückt weiter nach rechts
(10. Mai 2007)
Eine Rebellion auf den Knien - der italienische Senat spricht Romano Prodi sein Vertrauen aus
(2. Mai 2007)
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