Großbritannien: Brown steht in der Europa- und Iranfrage an der Seite der USA

Außenpolitische Festlegungen, die nach dem Irak-Desaster Tony Blairs als Beweis für neue Visionen von Premierminister Gordon Brown dienen sollten, haben lediglich die tiefe Misere unterstrichen, in der seine Regierung steckt.

Der Premierminister enttäuschte nicht nur jene in den herrschenden Kreisen und den Medien, die sich eine größere Distanz zu Washington wünschen, er brachte es auch fertig, fraktionelle Differenzen im Kabinett hervorzurufen.

Dies gelang ihm mit einer Rede, die er vergangene Woche beim Lord Mayor’s Bankett im Mansion Haus hielt. Neben lauter Banalitäten legte er ein Loyalitätsbekenntnis zu Washington ab, verknüpft mit der Forderung nach scharfen Sanktionen gegen den Iran und der Weigerung, einen Militäreinsatz auszuschließen.

Der Rest war aufgewärmte Blairsche Rhetorik. Außenpolitik ist "hart gesottener Internationalismus", bedingt durch die Vernetzung von Weltwirtschaft und Politik, und die gemeinsame Bedrohung durch gescheiterte und Schurkenstaaten, durch Terrorismus, Klimawandel etc. Es ist die gleiche Rhetorik, mit der schon Blair die Durchsetzung britischer imperialistischer Ambitionen und Interessen zu rechtfertigen versuchte.

Browns Fürsprecher versuchten nach besten Kräften, die Illusion eines Richtungswechsels zu retten. Der Independent entdeckte eine neue Orientierung auf Europa hin. Der Guardian schwadronierte über "unterschiedliche internationale Agenden" von Brown und Blair, hielt dann aber plötzlich inne - und fügte ein paar Abschnitte weiter hinzu: "Eigentlich unterscheidet sich die Weltanschauung nicht sehr von der, welche Blair immer vertrat." Er beschwerte sich sogar, dass die Ansprache "wenig Neues über Themen wie den Iran, den Nahen Osten oder Pakistan enthielt" und dass es "eine bedenkliche Lücke an der Stelle der Rede gab, wo eigentlich die Europapolitik hingehört hätte".

Browns Stellungnahme zu den USA war für die Ohren der Regierung Bush gedacht. "Es ist kein Geheimnis, dass ich mein ganzes Leben lang die USA bewundert habe", sagte er. "Ich habe nichts mit antiamerikanischen Strömungen in Großbritannien oder sonst wo in Europa zu tun und ich glaube, dass unsere Bande mit Amerika - die auf gemeinsamen Wertesystemen basieren - unsere wichtigste bilaterale Beziehung ist."

Brown wünscht sich eine Stärkung der Europäischen Union und eine Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, um Japan, Indien, Brasilien, Deutschland und einige afrikanische Länder in den Rat aufzunehmen. Aber diese Bemühungen um eine "multipolare Welt" und um größere Mitspracherechte für die europäischen Mächte in globalen Fragen beruhen auf der Gefolgschaft gegenüber Washington. Er sagte, es sei "gut für Großbritannien, für Europa und die Welt, wenn Frankreich, Deutschland und die Europäische Union stärkere Beziehungen mit den USA aufbauen. Das 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass die Instabilität größer wird, wenn sich Europa und Amerika voneinander entfernen. Entwickeln sich Partnerschaften, stärkt das die Welt."

Auch in Bezug auf den Iran wollte er den USA gefällig sein und sagte: "Die Nuklearpläne des Iran sind die derzeit größte Herausforderung für die Bemühungen um Abrüstung .... Der Iran hat die Wahl - entweder Konfrontation mit der Weltgemeinschaft, die zu einer Verschärfung der Sanktionen führt, oder eine gewandelte Beziehung zur Welt, wenn er sein Verhalten ändert und aufhört, den Terrorismus zu unterstützen."

Falls Teheran es jedoch versäume, auf zufrieden stellende Weise zu zeigen, dass es nicht nach der Herstellung von Nuklearwaffen strebt, "werden wir, sowohl in der UNO als auch in der Europäischen Union an führender Stelle dafür eintreten, die Sanktionen auch auf die Investitionen bei Gas und Öl und den Finanzsektor auszudehnen. Der Iran sollte an der Ernsthaftigkeit unserer Vorhaben keinerlei Zweifel hegen."

Zweifellos würde es Brown gerne sehen, wenn die europäischen Mächte in der besten aller möglichen Welten als Gegengewicht zu den USA auftreten könnten, und will nicht, dass das Pentagon oder sein Stellvertreter Israel eine militärische Offensive beginnen. Aber er ist mit den gleichen Zwängen konfrontiert wie sein Vorgänger, der seine eigenen Beziehungen zur Regierung Bush mit der Behauptung zu rechtfertigen versuchte, Großbritannien fungiere als "Brücke" zwischen den USA und Europa, und er könne durch die Unterstützung Washingtons in Afghanistan und dem Irak einen dämpfenden Einfluss ausüben und so sicherstellen, dass Amerika in multilateralen Institutionen, wie der UN, eingebunden bliebe.

Heute sagt Brown nichts anderes - und kann es auch gar nicht.

Nicht nur die USA, auch Großbritannien wurde durch den Irakkrieg schwer destabilisiert. In den USA ist zusätzlich noch die Wirtschaft geschwächt, wodurch Europas Handlungsmöglichkeiten erweitert sind. Aber Europa reagiert darauf mit dem Versuch, die außenpolitischen Beziehungen zu den USA zu seinen Gunsten zu verbessern, und nicht, die UA offen herauszufordern.

Brown mag die derzeitige Annäherung Nicolas Sarkozys und Angela Merkels an die USA begrüßen, wird aber in Wirklichkeit befürchten, seinen Status als Amerikas Hauptverbündeter in Europa zu verlieren - und damit die Position, die es London bisher ermöglicht hat, mit mehr Pfunden zu wuchern, als es tatsächlich besitzt.

Risse in der - nicht so - ‚besonderen Beziehung’ wurden schon sichtbar, als Brown beschloss, die britische Truppenpräsenz im Irak zu reduzieren und dies offene Kritik von wichtigen Beratern in der Bush-Regierung an der britischen Armee nach sich zog. Die Aussage seines Ministers Lord Malloch Brown, dass Großbritannien nicht mehr, wie unter Blair, "ein Anhängsel" Washingtons sei, sorgte für bittere Vorwürfe, die Brown seither zu entkräften versucht.

Neben der Weigerung Browns, in der Frage der Anwendung militärischer Gewalt gegen den Iran Flagge zu zeigen, sorgte auch sein ständiger Rückzug auf die vage Aussage, "ich schließe nichts aus" für Verstimmung in Washington.

Im konservativen Sunday Telegraph äußerten "Verbündete der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice" einen Tag vor der Rede Browns öffentlich ihre Verärgerung. Sie ließen über den Telegraph wissen, "Brown solle es dem französischen Präsidenten Sarkozy nachtun und den Iran vor einer militärischen Aktion warnen, damit ein Krieg im Nahen Osten verhindert werden kann."

"Diese Befürchtungen," so der Telegraph, "weisen auf wachsende Irritationen in Washington hin, die bis ins Weiße Haus reichen, dass Brown seinen eher scharfen Formulierungen über den Iran in privaten Gesprächen keine klaren öffentlichen Stellungnahmen folgen lässt, die Druck auf Teheran ausüben können.

Beamte des Weißen Hauses beschuldigen ihn der Doppelzüngigkeit, da er privat Unterstützung angeboten, dann jedoch wichtige Minister dazu gedrängt habe, sich in der Öffentlichkeit von der Bush-Regierung zu distanzieren.... Sarkozy dagegen habe deutlich gemacht, dass es zum Krieg kommen werde."

Zu den Auswirkungen des Tauwetters zwischen Paris und Washington erklärte Nile Gardner, ehemaliger Berater von Margret Thatcher und jetzt bei der Heritage Stiftung tätig, dem Telegraph : "Großbritannien verliert nach Tony Blair mit Sicherheit Einfluss in Washington. Das Profil Browns ist hier nicht wahrnehmbar. Man sollte sich in London damit beschäftigen, dass Frankreich auf traditionell britischem Territorium die Muskeln spielen lässt."

Sicherlich war dies ein Grund dafür, dass Brown die Rede seines Außenministers David Miliband über die Europäische Union noch einmal überarbeiten ließ.

Miliband mahnte in einer Rede am 15. November im College von Brügge den Aufbau kontinentaler Verteidigungskräfte an. Europa sei an einer "Weggabelung" angekommen und könne zusammenbrechen, wenn es sich weigere, seinen wirtschaftlichen Einfluss im Ausland geltend zu machen und sein Militär einzusetzen. Brown griff wenige Stunden vor Milibands Redetermin persönlich ein, um Passagen, die er als zu europafreundlich betrachtete, streichen zu lassen.

Wie die Times berichtete, wies Brown Miliband an, Hinweise auf eine "Charta europäischer Militärkräfte" zu streichen, die Ziele für Investitionen, Forschung und Ausbildung festlegten, die Ähnlichkeit mit Sarkozys Vorschlägen aufwiesen.

Der Hinweis auf Europas "Fähigkeit, Standards für den Rest der Welt zu setzen", wurde wieder herausgenommen, und die Erklärung, Europa solle eine "Modellmacht" werden, wurde abgeändert in "regionale Modellmacht".

Den Zeitungen war auch zugespielt worden, dass Miliband vorschlagen wollte, den Europäischen Markt bis 2030 auf Nordafrika und den Nahen Osten auszudehnen. Diese Ambitionen wurden auf eine Freihandelszone für die "Länder der Maghrebzone" zusammengestrichen.

Am Ende bestätigte die Rede keine neue Orientierung auf Europa, sondern sah eher wie eine lineare Fortsetzung der euroskeptischen Aussagen aus, die Margret Thatcher 1988 am gleichen Ort gemacht hatte, und die er zu Beginn seiner Rede sogar zitierte.

"Heute gibt es auf der Welt nur eine Supermacht - die Vereinigten Staaten", sagte er. "Wenn auch andere am Horizont auftauchen, wie China oder Indien, so besitzen die USA dennoch eine riesige wirtschaftliche, soziale, kulturelle und militärische Stärke."

Im Gegensatz dazu "ist die EU keine Supermacht und wird nie eine sein" und wird auch "nie das schnelle Tempo oder die finanzielle Basis für eine dominierende Rolle haben. Fakt ist, dass Europa wirtschaftlich und demographisch in der Welt von 2050 bedeutungsloser sein wird als es in der Welt von 1950 war."

Der Bericht der Times über diesen Vorfall zeichnet ein vielsagendes Bild von der Abhängigkeit Großbritanniens von den USA und erwähnt auch, dass "es auf David Milibands Schreibtisch im Auswärtigen Amt zwei Telefone gibt. Eines ist ein Standardmodell, mit dem er zu Hause anruft, um von seiner Frau regelmäßige Berichte über ihr frisch adoptiertes Baby zu erhalten.

Das andere, ‘Brent’ benannt, ist eine sichere Leitung. Es hat zwei Kurzwahlen einprogrammiert. Die erste führt direkt zu Condoleezza Rice, der amerikanischen Außenministerin (obwohl auf dem Knopf immer noch der Name ihres Vorgängers Colin Powell steht), die zweite führt direkt zu Nr. 10." (Downing Street, Nr.10, der Amtssitz von Premierminister Brown)

In diesem Fall sprachen die beiden Herren Milibands mit einer Stimme, um ihn gefügig zu machen.

Die Wochenendausgabe sprach des Observer sogar von einer "Spaltung zwischen Downing Street und dem Auswärtigen Amt, die bis zur Ernennung des freimütigen Lord Malloch Brown zum Staatsekretär zurückreicht."

"Freunde von Miliband, der nicht zum ‚engeren Kreis’ Browns gehört, sagen, dass Miliband immer missmutiger wird", schreibt die Zeitung weiter.

Blair und seine Getreuen versuchen, Kapital aus Browns Schwierigkeiten zu schlagen.

Blair besuchte letzte Woche Milibands Wahlkreis in South Shields, wo er von einem Lokalreporter gefragt wurde, ob Miliband sein Erbe antreten werde. Blair fragte Miliband: "Soll ich das beantworten?", und sagte dem Journalisten dann: "Ich bin sehr stolz auf ihn. Es ist eine großartige Leistung, Außenminister zu werden, aber das Weitere ist Davids Entscheidung."

Nach Browns erniedrigender Entscheidung, Neuwahlen abzusagen, weil er schwere Verluste befürchtete, wird dieses neuerliche Gezänk die inneren Parteikämpfe unvermeidlich verstärken.

Die Medien reagierten auf Browns Rede mit Spekulationen, wie eng Großbritannien bei einem Krieg gegen den Iran an die Seite der USA gezwungen werde. An der politischen Front, an der die Konservativen mit Labour um die unnachgiebigste Position zum Iran konkurrieren, kam das fast nicht zum Ausdruck. Nick Clegg, der sich um die Führung der Liberaldemokraten bewirbt, schrieb an Brown und warnte ihn davor, Großbritannien "schlafwandelnd" in einen Konflikt mit dem Iran zu führen, und forderte ihn auf, eine Unterstützung von Militäraktionen der USA explizit auszuschließen.

"Da sich Präsident Bush dem Ende seiner Amtszeit nähert, darf seine Regierung nicht im Zweifel darüber gelassen werden, dass eine Militäraktion auf den letzten Drücker von Großbritannien nicht unterstützt werden wird", schrieb Clegg. Er merkte an, dass "das Kriegstrommeln für den Irakkrieg mit einem ähnlichen Säbelrasseln von Präsident Bush begann", und dass es so scheint, als sei Brown, "ohne Gespür für die Prioritäten britischer Außenpolitik", noch einmal bereit, Bush einen "Blankoscheck" für die Verfolgung seiner aggressiven Politik auszustellen.

Siehe auch:
Amerikanische Befürchtungen über britischen Abzug aus Basra verschärfen transatlantische Spannungen
(31. August 2007)
Blairs Auslandsreise wirft Schlaglicht auf militärische Krise in Afghanistan
(28. November 2006)
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