Die Privatisierung der Bahn und der Lokführerstreik

Der Konflikt zwischen den Lokführern und der Deutschen Bahn AG findet vor dem Hintergrund der geplanten Privatisierung der Bahn statt. Das erklärt die Hartnäckigkeit, mit der das Bahn-Management unter Hartmut Mehdorn jedes Zugeständnis an die Lokführer verweigert.

Mit der Privatisierung soll ein staatliches Dienstleistungsunternehmen, das über Jahrzehnte hinweg mit Steuergeldern aufgebaut wurde, in ein lukratives Anlageobjekt für private Investoren und in ein global tätiges Logistikunternehmen verwandelt werden. Niedrige Löhne und Sozialstandards sind dabei unabdingbar. Die von den privaten Investoren erwarteten hohen Renditen lassen sich nur auf Kosten der Belegschaft und jener Leistungen erreichen, die die Bahn bisher im Interesse der Allgemeinheit erbracht hat.

Der Streik der Lokführer kommt da denkbar ungelegen. Damit der Börsengang zum Erfolg wird, muss die Bahn den Anlegern beweisen, dass sie über eine folgsame und unterwürfige Belegschaft verfügt.

Die Verwandlung der Bahn

Der Börsengang der Bahn, über dessen Form und Zeitpunkt noch gestritten wird, ist nur der letzte Schritt der Verwandlung der Bahn in ein Unternehmen, das ausschließlich dem Profit verpflichtet ist. Die heutige Deutsche Bahn AG befindet sich zwar noch in staatlichem Besitz, doch mit der Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn der DDR - zwei staatlichen Behörden, die Anfang der 1990er Jahre zusammengelegt wurden - hat sie nur noch entfernte Ähnlichkeit.

Die Verwandlung der Staatsbahnen in international tätige Privatunternehmen ist eine gesamteuropäische Entwicklung, die unter Federführung der Europäischen Union vorangetrieben wird. Daraus ergibt sich auch die internationale Dimension des Lokführerstreiks. Mehdorn will mit seiner Unnachgiebigkeit gegenüber den Lokführern nicht nur für alle Bahnbeschäftigten in Deutschland ein Exempel statuieren, er will auch Lohnforderungen in allen anderen Ländern einen Riegel vorschieben. In Frankreich haben die Eisenbahner erst kürzlich neun Tage lang für die Verteidigung ihrer Renten gestreikt.

1991 verabschiedete der Ministerrat der EU die Richtlinie 91/440/EWG, die unter den Schlagwörtern "Liberalisierung" und "Deregulierung" den Auftakt für die europaweite Umwandlung der Staatsbahnen in privatwirtschaftliche Unternehmen bildete. Sie verpflichtete die Mitgliedsländer, die Eisenbahnunternehmen an den Grundsätzen der Wettbewerbsfähigkeit auszurichten, ihre Rechnungsführung vom Staatshaushalt zu trennen, anderen Unternehmen Zugang zum Schienennetz zu gewähren und die Buchführung für die Infrastruktur und den Bahnverkehr voneinander zu trennen - eine Grundvoraussetzung für den Wettbewerb auf der Schiene.

Die unmittelbare Folge dieser Richtlinie war ein Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen. In den folgenden sieben Jahren wurden die Bahnbelegschaften in Dänemark und Schweden um jeweils 47 Prozent reduziert, in Italien verloren 41 Prozent der Beschäftigten ihren Arbeitsplatz, in Frankreich waren es "nur" 13,4 Prozent.

In Deutschland fand die EU-Richtlinie Eingang in das Eisenbahnneuordnungsgesetz von 1994, das keinen Stein auf dem anderen ließ. Neben der Ausgliederung unrentabler Bereiche, Rationalisierungsmaßnahmen, Personalabbau, Lohnsenkungen und der Einführung technischer Erneuerungen wurden neue, international tätige Unternehmensbereiche im Fernverkehr, Gütertransport und der Logistik geschaffen oder hinzugekauft.

In einer zweiten Stufe der Bahnreform wurden 1999 die einzelnen, noch heute agierenden Geschäftsbereiche in Aktiengesellschaften in Staatsbesitz umgewandelt: Fernverkehr, Regio (Nahverkehr), Railon (Güterverkehr), Netz (Fahrweg) sowie Station & Service (Personenbahnhöfe).

Im Rahmen der Bahnreform wurden die Beamten ausgegliedert und einer neuen Behörde (Bundeseisenbahnvermögen) unterstellt. Da danach keine Neueinstellungen ins Beamtenverhältnis mehr erfolgten, entledigte man sich so der "teuren" Bahnbeamten. Im Jahr 2000 war nur noch ein Viertel übrig.

Insgesamt fiel über die Hälfte aller Arbeitsplätze bei der Bahn weg: Die Zahl der Bahnbeschäftigten sank von 482.300 im Jahr 1990 auf 294.000 im Jahr 1995 und 209.600 im Jahr 1998. Im Rahmen der globalen Expansion des Unternehmens nahm die Beschäftigtenzahl zwar zwischenzeitlich wieder zu - auf 242.000 im Jahr 2003. Setzt man die Zahl der Beschäftigten jedoch in Beziehung zum Umsatz, so wird deutlich, dass das Unternehmen die Personaleinsparungen fortsetzt. Von 2003 bis 2006 stieg der weltweite Umsatz von 23,03 auf 30,1 Milliarden Euro, während die Beschäftigtenzahl im gleichen Zeitraum um nahezu 14.000 auf 229.000 sank.

Auch die Löhne der Bahnbeschäftigten sanken kontinuierlich. Wie weit dies inzwischen vorangeschritten ist, zeigt ein aktueller europaweiter Vergleich. Danach verdient ein kinderloser deutscher Lokführer mit zwei Jahren Berufserfahrung monatlich 1.290 Euro netto. Nur sein polnischer Kollege erhält weniger. In der Schweiz oder in Frankreich verdient ein Lokführer ungefähr das Doppelte.

Die Regionalisierung der Bahn diente ebenfalls der Abwälzung von Kosten - diesmal auf die Bundesländer und die Verbraucher, die explosionsartig steigende Preise bezahlen müssen. Da die Zuschüsse sinken, die der Bund für den regionalen Bahnbetrieb an die Länder überweist, fürchtet der Verband "Allianz für die Schiene", dass in den kommenden vier Jahren ein weiteres Fünftel des Nahverkehrs eingestellt wird und die Fahrpreise um weitere 10 Prozent steigen.

Die Gewinne der Bahn steigen mittlerweile kräftig an. Sie erwartet in diesem Jahr einen Rekordgewinn von 2,4 Milliarden Euro, im Vergleich zu 2,1 Milliarden im Vorjahr. Vorstandschef Hartmut Mehdorn sieht deshalb den Zeitpunkt gekommen, das Unternehmen an private Investoren zu verschleudern.

Ein weltweit tätiges Unternehmen

Der Schienenverkehr macht inzwischen nur noch die Hälfte der Geschäftstätigkeit der Deutschen Bahn AG aus. Neben dem Personenfernverkehr werden der internationale Gütertransport und die globale Logistik, vorzugsweise in Billiglohnländern, systematisch ausgebaut. In diesem für private Investoren attraktivsten Geschäftsfeld wurde systematisch zugekauft, ausgebaut und modernisiert.

Ein Drittel der Umsätze wird inzwischen im Ausland getätigt. China bietet z.B. Zuwachsraten von 10 Prozent. Die international im Logistikbereich agierende Tochter Schenker expandiert durch massive Zukäufe, der bedeutendste ist der US-Logistiker BAX Global. Luft-, Land- und Seefrachtgeschäfte haben derzeit jährliche Zuwachsraten zwischen 10 und 18 Prozent. Schenker hat das größte Umsatzplus im Konzern, gefolgt vom Gütertransportunternehmen Railon, das 2006 allein in Deutschland einen Gewinn von 226 Millionen gegenüber 12 Millionen Euro im Vorjahr erzielte.

Die Deutsche Bahn ist das einzig verbliebene große Staatsunternehmen Deutschlands. Sie ist das größte Eisenbahnunternehmen Europas und mit über 200 Töchtern das zweitgrößte Transportunternehmen weltweit, nach der privatisierten Deutschen Post AG.

"Durch ihre Zukäufe und organisches Wachstum, vor allem der Fracht- und Logistikaktivitäten in Asien und Nordamerika ist die Deutsche Bahn AG...zu einem globalen Player im Logistikgeschäft avanciert", fasst eine Studie des IBM Gobal Business Service die Stellung der Deutschen Bahn zusammen. Die Studie weist darauf hin, dass die Bahn AG jetzt in der Liga spiele, in der sie für die größten Finanzinvestoren Bedeutung gewinne.

Schon haben erste Interessenten ihre Fühler ausgestreckt. So erklärte Wladimir Jakunin, Chef der Russischen Eisenbahn (RSD) mit einem der größten Streckennetze der Welt, er würde gern ein Stück der deutschen Bahn kaufen. Russische und Deutsche Bahn haben bereits ein Gemeinschaftsunternehmen für den Güterverkehr zwischen Europa und Asien gegründet.

Die weitere internationale Expansion ist das erklärte Ziel der Privatisierung. Die Milliarden, die durch die Privatisierung in die Kasse des Unternehmens gespült werden, sollen vorrangig diesem Ziel dienen.

Ein von Spiegel Online zitierter Brief, den Bahnchef Mehdorn vor einem Jahr an die SPD-Bundestagsfraktion schrieb, listet folgende Vorhaben mit den Privatisierungsgeldern auf: Erwerb frankreichtauglicher ICE-Züge, um mit der französischen Staatsbahn SNCF zu konkurrieren (900 Millionen Euro); Investitionen in Wagenmaterial, Railports, Depots sowie maritime Terminals für den wachsenden Containerverkehr (1,5 bis 2 Milliarden Euro); Erschließung strategisch wichtiger Regionen in Osteuropa, einschließlich der Übernahme ganzer Staatsbahnen (1 bis 3 Milliarden Euro); Aufbau einer transsibirischen Eisenbahnverbindung zwischen Europa und Asien in Zusammenarbeit mit der russischen Bahn (1 bis 2 Milliarden Euro); Zukäufe im weltweiten Speditions- und Logistikgeschäft (ca. 2 Milliarden Euro); S-Bahnbetrieb in Großstädten wie Prag, Lyon oder Stockholm (1 bis 2 Milliarden Euro).

Der Weg zur Privatisierung

Für die Privatisierung der Bahn gibt es unterschiedliche Modelle, die zwischen den Koalitionspartnern SPD, CDU und CSU, aber auch zwischen Bund und Ländern umstritten sind.

Das ursprüngliche, von Bahnchef Mehdorn und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee favorisierte Konzept sah vor, dass sich der Bund von maximal 49 Prozent seiner Anteile an der Bahn trennt. Das rund 34.000 Kilometer umfassende Schienennetz sollte dabei zunächst für 15 Jahre von der Bahn bewirtschaftet werden. Während dieser Zeit soll der Bund juristischer Eigentümer des Netzes bleiben und wie bislang jährlich bis zu 2,5 Milliarden Euro für Investitionen zum Erhalt und eine Milliarde Euro für den Neu- und Ausbau des Netzes ausgeben. So würden private Renditeinteressen mit jährlich 3,5 Milliarden Euro Steuergeldern subventioniert, insgesamt mehr als 52 Milliarden Euro in den vorgesehenen 15 Jahren.

Dieses Konzept stieß jedoch auf den Widerstand der Bundesländer, die erhöhte Kosten auf sich zukommen sahen. Ein von den Ländern in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zum Schluss, dass ein Börsengang zu den ursprünglich geplanten Bedingungen die Länder bis zu einer Milliarde Euro kosten könne. Mittelfristig seien außerdem 6.000 bis 10.000 Kilometer Schienennetz von Stilllegung bedroht.

Der SPD-Parteitag in Hamburg hat dann Ende Oktober das so genannte "Volksaktien"-Modell ins Spiel gebracht. Das Modell war schon frühzeitig vom Berliner Finanzsenator Thilo Sarazin (SPD) vorgeschlagen worden, um die Privatisierung gegen Widerstand von Verbraucher- und Fahrgast-Verbänden durchzusetzen. 25,1 Prozent der Bahn-Anteile sollen nach dem Sarazin-Modell in Form stimmrechtsloser Vorzugsaktien an Kleinanleger verkauft werden. Damit, so das Argument der SPD, werde verhindert, dass ein Großanleger die Bahn kontrolliere.

Nach diesem Muster war bereits die Telekom-Aktie an die Börse gebracht worden, was vielen "Volksaktionären" vor allem gehörige Verluste einbrachte. Ein Schutz der Telekombeschäftigten vor Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen hatte das "Volksaktien"-Modell dagegen nicht zur Folge. Es dient vor allem dazu, das Geld der Bevölkerung und der Beschäftigten in die Kassen des Konzerns zu leiten.

Da aber dieses Modell von der CDU/CSU abgelehnt wird, wird die Bundesregierung am 10. Dezember über das von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) favorisierte "Holding-Modell" beraten und sehr wahrscheinlich auch befürworten.

Die DB AG soll danach in zwei Holdings aufgespalten werden. In einer würde die Infrastruktur von Schienennetz, Bahnhöfen und Energieversorgung zusammengefasst (und vorerst in Bundesbesitz bleiben), in der anderen wäre der Verkehr auf der Schiene zusammengefasst, neben dem Nah- und Fernverkehr auch die Logistiksparte, wie die Speditionstochter Schenker und der Güterverkehr.

Diese Holding könnte später - etwa nach der Bundestagswahl 2009 - auch komplett verkauft werden, ohne dass es dazu einen Bundestagsbeschluss braucht. Zudem gibt es Überlegungen in der Regierung, Teile der Logistiktöchter der Bahn direkt an private Investoren zu verkaufen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Bahn-Tochter Schenker und auch die Güterverkehrssparte genannt.

Das Holding-Modell, das schon 2002 in einer Studie erstellt wurde, haben schon immer die Unternehmerverbände BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) und DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag), die FDP, die Grünen und große Teilen der CDU/CSU favorisiert. Es ist der erste Schritt zur vollständigen Privatisierung, gleichbedeutend mit der Trennung von Bahn und Netz und damit der vollständigen Zerschlagung der Bahn.

Die Gewerkschaften Transnet und GDBA sind vehemente Vertreter der Privatisierung und haben bislang alle Modelle unterstützt; das ursprüngliche von Verkehrsminister Tiefensee (SPD) und Bahnchef Mehdorn, später nach einigem Zögern das "Volksaktienmodell" der SPD und nun auch das Holding-Modell.

Der gesamte Aufsichtsrat der DB AG - einschließlich der Vertreter von Transnet und GDBA - hat sich am 15. November für das Holding-Modell ausgesprochen. Nur fünf Tage vorher hatte Transnet-Chef Norbert Hansen noch mit Streiks gegen das Holding-Modell gedroht.

Letzte Woche haben sich Transnet und GDBA außerdem kurzfristig mit der Bahn auf eine neue Lohntarifstruktur geeinigt. Ähnlich wie zuvor im öffentlichen Dienst mit dem TVÖD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) oder dem ERA (Entgelt-Rahmen-Abkommen) in der Metallindustrie ist eine leistungsabhängige Lohnsteigerung, vereinbart worden, bei der Bahn von durchschnittlich vier Prozent. Deren genaue Höhe bei den einzelnen Berufsgruppen hängt von der Qualifizierung und Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten sowie von der Belastung ab, die ihre Tätigkeit mit sich bringt.

Damit soll der GDL der Wind aus den Segeln genommen und sie gleichzeitig geködert werden. Die GDL könnte so, wieder unter dem Dach der Tarifgemeinschaft, die Verteilung der variablen vier Prozent aushandeln - eigenständig. Die so organisierte Disziplinierung der Belegschaft wäre eine der wichtigsten Voraussetzungen der bevorstehenden Privatisierung.

Folgen der Privatisierung

Zu welchen Modellen der Privatisierung sich Bundesregierung, Bahnvorstand und Gewerkschaften letztendlich auch entschließen, an ihrem grundlegenden Charakter wird dies nichts ändern. Nach der Energieversorgung, der Post und Telekommunikation sowie vielen anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge wird mit der Deutschen Bahn der letzte große Staatsbetrieb auf Kosten der Beschäftigten und der Bevölkerung privatisiert. Wie ihre Kollegen bei den ehemaligen Staatsbetrieben erwartet die Bahnbeschäftigten Sozial- und Lohndumping sowie ein weiterer Arbeitsplatzabbau, die Rede ist von bis zu 80.000 Stellen.

Öffentliches Eigentum in Milliardenhöhe - über Jahrzehnte durch Steuergelder aufgebaut - soll an die internationale Finanzelite und ihre Manager, die dafür Millionen einstreichen, verschleudert werden. So wird der Wert der Transport- und Logistikgesellschaften laut offizieller Statistik des Bundesverkehrsministeriums auf 55 Milliarden Euro taxiert. Die Bahn und der Bund erwarten aus dem Verkauf von knapp 50 Prozent der Anteile 4 bis 6,5 Milliarden Euro. Mit anderen Worten, mehr als 20 Milliarden Euro werden an private Investoren verschenkt.

Zudem werden die zukünftigen Eigentümer mit Subventionen aus Steuergeldern versorgt. Mindestens 10 Milliarden Euro sollen jedes Jahr in die zur Privatisierung vorgesehenen Bereiche fließen. Trotzdem müssen die Bahnbenutzer mit weiteren Streckenstilllegungen und Fahrpreiserhöhungen rechnen.

Laut einem von der Frankfurter Rundschau zitierten Gutachten der US-Bank Morgan Stanley haben DB-Experten drei Szenarien durchkalkuliert. Das niedrigste rechnet mit der Stilllegung von 2.630 Streckenkilometern, das höchste mit 14.000 Kilometern. Dies würde das Aus von mehr als 40 Prozent des heutigen 34.000 Kilometer umfassenden Netzes bedeuten.

Und falls über kurz oder lang alle Bereiche der Bahn privatisiert werden, werden einige diese Bereicherungsorgie auch mit dem Leben bezahlen. Die Bahn solle laut Gutachten von Morgan Stanley nach dem Einstieg privater Geldgeber den Zustand der Gleise und Bahnhöfe nur auf "ausreichendem" Niveau halten. Das gelte für Betriebs- wie für Sicherheitstechnik. Gleichzeitig müsse der Konzern bei den Ausgaben für die Wartung radikal sparen, schreibt die Frankfurter Rundschau weiter. Mit anderen Worten: Die Sicherheit der Fahrgäste wird den Rendite-Interessen der Investoren geopfert.

Es lohnt sich, einen kurzen Blick auf die Erfahrungen der Bahnprivatisierung in Großbritannien zu werfen. 1994 übernahm das private Unternehmen Railtrack die Kontrolle über die Bahninfrastruktur der sich in Auflösung befindlichen Staatsbahn British Rail: Gleise, Signale, Tunnel, Brücken, Bahnübergänge und einige Bahnhöfe.

Zwei Jahre später wurden die Aktien des Unternehmens an der Londoner Börse gehandelt. Railtrack sparte vor allem bei sicherheitsrelevanten Instandhaltungsarbeiten der Gleise. Die Folge waren schwere Zugunglücke mit 41 Toten und mehreren Hundert Verletzten. Nach dem Zugunglück von Hatfield im Oktober 2000 (vier Tote, 70 Verletzte) mussten die Schienen auf dem gesamten Streckennetz auf Bruchstellen hin untersucht und ersetzt werden. Mit einem Schuldenberg von 748 Millionen Euro bat Railtrack bei der britischen Regierung um Subventionen und erhielt sie. Das hielt das Unternehmen nicht davon ab, nur ein halbes Jahr später, im Mai 2001, Dividenden in Höhe von 192 Millionen Euro an die Aktionäre auszuzahlen. Inzwischen ist Railtrack liquidiert und die Bahninfrastruktur wieder in staatlicher Hand.

Alle Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit bei der Privatisierung staatlicher Betriebe in Deutschland als auch der Eisenbahnen in vielen anderen Ländern der Welt zeigen die Folgen mehr als deutlich: die Interessen und selbst das Leben der arbeitenden Bevölkerung werden den Rendite- und Profitinteressen einer Handvoll privater Investoren geopfert.

Siehe auch:
Europäische Union Privatisierung der Bahn und Sozialabbau
(1. November 2007)
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