Notverkauf der SachsenLB

Sanierung von Spekulanten auf Staatskosten

Es sind keine besonderen ökonomischen Kenntnisse notwendig, um den Zusammenhang zwischen explodierenden Managergehältern und üppigen Vermögenszuwächsen auf der einen und sinkenden Arbeitseinkommen und Sozialleistungen auf der anderen Seite zu sehen. Die simplen Regeln der Arithmetik reichen aus. Was auf den Konten der einen zuströmt, fließt aus den Taschen der anderen ab.

Die Kanäle, über die diese Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums stattfindet, sind allerdings undurchsichtig und verworren. Sie erstrecken sich rund um die Welt und haben oft zeitliche Verzögerungen zur Folge. Profite und Spekulationsgewinne können eine Zeit lang steigen, ohne dass sich dies unmittelbar auf Löhne, Gehälter und Sozialleistungen auswirkt - bis dann ruckartig die Korrektur erfolgt.

Der Notverkauf der sächsischen Landesbank ist ein Fall, an dem der Zusammenhang zwischen ungehemmtem Profitstreben und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten direkt sichtbar wird. Er sagt viel über den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft aus und verdient entsprechende Aufmerksamkeit.

Die landeseigne Bank hat durch Spekulationen auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt Risiken angehäuft, die sich nach Berechnungen von Finanzexperten auf sagenhafte 43 Milliarden Euro belaufen. Das ist das Zweieinhalbfache des sächsischen Staatshaushalts. Die Bankenaufsicht drohte mit sofortiger Schließung.

In der Nacht zum Donnerstag hat nun die sächsische Landesregierung die SachsenLB für 328 Millionen Euro an die baden-württembergische Landesbank (LBBW) verkauft. Dabei hat sich das Land Sachsen verpflichtet, eine Bürgschaft von 2,75 Millionen Euro für Risiken aus Spekulationsgeschäften zu übernehmen. Angesichts der anhaltenden Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt zweifelt kaum jemand daran, dass diese Bürgschaft in vollem Umfang in Anspruch genommen wird.

Man kann sich die Folgen leicht vorstellen. Mit Hinweis auf die fehlenden Milliarden in der Landeskasse werden weitere Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen, öffentliche Investitionen und Dienstleistungen abgebaut, Sozialleistungen gekürzt. An den Milliardenspekulationen der SachsenLB haben viele Leute gewaltig verdient. Aber nicht sie müssen für den Schaden aufkommen, sondern die Staatskasse, die die Last wiederum auf die Bevölkerung abwälzt.

Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) will von allem nichts gewusst haben, obwohl die Gründung der Sachsen LB direkt auf seine Initiative zurückging und er als sächsischer Finanzminister (1990 - 2001) und als Ministerpräsident (ab 2002) die Geschäfte der Bank intensiv verfolgte.

Die Linkspartei, die im Landesparlament die zweitstärkste Fraktion stellt, hat nun den Rücktritt Milbradts gefordert. Diese Forderung ist sicher berechtigt. Doch sollte die Linkspartei in Sachsen Regierungsverantwortung übernehmen, würde sie die Sanierung der Bank auf Kosten der Bevölkerung fortsetzen. Das zeigen die Erfahrungen aus Berlin, wo die durch Immobilienspekulationen in die Krise geratene Berliner Bankgesellschaft ebenfalls mit Milliardenbeträgen aus der Staatskasse "gerettet" wurde. Die Linkspartei, die wegen des Bankenskandals in den Berliner Senat einzog, übernahm an der Seite der SPD die Aufgabe, die Kosten auf die Bevölkerung abzuwälzen.

In Sachsen ist derzeit viel von "unfähigen Bankmanagern" die Rede. Eine relativ kleine Bank, heißt es, habe sich auf internationale Geschäfte eingelassen, von deren Risiken sie keine Ahnung habe. Doch ein Blick auf die größten Banken der Welt zeigt, dass die SachsenLB keine Ausnahme bildet. Sowohl die Citibank, der weltgrößte Finanzdienstleister für Privatkunden, als auch die Schweizer UBS, der weltweit größte Vermögensverwalter, haben wegen der US-Hypothekenkrise Milliardenbeträge verloren. Die UBS allein muss im zweiten Halbjahr 2007 14 Milliarden Dollar abschreiben.

Riesige Vermögen werden heute durch Spekulationen erworben, die auf reinen Illusionen beruhen. Der US-Hypothekenmarkt ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Man hat Leuten Hypotheken angedreht, von denen man wusste, dass sie diese niemals würden zurückzahlen können. Diese Hypotheken wurden zu Paketen geschnürt und an den internationalen Finanzmärkten als lukrative Anlagen gehandelt. So lange die Immobilienpreise stiegen, lief alles gut. Als sie sanken, platzte die Luftblase. Nun droht eine Kettenreaktion, die nach Meinung einiger Experten eine Weltwirtschaftkrise vom Ausmaß der dreißiger Jahre hervorrufen könnte.

Die fiktiven Papierwerte suchen nach einer realen Wertgrundlage, die nur aus der Arbeiterklasse herausgeholt werden kann. In den USA verlieren Hauskäufer ihr Dach über dem Kopf und verbringen den Rest ihres Lebens mit der Rückzahlung von Schulden. Arbeiter auf der ganzen Welt müssen härter und billiger arbeiten, damit Banken wie die SachsenLB "gerettet" werden können.

Schon das allein macht deutlich, dass nicht einfach schlechtes Management für das Desaster der SachsenLB verantwortlich ist, sondern ein Gesellschaftssystem, das jede Form rationeller Planung dem blinden Wirken des Marktes unterordnet und das Prinzip der persönlichen Bereicherung höher stellt als die Bedürfnisse der Gesellschaft.

Das Desaster der SachsenLB wirft ein bezeichnendes Licht auf die Wiedereinführung des Kapitalismus in der ehemaligen DDR und ganz Osteuropa.

Sachsen, das seit der Wende von der CDU regiert wird, galt stets als Leuchtturm der kapitalistischen Restauration. In den Zentren Dresdens und Leipzigs findet man wunderbar restaurierte historische Bauten, umgeben von glitzernden Einkaufszentren. Die Straßen- und Bahnzufahrten sind aufwendig saniert. An ihrem Rande finden sich einige hochmoderne Fabriken der Auto- und Elektronikindustrie.

Verlässt man die Stadtzentren, so stößt man allerdings schnell auf Verfall und Elend. Die Bevölkerungszahl sinkt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, und selbst in den modernen Fabriken arbeiten viele Leiharbeiter zu Niedrigstlöhnen. Die Sächsische Schweiz vor den Toren Dresdens ist zur Hochburg der neonazistischen NPD verkommen, die bei der letzten Landtagswahl landesweit fast mit der SPD gleichzog.

Als einziges ostdeutsches Bundesland bestand Sachsen nach der Wende auf der Gründung einer eigenen Landesbank - eben jener SachsenLB, die nun an Baden-Württemberg verscherbelt wurde. Ihr hat symbolische Bedeutung. Die Krise der Regierung Milbradt, die er ausgelöst hat, wiederspiegelt die Krise eines Gesellschaftssystems, das der Bevölkerung keine Zukunft zu bieten hat.

Siehe auch:
Berliner Bevölkerung zahlt den Preis für die Rettung der Berliner Bankgesellschaft
(6. Juni 2007)
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