Sozialabbau, Verelendung und hemmungslose Bereicherung

Sachbuchautoren besorgt über den Zustand der Gesellschaft

Karl Lauterbach: Der Zweiklassenstaat. Wie die Privilegierten Deutschland ruinieren. Berlin, 2007. ISBN 978 387134 579 1

Gerhard Bosch, Claudia Weinkopf (Hrsg.): Arbeiten für wenig Geld. Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland, Frankfurt 2007. ISBN 9783 593 38429 0

Dorothee Beck, Hartmut Meine: Armut im Überfluss. Nachrichten aus einer gespalteten Gesellschaft. Göttingen, 2007. ISBN 978-3-86521-425-6

Im letzten Jahr sind eine Reihe von Büchern veröffentlicht worden, die die Frage der Polarisierung von Arm und Reich, die Zerstörung des Sozialstaats und die Erodierung demokratischer Rechte zum Thema haben. Die drei hier besprochenen Titel stehen für eine Vielzahl anderer und basieren Großenteils auf Studien und empirischen Untersuchungen, über die in den vergangenen Jahren auf dieser Website berichtet wurde.

Alle Bücher präsentieren wichtiges Material zur rasch wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland und schildern diese zum Teil sehr anschaulich. Dies könnte scharfe Munition im Kampf gegen die Finanz- und Politik-Oligarchie sein. Doch die Schlussfolgerungen die von den Autoren aus ihren Zustandsbeschreibungen gezogen werden, sind meist äußerst beschränkt. Sie erheben mahnend den Zeigefinger, warnen vor sozialen Konflikten und versuchen die herrschende Klasse "wachzurütteln".

Knapp zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Osteuropa und der Sowjetunion, der damals als Triumph des Kapitalismus gefeiert wurde, zeichnen die Autoren das Bild einer Gesellschaft, die sich mit großer Geschwindigkeit auf einen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Abgrund zubewegt. Sie befürchten, dass der fehlende "Sinn für das Gemeinwohl" sowie das ungehemmte, schamlose Anhäufen von Reichtum auf der einen Seite und die Verarmung großer Teile der Bevölkerung auf der anderen Seite der Gesellschaft sich in revolutionären Unruhen entladen könnte, wenn sich in den führenden Wirtschafts- und Politikkreisen nicht sehr rasch ein Umdenken einstellt und im Rahmen sozialstaatlicher Maßnahmen gegengesteuert wird.

Hatte das erste Buch von Dorothee Beck und Hartmut Meine mit dem Titel Wasserprediger und Weintrinker (siehe: Die Ära Kohl in Zahlen http://www.wsws.org/de/gleichheit/9801/04trinke.shtml) noch beklagt, dass die in der Gesellschaft vorhandene Armut verschwiegen und vertuscht werde, so konstatieren sie jetzt in Armut im Überfluss, dass durch die Politik der Bundesregierungen von SPD und Grünen sowie der aktuellen aus CDU/CSU und SPD "die Reichen reicher und zahlreicher", die "Armen jedoch ärmer und noch zahlreicher" geworden sind.

Das Buch enthält sowohl eine Liste der Milliardäre und ihrer Einkommen als auch die einschlägigen Statistiken über zunehmende Armut. Dazwischen befinde sich eine Mittelschicht, von der nur noch eine Minderheit auf einen dauerhaft gesicherten Lebensstandard oder sogar auf Aufstieg hoffen könne. Die Mehrheit fühle sich von Armut bedroht.

Beck und Meine - sie ist Journalistin, er Bezirksleiter der IG Metall - wollen mit ihrem Buch Politiker aufrütteln. Diese sollten nicht allzu willfährig den Vorgaben der Unternehmer- und Bankenlobby folgen, sondern die gefährlichen sozialen Folgen ihres Handelns bedenken.

Sie berufen sich dabei auf das Grundgesetz und zitieren Artikel 14 in dem es heißt: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Die Sympathie der beiden Autoren gehört offensichtlich der Partei "Die Linke" und ihrem reformistischen Programm, das davon ausgeht, dass innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung etwas mehr "Gerechtigkeit" verwirklicht werden könnte. Leute, wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann müssten zur Vernunft gebracht und auf die SPD müsste Druck ausgeübt werden.

Das Buch A rbeiten für wenig Geld von Gerhard Bosch und Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen ist eine Sammlung von wissenschaftlichen Untersuchungen über die verschiedenen Wirtschaftsbereiche in Deutschland, in denen Profite erwirtschaftet werden mit Niedrigstlöhnen, von denen ein Überleben ohne weitere Einkommensquellen oder staatliche Transferleistungen nicht oder kaum möglich ist. Die Studie ist Teil eines internationalen Ländervergleichs der Russell Sage Foundation.

Im Vorwort erklärt der Nobelpreisträger Robert M. Solow vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), dass inzwischen ein Viertel aller Beschäftigten in den Vereinigten Staaten für Niedriglöhne arbeiten müssen und der Anteil dieser Beschäftigten in allen vergleichbar kapitalistischen Ländern ansteige. Bereits 2003 lag der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland bei 17,3 Prozent, wobei fast jede dritte arbeitende Frau dazu gehört. Niedrig bezahlte Frauenarbeit ("Zuverdienst" zum Arbeitseinkommen des Mannes) ist zwar traditionell vor allem in Westdeutschland vorhanden gewesen, aber zunehmend sind heute auch Männer in Beschäftigungsverhältnissen zu finden, die von ihrer Arbeit allein nicht leben, geschweige denn eine Familie ernähren können.

Zu den in der Studie untersuchten Branchen, in denen Niedriglöhne gezahlt werden, gehören Call-Center, der Einzelhandel, die Lebensmittelindustrie, Reinigungs- und Pflegehilfsgewerbe in Krankenhäusern sowie das Hotelgewerbe, das sein Zimmerreinigungspersonal mit Hungerlöhnen abspeist.

Interessant sind auch die Tabellen im Anhang des Buches, in denen aufgezeigt wird, wie hoch der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten in den einzelnen Branchen ist. So erhielten z. B. in der Hotellerie 61,9 Prozent, im Einzelhandel 62,5 Prozent, bei den Zeitarbeitsfirmen 71,5 Prozent, in Call-Centern 52,6 Prozent und bei der Fleischverarbeitung 49,4 Prozent der Beschäftigten Niedriglöhne. Rund fünf Prozent aller Beschäftigten in Deutschland erhielten 2003 weniger als 5 Euro in der Stunde. Nach neueren Untersuchungen hat sich dieser Anteil durch die Einführung des Arbeitslosengelds II und der so genannten Ein-Euro-Jobs (Hartz IV) noch erhöht, auf rund 2 Millionen Menschen.

"Zweiklassenstaat"

Der SPD-Sozialpolitiker und Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach möchte in seinem Buch Der Zweiklassenstaat aufdecken, "wie unsozial und ineffizient unser Staat ist". Auch er ist besorgt über die Tatsache, dass Deutschland infolge wachsender sozialer Ungerechtigkeit und Massenarbeitslosigkeit "zum Zweiklassenstaat verkommen" ist, "in dem Herkunft mehr zählt als Leistung".

Während er, wie die Autoren der anderen beiden Bücher, interessantes Material zur sozialen Auslese und Ungleichheit zusammenträgt, vertritt er deutlicher als die anderen ein detailliert ausgearbeitetes reformistisches Programm. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht nicht das Handeln der Bevölkerung zur Verteidigung sozialer Errungenschaften und Rechte, sondern der Staat. Es ist daher angebracht, einen etwas genaueren Blick auf sein Buch und seine Konzepte zu werfen.

Lauterbach benutzt er den Begriff des "Zweiklassenstaates" für die Bundesrepublik Deutschland. Das ist sehr irreführend. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Zweiklassengesellschaft, in der der Staat nur einer Klasse dient, nämlich den Kapitaleignern. Die Theorie vom Staat, der über den Klassen steht und sozusagen als Vermittler zwischen den beiden Klassen, der arbeitenden Bevölkerung und der Kapitalbesitzer agiert, ist ein Wesenskern des Sozialreformismus.

Dem Sozialdemokraten Lauterbach geht es darum, den Staat zu verpflichten, für einen "gerechten" sozialen Ausgleich zwischen der Masse der Bevölkerung und denen zu sorgen, die er die "Privilegierten" nennt.

Sein Credo lautet: "Der Kampf für Gerechtigkeit - und nicht die Bedienung einer kleinen Klientel von Saturierten - ist die zentrale Aufgabe der Politik. Auf keinem anderen Schlachtfeld kann der Zweiklassenstaat überwunden werden."

Er untersucht die Polarisierung im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, im Pflegebereich und in der Rentenversicherung. Ausgehend von seinen Erfahrungen aus den USA schildert Lauterbach sein Unbehagen über die Annäherung der sozialen Verhältnisse in Deutschland und den USA.

So schreibt er u. a.: "In keinem Land in ganz Europa hängen die Bildungsergebnisse sogar so sehr vom Einkommen der Eltern ab wie in Deutschland."

Diese Kluft werde durch das deutsche Bildungssystem ständig vergrößert. Er zitiert Studien, nach denen Kinder aus armen und bildungsfernen Familien bei gleicher Leistung bedeutend geringere Chancen haben zu studieren als Kinder aus reichen Familien. Die armen Kinder und Jugendlichen landen schließlich als Niedrigqualifizierte und Geringverdienende häufiger in gesundheitsgefährdenden Jobs als in akademischen Berufen und müssen somit zwangsläufig höhere Krankheitsrisiken sowie eine bedeutend kürzere Lebenserwartung in Kauf nehmen.

Lauterbach sieht darin aber nicht eine Folge der unversöhnlichen Interessen zwischen Arm und Reich, Oben und Unten oder Kapitalisten- und Arbeiterklasse. Unversöhnliche Interessen existieren für ihn nicht. Er kann daher auch die Politik, die zu dieser sozialen Ungleichheit führt, nur als eine Folge der "Schlafmützigkeit der herrschenden Politik" deuten.

Er plädiert für eine andere Politik und zwar in der Art eines neuzeitlichen Philanthropen. Es sei im ureigenen Interesse der deutschen Wirtschaft, vor allem das derzeitige Bildungssystem zu reformieren.

Wenn Deutschland angesichts der Globalisierung seine Position als Exportweltmeister halten wolle, sei der "Talentpool" an qualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren für die Zukunft angesichts der geringen Geburtenrate der letzten Jahre viel zu gering.

Er vergleicht daher Deutschland mit Indien und China. Indien habe die Zahl seiner Akademiker in den letzten 20 Jahren um 50 Prozent gesteigert, China verdoppelt die Zahl der Akademiker alle fünf Jahre. Die Zahl der Studierenden habe sich dort seit 1998 fast verfünffacht. China bildet jährlich rund 600.000 Ingenieure aus, während das reiche Deutschland gerade mal 37.000 im Jahr ausbildet. Die Schwäche unseres Bildungssystems treibe die Verlagerung von Forschung und Entwicklung ins Ausland voran, weil dort bessere Wissenschafts- und Forschungsstrukturen vorhanden seien.

Deutschland brauche im internationalen Wettbewerb dringend mehr Akademiker und daher beklagt Lauterbach die "Zementierung der Herkunftsnachteile durch die Schule" und das "ungenutzte Potential der Migrantenkinder".

Die Hälfte der Kinder aus Migrantenfamilien besuche lediglich die Hauptschule. Ein Viertel dieser Kinder erlange gar keinen Schulabschluss. Nur um die 20 Prozent eines Jahrgangs schließen ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium ab. Aus Arbeiterfamilien nehmen nur 12 Prozent der Kinder ein Studium auf.

Im Gegensatz zu den Kindern aus benachteiligten Schichten könnten 84 Prozent der Akademiker damit rechnen, dass ihre eigenen Kinder das Gymnasium besuchen und überwiegend auch studieren können. Bei den Beamten sei das Gefälle noch gravierender.

Das schlechte Abschneiden insbesondere der Migrantenkinder sei darauf zurückzuführen, dass es keine kostenlosen Ganztagskindertagesstätten und Vorschulen gebe und das erste Jahr im Kindergarten nicht kostenlos sei. Außerdem fehle es an akademisch ausgebildeten Erzieherinnen.

Das deutsche Bildungssystem ist eine einzige Anklage. Doch es ist unmittelbarer Bestandteil eines Staates, den Lauterbach zur Rettung des Bildungssystems auserkoren hat. Die Wirtschaft besteht auf billige Arbeitskräfte und muss dies auch bei Strafe des Untergangs aufgrund der internationalen Konkurrenz. Wenn alle Kinder und Jugendlichen zu Akademikern gebildet werden würden, müssten Akademiker zu Niedriglöhnen arbeiten, dann gäbe es massenhaft arbeitslose Akademiker. Die zahlreichen jungen Akademiker, die sich von einem Praktikum ins nächste oder von einem gering bezahlten befristeten Job in den nächsten hangeln, können ein Lied davon singen, dass eine gute Bildung nicht mehr der Garant für ein gutes Auskommen darstellt.

Es ist ein Irrglaube, aus der Tatsache, dass Geringqualifizierte häufiger arbeitslos sind als Hochqualifizierte, den Schluss zu ziehen, eine bessere Bildung würde das Problem der Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit lösen. Arbeitslosigkeit und Niedriglohnarbeit sind solange nicht auszumerzen wie die Organisierung der Gesellschaft nicht nach den Bedürfnissen der Menschen - und dazu gehört zweifelsfrei die bestmöglichste Bildung für alle - sondern nach den Profitinteressen der Wirtschaft ausgerichtet ist.

Zweiklassenmedizin

Erwartungsgemäß widmet sich der Gesundheitsökonom Lauterbach dem Gesundheitssystem am umfangreichsten. Hier beklagt er die "gigantischen Qualitätsunterschiede", mit denen in der Regel arme Kassen- oder wohlhabendere Privatpatienten behandelt werden.

Bei schwerwiegenden Krankheiten wie Krebs oder seltenen neurologischen Erkrankungen blieben gesetzliche Versicherte "wegen zu späten Zugangs zu Spezialisten vielfach auf der Strecke", schreibt er trocken. "Experten aus allen Bereichen der Medizin behandeln vornehmlich oder ausschließlich Privatpatienten."

Lauterbach ist der Meinung, "die private Versicherung kann politisch nur überleben, weil die meisten Entscheidungsträger in Deutschland dort versichert sind: Politiker, Professoren, Spitzenbeamte der Regierung, Unternehmer, Fernsehmacher und Journalisten. Die niedergelassenen Ärzte, die Chefärzte, die Universitätsprofessoren, zahlreiche Gutachter im Gesundheitswesen und Sachverständige, die Pharmaindustrie und die Medienprodukte-Industrie wollen die Zweiklassenmedizin durch die Private Krankenversicherung, weil sie höhere Gewinne bringt."

Sein Reformvorschlag ist daher die Beseitigung der Spaltung zwischen der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung und die Einführung einer alle Bürger umfassenden Versicherung, der so genannten "Bürgerversicherung", die zum Programm der SPD gehört und von ihm ausgearbeitet worden ist.

Die Bürgerversicherung ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Es ist zweifellos zu befürworten, alle Einkommen - also auch das von Freiberuflern, Beamten und Selbstständigen - zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen und auch Vermögensbestandteile wie Zins- und Aktiengewinne mit Sozialabgaben zu belegen. Doch gleichzeitig sollen dadurch die Lohnnebenkosten, das heißt der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Krankenkasse gesenkt und schrittweise ganz abgeschafft werden.

Die beste medizinische Versorgung für alle, sieht die Bürgerversicherung nicht vor. So würde sie nichts an dem Umstand ändern, dass es reiche Menschen gibt, die sich eine gute medizinische Versorgung leisten könnten und arme, die auf die Leistungen der gesetzlichen Versicherung angewiesen sein würden. Das Gesundheitssystem ist wie das Bildungssystem ein Produkt der Zweiklassengesellschaft. Eine wirkliche Reform, die diesen Namen verdient, ist nur möglich, wenn Staat, Pharmaindustrie und Gesundheitssystem unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung steht und die medizinische Versorgung in ihrem Interesse organisiert.

Renten- und Pflegeversicherung

In der Frage der Renten- und Pflegeversicherung macht er die gleiche Ungerechtigkeit wie im Gesundheitssystem aus. Er belegt wissenschaftlich eine Reihe von Binsenweisheiten, die jedem Arbeiter nur allzu geläufig sind: Reiche haben eine höhere Rente als Arme, Reiche leben länger und beziehen daher auch länger ihre Rente. "Bezieht der Einkommensstarke zwanzig Jahre lang eine Rente, während der Einkommensschwache nach zehn Jahren stirbt, hat der Einkommensstarke insgesamt viermal so viel Rente gekriegt, obwohl er nur etwa doppelt so viel eingezahlt hat. Ergo: Je mehr man verdient, desto länger bezieht man Rente."

Zumindest verwahrt er sich vor der Hetze der Reichen und Politiker, dass die Einkommensschwachen zu viel rauchen, Alkohol trinken, zu fett essen und stark übergewichtig seien und daher früher sterben. So warf Oswald Metzger, bis vor kurzem bei den Grünen, Sozialhilfeempfängern vor, sie sähen "ihren Lebenssinn darin, Kohlenhydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen, vor dem Fernseher zu sitzen und das Gleiche den eigenen Kindern angedeihen zu lassen".

Der Lebensstil, so Lauterbach, sei allenfalls für ein Viertel der gesundheitlichen Ungleichheiten zwischen verschiedenen Einkommensgruppen verantwortlich. Wissenschaftlich belegt sei aber, "dass geringes Einkommen schon für sich allein genommen und erst recht in Verbindung mit gesundheits-gefährdenden Berufen die Lebenserwartung reduziert."

Er schlägt ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, um die Ungerechtigkeiten bei der Rente zu verhindern. Aus ethischen Gründen sollte die Lebenserwartung von Einkommensschwachen durch gezielte Prävention erhöht werden, auch wenn dies die Finanzierung des Rentensystems weiter belaste. Mithilfe von Investitionen ins Bildungssystem könne Abhilfe geschaffen werden. Eine gute Vorschul- und Schulbildung für alle schütze vor vermeidbaren Krankheiten, Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Problemen.

Ein weiterer Bereich, in dem Lauterbach eine massive Ungerechtigkeit festmacht, ist die Pflege. Die Pflegeversicherung weise so gravierende Qualitätsdefizite auf, dass sich darüber Bestseller wie Abgezockt und totgepflegt von Markus Breitscheidel schreiben lassen. http://www.wsws.org/de/2006/apr2006/pfle-a11.shtml

Auch hier trete die Unversöhnlichkeit zwischen Arm und Reich in Erscheinung. Die getrennten Finanzkreisläufe der gesetzlichen und privaten Versicherung haben dazu geführt, dass man für eine der gesetzlichen vergleichbare, private "Teilkaskoversicherung" im Durchschnitt nur die Hälfte zahlen müsse.

Lauterbach spricht in seinem Buch zwar durchaus unbequeme Wahrheiten aus. Aber seine Analyse bleibt bei der Feststellung der Symptome stehen, seine Gegenmaßnahmen sind ein herumdoktern daran. Eine Ableitung der Ungleichheit, sozialen Ausgrenzung und Benachteiligung aus der kapitalistischen Ökonomie lehnt er ab.

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