Ralph Nader kandidiert zur Präsidentschaftswahl 2008

Der Konsumentenanwalt und dreimalige Präsidentschaftskandidat Ralph Nader gab am Sonntag bekannt, dass er auch in diesem Jahr als unabhängiger Kandidat gegen Demokraten und Republikaner antreten wird. Er machte in einem fünfzehnminütigen Interview in der NBC Nachrichtensendung "Meet the Press" deutlich, dass seine Kandidatur das Ziel verfolgt, den Kandidaten der Demokratischen Partei zu einer liberaleren Haltung zu bewegen.

Bei seinen drei bisherigen Wahlkämpfen stützte Nader sich jedes Mal auf eine andere Organisation. 1996 kandidierte er als Unabhängiger, 2000 war er der Kandidat der Grünen und 2004 wurde er von der Reformpartei aufgestellt, bzw. von dem Rumpf, der von dieser Partei noch übrig war. Die Reformpartei war 1996 von Ross Perot gegründet worden. Sie hatte 2000 den ultrarechten Pat Buchanan unterstützt. Dieses Jahr scheinen Nader und seine Mitkämpfer wieder als Unabhängige kandidieren zu wollen und keine Nominierung durch die Grünen anzustreben. Die Grünen werden wahrscheinlich die Demokratische Kongressabgeordnete Cynthia McKinney als Kandidatin aufstellen.

In seinem Interview in "Meet the Press" kritisierte Nader die großen Parteien, weil sie beide im Sold der Wirtschaft stünden, und konstatierte die breite Unzufriedenheit mit dem Zwei-Parteien-System. Dabei berief er sich auf Umfragen, die zeigen, dass bis zu 80 Prozent der Wähler sich vorstellen könnten, eine Partei außerhalb der offiziellen politischen Strukturen zu wählen.

Er nannte einige Themen, die für seinen Wahlkampf wichtig sein würden: den Krieg im Irak, die Reaktion der Bush-Regierung auf den Hurrikan Katrina, Bushs Steuersenkungen und die Krise in der Krankenversorgung, sowie die Auswirkungen der Globalisierung auf den Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter. Er kritisierte den Demokratischen Favoriten Barack Obama, weil dieser die "pro-palästinensische" Position aufgegeben habe, die er zur Zeit seiner politischen Tätigkeit in Illinois noch eingenommen hatte. Stattdessen unterstütze er jetzt als Präsidentschaftskandidat unkritisch die israelische Unterdrückung der Palästinenser.

Nader wies die vom NBC-Interviewer Tim Russert aufgegriffene Behauptung führender Demokraten zurück, seine Kandidatur habe im Jahre 2000 dem demokratischen Kandidaten Al Gore die Präsidentschaft gekostet, und er sei damit quasi für die Politik der Bush-Regierung der vergangenen sieben Jahre verantwortlich. "Ich?" entgegnete er. "Nicht George Bush? Nicht die Demokraten im Kongress?"

"Jede Drittpartei in Florida hatte mehr Stimmen als die 537, die die Republikaner von den Demokraten getrennt haben", bemerkte er und fügte hinzu, die USA sollten ein "Mehrparteiensystem mit einer größeren Auswahl" haben, wie Westeuropa und Kanada. "Diese beiden Parteien haben unser Wahlsystem zerstört... sie können nicht einmal Stimmen richtig auszählen, sie stehlen - die Republikaner stehlen Stimmen, und die Demokraten verhindern, dass Kandidaten von Drittparteien auf den Stimmzettel kommen."

Nader hat jedes Recht, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren und zu versuchen, in jedem Staat auf den Wahlzettel zu kommen. Er wird sich dabei erneut gegen die wütenden Versuche der Demokratischen Parteimaschine wehren müssen, die seine Kandidatur verhindern will.

Dessen ungeachtet ist Nader in keiner Weise eine wirkliche Alternative zu den beiden großen Parteien der Wirtschaft oder zur kapitalistischen Politik insgesamt. Die World Socialist Web Site wendet sich nicht gegen Nader, weil er kandidieren will, sondern wegen seines Programms und seiner Perspektive. Er ist kein Sozialist oder Vertreter der Arbeiterklasse, sondern ein kleinbürgerlicher Reformer, der sich, wie er in seinem Interview erklärte, durch die Rechtsentwicklung der Demokraten und Republikaner in den letzten dreißig Jahren aus dem politischen System ausgegrenzt fühlt.

Nader machte das in seiner Antwort auf die letzte Frage Russerts klar, der von ihm wissen wollte, wie seine Karriere als Konsumentenanwalt ihn dazu gebracht habe, sich selbst an Wahlen zu beteiligen. Er erklärte, in den 1960er und 1970er Jahren hätten die Türen in Washington für ihn offen gestanden. Er sei bei Regierungsvertretern und Kongressabgeordneten mit seinen Reformvorschlägen auf offene Ohren gestoßen, besonders wenn es darum ging, den Machtmissbrauch der Großindustrie einzuschränken.

Richard Nixon, sagte Nader, "war der letzte Präsident, der die Liberalen noch genug fürchtete, um seine Position zu ändern. Er unterzeichnete das OSHA- [Arbeitsschutz-] und das EPA- [Umweltbehörde-]Gesetz, verwirklichte eine Gesundheitsreform, an die er selbst nicht wirklich glaubte, und führte den Mindestlohn ein, um die Armut zu beseitigen. Aber dann änderte sich die Lage. Ungefähr von 1979 an schlossen sich immer öfter die Türen für Bürgergruppen."

Nach zwölf Jahren republikanischer Regierungen rechnete Nader damit, dass sich die Türen mit dem Sieg Clintons und Gores 1992 wieder öffnen würden. Er musste allerdings feststellen, dass in Washington die gleichen Wirtschaftsinteressen wie vorher das Sagen hatten. Die Unzufriedenheit mit seinem mangelnden Erfolg unter der Clinton-Regierung motivierte ihn schließlich 1996 zu seiner ersten Präsidentschaftskandidatur.

Seither konzentriert sich Nader bei allen Wahlkämpfen darauf, Druck auf die Demokraten auszuüben, um sie wieder in Richtung Liberalismus zu drängen. Sein Ziel ist nicht der Kampf für eine Alternative zu der ganzen, von den Wirtschaftsinteressen beherrschten politischen Struktur.

Dies gab er in seinem Interview offen zu, als er erklärte, sein Ziel sei es, "Bedingungen zu schaffen, die es leichter machen, zu kandidieren; zu erreichen, dass abweichende Drittparteien und unabhängige Kandidaten mehr respektiert werden; und der Erkenntnis zum Durchbruch zu verhelfen, dass in unserer Geschichte große Fragen, wie der Kampf gegen die Sklaverei oder für das Frauenwahlrecht, ... von kleinen Parteien angestoßen wurden, die nie eine landesweite Wahl gewonnen haben."

Nader sagte nicht und wurde auch nicht danach gefragt, weshalb er den ehemaligen Senator John Edwards bei dessen Bemühungen um die Demokratische Präsidentschaftsnominierung unterstützt hatte. Vor der Vorwahl, die am 3. Januar in Iowa stattfand, hatte Nader die wirtschaftskritische Demagogie von Edwards in den Medien gelobt und die Demokraten in Iowa aufgefordert, Edwards "zum Sieg zu verhelfen". Er bezeichnete Hillary Clinton als "Wirtschaftsdemokratin", als ob der Multimillionär Edwards, der in seinen sechs Jahren im Senat weit rechts stand, nicht in gleicher Weise ein Vertreter und Verteidiger des Profitsystems wäre.

Am deutlichsten zeigte Nader im "Meet the Press"-Interview seine Illusionen in die Demokratische Partei, als er erklärte, der Republikaner John McCain könne unmöglich die Wahl gewinnen. "Glauben sie etwa, die Amerikaner werden für einen Kriegsbefürworter stimmen, der fast den Eindruck macht, er sei für den ständigen Krieg, für unaufhörliche Interventionen im Ausland?" fragte er in Antwort auf Russerts Unterstellung, Naders Kandidatur könnte Obama die Chance verbauen, der erste schwarze Präsident der USA zu werden.

Diese Einschätzung ergibt sich unmittelbar aus Naders oberflächlicher und subjektiver Auffassung von Politik und seiner Ablehnung einer Klassenanalyse der Gesellschaft. Die Präsidentschaftswahl 2008 wird letztlich nicht durch den freien Willen der Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung entschieden, sondern durch den Ausgang des Kampfs, der in den Reihen der herrschenden Elite tobt. Auslöser dieses Kampfs ist das außenpolitische Debakel der Bush-Regierung und die Gefahr eines Finanzzusammenbruchs, der für den sozialen Zusammenhalt im Inland unkalkulierbare Folgen hätte.

Ein Sieg McCains ist zweifellos eine Möglichkeit, die von mächtigen Teilen der herrschenden Elite favorisiert wird. Sie befürchten, eine neue demokratische Regierung, die eine deutliche demokratische Kongressmehrheit im Rücken hätte, könnte Erwartungen in der Bevölkerung wecken, die im Widerspruch zur Politik stünden, auf die beide bürgerliche Parteien festgelegt sind.

Wie bei früheren Wahlen verschleiert Naders Programm die tiefer liegenden Ursachen für die Politik von Krieg und sozialer Reaktion, die vom politischen Establishment und seinen beiden Parteien verfolgt wird: die Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus. Naders Programm weckt reformistische Illusionen, dass es möglich sei, fortschrittliche Veränderungen durch Drittparteien und nominell unabhängiger Kandidaten zu erreichen, ohne die Arbeiterklasse für einen unabhängigen Kampf gegen das Profitsystem zu mobilisieren.

Siehe auch:
Die zwei Gesichter des Barack Obama
(16. Februar 2008)
Der Einfluss des Geldes, Medienmanipulation und die amerikanischen Wahlen
( 5. Januar 2008)
Loading