Vaclav Klaus gewinnt Schlammschlacht um tschechisches Präsidentenamt

Mit äußerst knapper Mehrheit ist der bisherige konservative Amtsinhaber Vaclav Klaus am Freitag für weitere fünf Jahre zum tschechischen Staatsoberhaupt gewählt worden. Im dritten Wahlgang der zweiten Runde stimmten 141 Abgeordnete und Senatoren für den von den Bürgerdemokraten (ODS) nominierten Klaus. 126 Stimmen entfielen auf seinen Kontrahenten Jan Svejnar, der von den Sozialdemokraten (CSSD) und den Grünen (SZ) unterstützt wurde.

Klaus’ Wiederwahl wurde erst durch das Überlaufen eines sozialdemokratischen Abgeordneten möglich. In den vorangegangenen Wahlgängen war es ihm nicht gelungen, in dem 281-köpfigen Wahlgremium die nötige Mehrheit von 141 Stimmen zu erhalten.

Die Wahl wurde von einer wochenlangen, öffentlich ausgetragenen Schlammschlacht begleitet. Die Parteien warfen sich gegenseitig Erpressung und Stimmenkauf vor. Das Geschehen erinnerte stellenweise eher an einen Mafia-Streifen als an eine demokratische Wahl. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der Gesellschaft, die mit der Einführung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse entstanden ist. Die politische Elite hat sich vollkommen von der einfachen Bevölkerung abgehoben und kämpft mit teilweise kriminellen Methoden erbittert um politischen und finanziellen Einfluss.

So erhielten die unabhängigen Senatorinnen Liana Janackova und Jana Jurencakova vergangenen Dienstag Briefumschläge mit einer Patrone und einem Drohbrief, weil sie, anders als von ihrer Fraktion empfohlen, für Klaus gestimmt hatten.

Das Lager von Klaus übte seinerseits massiven Druck aus und versuchte Stimmen zu kaufen, um ihrem Kandidaten die Mehrheit zu sichern. Die beiden unabhängigen Senatoren Josef Novotny und Josef Zoser behaupteten, Kollegen der ODS hätten ihnen Schmiergeld in Höhe von zwei Millionen Kronen geboten, falls sie für Klaus stimmten.

Der sozialdemokratische Abgeordnete Evzen Snitily, der mit seiner Stimme schließlich Klaus Wiederwahl ermöglichte, wurde während der Wahl von ODS-Abgeordneten scheinbar derart unter Druck gesetzt, dass er zusammenbrach. Oppositionsführer Jiri Paroubek (CSSD) warf Innenminister Ivan Langer (OSD) daraufhin öffentlich vor, er habe Snitily erpresst. Zum Beweis präsentierte er das Foto einer Begegnung zwischen den beiden.

Um Überläufer zu schützen, hatte die ODS auf geheime Abstimmung gedrängt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Regierungschef Mirek Topolanek (ODS) machte anschließend deutlich, was er von demokratischen Gepflogenheiten hält. "Das ist lächerlich! Demokratische, freie Wahl! Totales Gespött! (...) Geht alles in den Ar...!", kommentierte er, ohne zu wissen, dass die Mikrofone eingeschaltet waren und seine Äußerungen direkt übertragen wurden.

Einige Medien äußerten sich alarmiert über die Folgen des abstoßenden Spektakels. Der Politologe Tomas Lebeda sorgte sich in der Tageszeitung Lidove noviny : "Was sich da auf der Prager Burg abgespielt hat, überstieg die pessimistischsten Erwartungen der abgehärtetsten Beobachter". Mlada Fronta Dnes nannte die Wahl "eine Schande".

Die Süddeutsche Zeitung warf nach der Wahl einige berechtigte Fragen auf: "Was sind die wahren Motive jener Abgeordneten, die als Überläufer dem alten und neuen Präsidenten Vaclav Klaus zu einer neuen Mehrheit verholfen haben? Wer sind die Finsterlinge, die an Klaus-Sympathisanten Pistolenkugeln versandten - oder war es ein Täuschungsmanöver, das von den massiven Beeinflussungsversuchen der konservativ-liberalen ODS zugunsten von Klaus ablenken sollte? Waren im Hintergrund Geheimdienste, neureiche Finanziers, altkommunistische Seilschaften oder Mafiosi aktiv?"

Besorgt stellte das Blatt die Frage nach den Auswirkungen auf das öffentliche Bewusstsein: "Viele Menschen fragen sich, ob das nun die Freiheit sein soll, nach der sie sich einst so sehnten."

Klaus und ODS-Regierungschef Topolanek hatten in der "Demokratiebewegung" von 1989 eine maßgebliche Rolle gespielt und sich nach der "samtenen Revolution" für die Einführung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse stark gemacht. Unter dem Vorwand, Demokratie und Wohlstand für alle zu schaffen, organisierten sie eine beispiellose Umverteilung des gesellschaftlichen Eigentums. Berüchtigt sind die so genannten "Coupon-Privatisierungen", die Klaus, der auch die ODS ins Leben rief, in den ersten Jahren nach dem Kollaps des stalinistischen Regimes durchführte. Damals wurden staatliche Betriebe und Einrichtungen ohne jede rechtliche Grundlage zu Spottpreisen an ausländische Investmentfonds und Spekulanten verscherbelt, wobei ein großer Teil des Volksvermögens vernichtet wurde.

Als Premierminister hatte sich Klaus bereits in den neunziger Jahren für eine "Marktwirtschaft ohne Attribute", d.h. ohne soziale Absicherung, ausgesprochen. Seither ist er noch weiter nach rechts gerückt. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er das Buch "Blauer Planet in grünen Fesseln", in dem er den Klimawandel und seine Folgen ausdrücklich leugnet. Er redet darin einer ungebremsten, rein am Profit orientierten Wirtschaftspolitik das Wort, die keinerlei Verantwortung für die ökologischen und humanitären Folgen zu tragen hat.

Die sozialdemokratische Opposition unterscheidet sich nur in Nuancen von Klaus’ ODS. Auch sie verteidigt uneingeschränkt das kapitalistische Eigentum, will aber einen Teil davon für sich haben. Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Milos Zeman steht sogar im Verdacht, sich an den Intrigen zugunsten von Klaus beteiligt zu haben. Einer seiner engsten Vertrauten, Miroslav Slouf, wurde beobachtet, als er in einem Prager Hotel mit Klaus’ Kanzleichef zusammentraf. Slouf werden außerdem Verbindungen zum organisierten Verbrechen nachgesagt.

Am deutlichsten zeigt sich die rechte Orientierung der Sozialdemokraten daran, dass sie keinen eigenen Kandidaten aufstellten und stattdessen den von den Grünen vorgeschlagenen Jan Svejnar unterstützten. Die Grünen ihrerseits sind Bestandteil der ODS-geführten Regierungskoalition.

Der heute 55-jährige Wirtschaftsprofessor Svejnar emigrierte in den 80er Jahren in die USA, wo er heute an der University of Michigan lehrt. Nach dem Fall der stalinistischen Bürokratie gründete er in Prag das Wirtschaftsforschungszentrum CERGE und wurde zum Berater von Ex-Präsident Vaclav Havel.

Wirtschafts- und sozialpolitisch stehen sich Klaus und Svejnar sehr nahe. Beide treten für die Fortsetzung des rücksichtslosen Sozialabbaus und die vollständige Deregulierung der Wirtschaft ein. Auch die von Klaus und der ODS befürwortete Stationierung des US-Raketenabwehrschirms auf tschechischem Boden lehnt Svejnar nicht ab. Er will lediglich die EU stärker in das Projekt einbinden, um Missstimmungen zu vermeiden.

Die einzige tiefere Meinungsverschiedenheit zwischen Svejnar und Klaus betrifft das Verhältnis zur Europäischen Union. Während Klaus durch seine EU-feindliche Haltung auch im eigenen Lager immer wieder auf Kritik stieß, schlägt Svejnar weit EU-freundlichere Töne an. Svejnar will in Tschechien möglichst rasch den Euro einführen. Gerade deshalb ist der Posten des Staatspräsidenten, der im Grunde wenig Einfluss auf die Politik hat, doch von Bedeutung. Er ernennt nicht nur die obersten Richter des Landes, sondern auch die Leitung der tschechischen Zentralbank.

Eine besonders zynische Rolle spielte bei der Präsidentenwahl die Kommunistische Partei (KSCM), die in den letzten Parlamentswahlen immerhin 13 Prozent der Stimmen errang und - ähnlich wie die Linkspartei in Deutschland - der sozialen Gerechtigkeit und der Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien das Wort redet. Sie stellte vor der zweiten Abstimmungsrunde die rechtsnationalistische Europa-Abgeordnete Jana Bobosikova, Vorsitzende der Splitter-Partei Politika 21, als eigene Kandidatin auf. Bobosikova selbst bezeichnet sich als "nicht links stehend", ihre Partei vertritt ein Programm, das sich von dem der ODS kaum unterscheidet.

Nachdem klar wurde, dass Bobosikova nicht einmal die Stimmen aller KSCM-Delegierten erhalten würde, zog sie ihre Kandidatur wieder zurück. Die KSCM unterstützte darauf, wie schon im ersten Wahlgang, Svejnar als "kleineres Übel".

Bobosikovas Kandidatur hatte vor allem das Ziel, Druck auf die Sozialdemokraten und die Grünen auszuüben. So erklärte sich die KSCM bereit, Svejnar zu wählen, falls Grüne und CSSD sich verpflichteten, gegen die Stationierung des US-Raketenschirms in Tschechien zu stimmen. Als weitere Bedingung nannte sie einen "Nichtangriffs- und Anständigkeitspakt" zwischen den drei Parteien. Von Jan Svejnar verlangten sie zudem die Zusage, sich als Präsident gegenüber allen Parteien gleich zu verhalten

Die letzten beiden Forderungen zielten eindeutig auf eine künftige Regierungsbeteiligung ab. Nach jetzigem Stand hätten Sozialdemokraten, Grüne und KSCM eine rechnerische Mehrheit im Parlament. Um eine Regierung zu bilden, brauchen sie aber auch den Segen des Präsidenten.

Obwohl sich die Grünen umgehend gegen die Forderungen der KSCM aussprachen und die Stationierung des US-Radars als ausgemachte Sache bezeichneten, schließen Teile der politischen Elite, vor allem der sozialdemokratischen CSSD, eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten nicht mehr aus. Angesichts der Instabilität der Regierung und unvermeidlichen sozialen Konflikten betrachten sie die KSCM, in der viele Kader der ehemaligen stalinistischen Nomenklatura versammelt sind, als stabilisierenden Faktor und als Ordnungsmacht.

Trotz den erbitterten Konflikten, die in den Präsidentschaftswahlen zwischen den verschiedenen Lagern aufbrachen, sind sie sich in ihrer Verachtung und Feindschaft gegenüber der arbeitenden Bevölkerung einig. Die Prager Regierung stützt sich auf eine Koalition aus ODS, Christdemokraten und Grünen, die von zwei sozialdemokratischen Überläufern unterstützt werden, die ihnen die Mehrheit sichern.

Der den Grünen nahe stehende Außenminister Karel Schwarzenberg hat jüngst für den Afghanistan-Einsatz der NATO mehr Kampfbereitschaft der Europäer gefordert. Es sei seit vielen Jahrzehnten eine Krankheit der NATO, dass die europäischen Staaten sich nur widerwillig an bewaffneten Aktionen beteiligen, sagte Schwarzenberg. Er unterstrich dabei, dass Tschechien bereit sei, sein militärisches Engagement in Afghanistan zu verstärken. Die derzeit 135 Mann starke Truppe soll nun weiter aufgestockt werden. Dabei gehe man natürlich auch in den umkämpften Süden des Landes.

Innenpolitisch hat die schwarz-grüne Koalition bereits eine Gesundheitsreform durchgesetzt, die den Tschechen hohe Eigenbeteiligungen bei Arzt- oder Krankenhausbesuchen aufbürden. Angesichts der grassierenden Armut im Land, rechnen Experten mit einer signifikanten Verschlechterung der allgemeinen medizinischen Versorgung. Gegenwärtig ist die Dreierkoalition dabei, die Rentenreform unter Dach und Fach zu bringen. Sie soll empfindliche Einbußen für Rentner und die Einführung privater Elemente beinhalten.

Die Bevölkerung tritt der schwarz-grünen Regierung mittlerweile mehrheitlich ablehnend gegenüber. Die Stationierung des US-Radarsystems und die gesamte, immer aggressiver werdende Außenpolitik finden ebenso wie die Angriffe auf den Lebensstandard breiter Schichten keine Unterstützung. Im letzten Jahr kam es aus Protest gegen die Reformpolitik zur größten Demonstration seit dem Ende des stalinistischen Regimes.

Siehe auch:
Prag: Großdemonstration gegen Sozialabbau
(3. Juli 2007)
Rechte Minderheitsregierung in Tschechien
( 6. September 2006 15. Juni 2006)
Schwarz-Grün an der Moldau
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